Violet Evergarden (Folge 8)

“Wie hast du bisher bloß nur gelebt?” wirft Prinzessin Charlotte Violet in der fünften Folge an den Kopf. Nun, drei Folgen später, wird die Antwort auf diese Frage aufgerollt, als eine Schreckensbotschaft Violets blutige Vergangenheit an die Oberfläche zerrt.

Major Gilbert ist im Kampf verschollen. Nachdem Hopkins Violet darüber informiert hat, sucht sie Diethard auf. Doch dass Gilbert lebt, bekommt sie auch von ihm nicht zu hören. Aufgelöst besucht sie die Orte, an denen sie mit Gilbert während des Krieges Zeit verbracht hat und die Erinnerungen kommen hoch…

“Sie ist kein Mensch. Sie ist nur eine Waffe”

Diethard findet klare Worte, als er Violet die Menschlichkeit aberkennt. Nicht nur er auch, auch die höheren im Militär teilen diese Meinung. Selbst für Hopkins ist das blutige Bild der kriegerischen Violet auch nach dem Krieg noch eine starke Einprägung gewesen. Inmitten all derer, die in ihr nur den Nutzen als Waffe betrachten ist Gilbert die einzige Figur, die versucht in Violet das Mädchen zu sehen, obwohl sie dafür erst einmal noch nicht viel hergibt: Sie kann gar nicht richtig sprechen, geschweige denn lesen und schreiben. Vom sozialen Leben hat sie nicht nur keine Ahnung, sie wirkt geradezu wie ein Tier. Dafür sind ihre Sinne, Instinkte und ihre Beweglichkeit aufs Äußerste geschärft, um dem Gegner, wenn nötig, auch von hinten an die Gurgel zu gehen. Kaltblütig zückt sie Messer und Gewehr, um den Feind niederzumetzeln. Befehlen gehorcht sie, aber auf eigene Faust die eigenen Reihen zu schützen, scheint sich nur auf Gilbert zu erstrecken. Violet ist wie gepolt auf Gilbert, ihren Vorgesetzten. Ihr Retter? Oder auch der Herr für sie, dem seinigen Hund. Thematisch und inhaltlich schließt die Folge nahtlos an die erste Folge an, in dem die Eingangsszene mit dem Saphir in einen chronischen Ablauf eingereiht wird.

“Ich habe keine Zeit für Ihre neu gefunden Moral”

Der Krieg wird ziemlich detailliert beschreiben, auch außerhalb des Kontexts Violet und Gilbert. Doch bringt sie etwas zum Stirnrunzeln. Einerseits ist Violets Militärseite die Partei, die belagerte Gebiete befreit und den Bewohnern wieder ein normales Leben auf dem Marktplatz ermöglicht. Die großen Befreier? Andererseits birgt sie Leute wie Diethard oder Gilberts Vorgesetzten (er tauchte schon in Folge 5 auf), die keine Hemmungen haben, ein junges Mädchen auszubeuten und hinterher zu entsorgen. Bei Diethard vielleicht noch verständlich, dass er einen persönlichen Groll hegt, da Violet seine Kameraden tötete. Aber beim Rest? Selbst Hopkins hat nicht die größten Gewissensbisse, da er sich mehr Gedanken um die Gerüchteküche macht, die Gilbert in ein schlechte Licht stellen als um Violet als Mensch. Noch fragwürdiger wird das Ganze durch die Erwähnung, dass Gilberts Seite mit 60.000 Mann einem Heer von 30.000 Kriegern gegenübersteht. Nach Strohhalmen griffen sie also noch gar nicht, als sie Violet in die Schlacht schickten.

“Einmal Waffe, immer Waffe”?

