Siúil, a Rún Vol. 2

Das grimm’sche Märchen in Mangaform Siúil, a Rún – Das fremde Mädchen geht in die zweite Runde. Es erzählt von schlafenden Wäldern, Hoffnung verschlingender Dunkelheit und knarrenden Schicksalsrädern. Und mittendrin das fragile Band zwischen einem Menschen und einem nichtmenschlichen Wesen – zwei Verstoßene, die versuchen, einander Halt zu geben.

Ein fürchterlicher Fremder, so groß wie ein Schrank, steht plötzlich in Shivas Schlafzimmer und streckt die Hand nach ihrem Gesicht aus. Noch ehe der Doktor etwas unternehmen kann, wird das Mädchen von der Kreatur berührt. In einem Tobsuchtsanfall gelingt es dem Doktor schließlich, den Fremden zu verletzen und aus dem Haus zu werfen. Doch was ist mit Shiva? Fällt sie nun dem Fluch anheim? Der Doktor beschließt, gemeinsam mit Shiva dem Fremden in den Wald zu folgen, um Antworten zu erhalten. Währenddessen haben die Menschen im Inneren Land von Shiva erfahren und schmieden Pläne, um das Mädchen ihrem Beschützer zu entreißen.

Der Ursprung des Fluchs – Clickbait

Originaltitel Totsukuni no Shoujo
Jahr 2015
Bände 2 / ?
Genre Supernatural
Autor Nagabe
Verlag Tokyopop (2017)

Auf ihrer Suche nach dem Fremden, begleiten wir den Doktor und Shiva bis zu einem See, der eine tragende Rolle inne zu haben scheint. Dort lernt der Leser mehr über den Fluch respektive er erfährt eine andere Sichtweise auf den Fluch: Während die Menschen im Inneren Land sich Märchen erzählen von einem Weißen Gott, der eine Mauer erschuf, um die Menschen vor dem Fluch des Schwarzen Gottes zu schützen, behaupten die Fremden, dass die Menschen selber der Auslöser für den Fluch seien. Eine Aussage, die der Doktor zunächst nicht begreift – der Leser genauso wenig.
Überdies erzählen ihm die Fremden offenbar die Wahrheit über Shiva, doch der Leser bekommt durch einen verflucht rechtzeitigen Szenenwechsel den Inhalt dieser Wahrheit nicht mit. Auch sonst sind die Dialoge eher kryptisch gehalten und scheinen durch Frage-Gegenfrage unnötig in die Länge gezogen zu werden, so dass man sich vergleichsweise ungeduldig durchblättert. Und so kann man zum Schluss nur rätselraten, was der Doktor wohl so zermürbendes über Shiva erfahren hat.

Der Doktor – gar nicht so allmächtig

Verwöhnt vom nahezu omnipotenten Elias aus The Ancient Magus’ Bride, fällt auf, dass der Doktor körperliche und wissenstechnische Unzulänglichkeiten aufweist. Er ist zunächst nicht in der Lage, dem Fremden in Shivas Zimmer die Stirn zu bieten. Er ist auch nicht in der Lage, Shiva die Welt zu erklären. Ja, er verfällt sogar in melancholische Grübeleien ob seiner Unfähigkeit, Shiva helfen zu können. Das macht die Beziehung zwischen den beiden wesentlich fragiler. Wo der Konsument von The Ancient Magus’ Bride sich faul zurück lehnen kann à la “Wird eh nix passieren. Elias to the rescue”, ist es bei Siúil, a Rún nicht gesagt, dass der Doktor seinen Schützling vor allem bewahren kann.
Als der Doktor am See schließlich auf die anderen Fremden trifft, wird klar: Der Doktor ist anders. Selbst unter den Fremden ist er ein Fremder. Es erhärtet sich der Verdacht, dass der Doktor früher ein Mensch gewesen sein muss.

Die Ruhe vor dem Cliffhanger

Zurück vom See versucht der Doktor, den gewöhnlichen Alltag aufrecht zu erhalten und Shiva ihre Sorgen zu nehmen. Teeparty, Eierbraten, Mäntel nähen, der Gang ins verwaiste Dorf: Slice-of-Life-Elemente, die nach der ohnehin schon leicht gestreckt wirkenden See-Szene nochmal Dampf rausnehmen. Ein seltener Szenenwechsel ins Innere Land verspricht Abwechslung. Man sieht einen Kleriker, der sich mit einem Soldaten darüber unterhält, das Mädchen mithilfe eines Bauernopfers gefangen zu nehmen. Mit der Umsetzung des Plans wird auch nicht lange gefackelt. Als der Doktor und Shiva das nächste Mal spazieren gehen, vernimmt das Mädchen ferne Rufe, rennt ihrem Beschützer davon – und tappt geradewegs in die Falle. Klappe zu, Band 2 vorbei.

Der Autor Nagabe liefert mit seinem ersten Band eine atmosphärische und verlockende Eröffnung. Visuell kann er mit Band 2 nahtlos daran anschließen: Die mit Schraffur versehene Düsternis hebt sich wie ein Nebel von den Seiten und trübt alles um sich herum ein – alles bis auf Shiva, die als kleine weiße Blüte durch diesen Nebel stakst, als wenn nix wär. Storymäßig muss Nagabe freilich die Geschichte voran bringen und dabei von dem Diffusen wegkommen, das den ersten Band so attraktiv gemacht hat. Das gestaltet sich immer als Gratwanderung – entblöße zu wenig und es stellt sich Frustration ein. Entblöße zu viel und es kommt zur Enttäuschung.
Ich für meinen Teil bin leicht frustriert. Die See-Szene ist mir zu saftlos und durch den anschließenden Alltags-Fokus bleibt’s doch a bissel lame. Dann aber steht am Ende wiederum auf einmal das Bauernopfer da und bringt den Megapepp rein. Eine leicht misslungene Balance. Ist aber vielleicht dem Umstand geschuldet, dass man separat in Manga-Magazinen erscheinende Kapitel irgendwie gescheit in Volumes zusammen fassen muss. Wie auch immer: Band 3, ich komme.

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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Aki
Aki
Redakteur
15. Februar 2018 15:17

Das Ende des Bandes ist richtig fies! Daher hoffe ich, dass der dritte Band bald kommt. Vor allem auch, damit man mehr Antworten bekommt. Die Szenen am See sind leider recht nervig für michg gewesen. Ständig die gleichen Antworten! Es ist ja klar, dass man nicht zu viel verraten möchte aber das war ein wenig zu viel des Guten. Der Kampf am Anfang ist hingegen nicht schlecht. Hätte nicht gedacht, dass es so brutal zu gehen wird.