Violet hat auch nach all der Zeit, in der sie nur reiste und Texte abtippte, kaum von ihrer Kampfkraft eingebüßt. Mit einem schnellen Griff verrenkt sie selbst mit ihren mechanischen Armen ohne Problem die Schultern eines jungen Soldaten. Doch in ihren Augen lodert nun ein eigenes Feuer, nicht bloß die Spiegelung des Flammen vom Schlachtfeld. Diethard erkennt sie fast nicht wieder. Im ersten Trailer, der noch der Light Novel Vorlage nachempfunden ist, sieht man Violets körperlichen Fähigkeiten auch in ihrer AKORA-Uniform. In einer der kuren Szenen scheint sie jemanden aus einem Feuer zu retten. Ihre Fähigkeiten kommen als nicht nur für negativ belastete Taten zum Einsatz. Ob die Anime-Adaption noch dazu kommt, die entsprechenden Geschichten zu adaptieren?

Die Folge endet ziemlich abrupt. Das ist auch die erste Folge, die gar keinen Folgentitel zu haben scheint. Bei der letzten Folge war der Titel noch ein nicht vorhandener leerer Titel, diesmal fehlt komplett die Einblendung. Ist die Folge also eher als ein erstes Segment eines Mehrteilers zu sehen? So fühlt sich das Ende der Folge zumindest nicht wie ein Showdown an, sodass der Schock-Clffhanger gar nicht recht wirken will. Das Abschießen der Leuchtfackel ist sicher der Klimax der ersten Angriffswelle, doch weiß man von Hopkins’ Erklärung aus der letzten und Violets Flashback aus der ersten Folge, dass es der Kampf noch viel intensiver geworden sein muss, sodass der Zuschauer kaum die gleiche Erleichterung wie Gilbert fühlt, was zu seinem Moment der Unachtsamkeit führt. Der Cliffhanger wirkt auf mich weniger wie ein Schocker als blanke Dummheit. Damit hat es wohl den Effekt doch eher verfehlt. Überraschend ist allerdings dann doch das Grab, das Violet ein klares Zeichen gibt, dass Gilbert nicht wiederkommt. Hier findet die deutsche Synchronisation noch einmal viel klarere Worte, da er von Diethard als gefallen bezeichnet wird, während im Original alle nur sehr klare Implikationen vergeben. Eine freiere Übersetzung ist auch die des Synonymepaars “utsukushii” und “kirei” (schön) in “raubt einem den Atem”. Wahrscheinlich ist auch ein “hübsch” im Deutschen etwas zu kurz und einfach und kann nicht gut als Wort verkauft werden, dass Violet nicht kennt? Da hatte es die englische Version mit “beautiful” und “pretty” sicher einfacher. Doch gefällt mir diese Übersetzung überraschend gut. Er ist figurativ, also kein Wunder, dass Violet ihn nicht versteht und er hat auch direkt emotionale Untertöne, was Violets Griff ans Herz verstärkt und auch Gilberts Konflikt besser dramatisiert, als er versucht die Fassung zu behalten. Doch gibt es dem Ganzen wieder einige romantische Untertöne, was zwar zu Gilberts “aishiteru” (romantisches “Ich liebe dich”) passt, aber nicht so recht zur Darstellung seiner Interaktionen mit ihr, die eher väterlich erscheinen.

Zweite Meinung:

Zu der Folge kann man nicht viel sagen. Sie erzählt die Geschichte, die wir uns bereits denken konnten, in einer für mich zu langsamen Geschwindigkeit. Die Darstellung der Militär-Oberen finde ich zusätzlich viel zu übertrieben. Bei einer derartig menschenverachtenden Weltanschauung wünscht man sich doch spontan, dass Violets Seite verliert. Es hätte geschickter formulieren können, zum Beispiel sie verlieren und brauchen jeden, der kämpfen kann. Die Darstellung in der Folge ist zusätzlich ein wenig widersprüchlich, mal ist sie die Geheimwaffe und mal ist sie Abfall, welchen man auf dem Schlachtfeld liegen lassen kann. Es wird auf biegen und brechen ein Kontrast geschaffen, Gilbert als das Gute und die Welt als das Böse darzustellen, was ich für unnötig halte.

Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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