Predestination – Entführung in die Zukunft

Wer sagt, dass Zeitreisen immer in die Vergangenheit führen müssen? Der deutsche Zusatztitel “Entführung in die Zukunft” ist wieder einmal eine Marketingfloskel. Eher sollte man sich hier die Frage stellen, ob das Huhn oder das Ei zuerst da war. Die deutschen Zwillingsbrüder Michael und Peter Spierig (Daybreakers) adaptierten für Predestination – Entführung in die Zukunft Robert A. Heinleins Kurzgeschichte All You Zombies. Wer diesen Film allerdings für einen einfachen Trip durch die Jahrzehnte à la Looper hält, dürfte angesichts der Komplexität erstaunt sein. Predestination – Entführung in die Zukunft besitzt die Wucht eines Inception und fällt dabei noch emotionaler aus. Dass der Film es nicht in deutsche Kinos schaffte und direkt mit einem Home Release einstieg, ist angesichts der intellektuellen Herausforderung, die er darstellt, alles andere als ein Wunder.

    

Ein ehemaliger und nicht weiter benannter Barkeeper und einstiger Zeitreise-Agent (Ethan Hawke) lässt sich an der Theke von einem Mann namens John zu einer Wette überreden. Der Gast behauptet, er habe eine unglaubliche Geschichte emotionaler Natur auf Lager. Bald ist der Barkeeper nicht nur um den Wetteinsatz, eine Flasche Whiskey, ärmer, sondern auch einen Entschluss reicher: Er will in die Vergangenheit reisen um das Handwerk derer zu legen, die Johns Leben zerstört haben…

Gestern ist auch noch ein Tag

Originaltitel Predestination
Jahr 2014
Land Australien
Genre Science-Fiction, Drama
Regisseur Michael Spierig, Peter Spierig
Cast Barkeeper/Agent: Ethan Hawke
Die unverheiratete Mutter/Jane/John: Sarah Snook
Mr. Robertson: Noah Taylor
Mrs. Stapleton: Madeleine West
Alice: Freya Stafford
Mr. Miles: Christopher Kirby
Mr. Miller: Christopher Summers
Laufzeit 97 Minuten
FSK

Zu Beginn ist bei weitem noch nicht absehbar, welche Tragweite der Film entwickeln wird. Nach einem schnellen Personalwechsel setzt die Geschichte an einem anderen Zeitpunkt an und erzählt die Geschichte des Mädchens Jane, welches sich nach dem actionreichen Prolog auf die Reise durch die einzelnen Dekaden macht. “Rückblende” und “Zeitpunkt” erweisen sich spätestnes hier als eher schwierige Begriffe und während man als Zuschauer nach einer Lösung für diverse Rätsel sucht, wird die Spannungsschraube kontinuierlich zugezogen. “Wir verhindern Verbrechen, bevor sie geschehen“ lautet die Devise des im Film angesiedelten Zeitreiseunternehmens. Eine Prämisse, die bereits dazu einlädt, sich in wirren Zeitreiseparadoxa zu verzetteln und immer wieder mit der eigenen Logik zu brechen. Nicht so bei Predestination: Die Erzähltechnik ist verschachtelt und die Lösungen auf einzelne Fragen bieten echte Mindfuck-Momente. Dafür ist allerdings auch höchste Konzentration seitens der Zuschauer gefordert.

Mehr als Sci-Fi

Visuell wird die Zeitreise als retrofuturistisches Designfest inszeniert, um den Zeitgeist der 70er mit der Technologie-Vision von morgen zu verheiraten. Für Requisite und Kostüme wurde sich einmal quer durch das zurückliegende Jahrhundert gewühlt: der Zeitreisepolizist sieht mit Hut und Mantel aus wie ein Noir-Detektiv vergangener Tage. Dass der handwerklich solide Film nicht über das große Budget verfügte, sieht man ihm an, doch störend ist das zu keinem Zeitpunkt. Dafür überwiegen Charme und Kopfnussfaktor einfach viel zu sehr. Den Film allerdings auf seine Science-Fiction-DNA zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht werden. Hinter der futuristischen Geschichte steckt ein Drama mit Tiefenwirkung, welches kaum eindrucksvoller demonstrieren könnte, dass der Mensch Eigenschaften, die er an sich selbst schätzt, auch in anderen Menschen sucht.

Die Auflösung in wenigen Sätzen

Jane wird 1945 als Baby ausgesetzt, wächst zu einer jungen Frau heran und bekommt 1963 ein Baby von dem Mann, der sie erst werden kann, nachdem sie das Baby bekommt – um weiter zu altern, sich selbst zu entführen und schlussendlich zum ultimativen Verbrecher zu werden, der Zeitreiseagenten am meisten auf Trab hält. Alles in allem wird hier auch deutlich, dass der Titel des Films gewählt ist, um aufzuzeigen, dass alles prädestiniert ist. John ist als lebendes Paradoxon der perfekte Agent. Er wurde zum gefeierten Star unter den Agenten, ist aber vereinsamt und die einzige Liebe seines Lebens, ist sein früheres Ich, welches er selbst zerstören muss, um sich zu erschaffen. Ein in sich geschlossener Kreislauf.  Das Verstehen aller Plottwists setzt nicht nur aktives Mitdenken voraus, sondern fordert auch aktives Um-die-Ecke-Denken.

Predestination – Entführung in die Zukunft  gehört zu jenen Filmen, die man mindestens zweimal sehen muss, um sich ihres vollen Umfangs bewusst zu werden. Das geschieht immer auf eine eindrucksvolle Weise, sodass der Zuschauer sich irgendwo ganz im Henne-Ei-Paradoxon verloren sieht, was allerdings nie langweilig wird. Jede fallen gelassene Silbe über das Ende ist zuviel verraten: es ist verheerend und sorgt für Gesprächsstoff. Leider ist dieser Film völlig zu Unrecht untergegangen, denn auf seine eigene Art und Weise ist er eine echte Perle. Der richtige Film zum Kopfzerbrechen.

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Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Aki
Aki
Redakteur
27. Oktober 2017 8:31

Vielen vielen Dank für die Review. Ich bin schon mal über den Film gestolpert und wollte ihn mir anschauen. Leider ging das dann bei all den Titeln, die ich schon auf meiner Plan to Liste habe total unter. Hatte ihn daher komplett aus den Augen verloren aber jetzt hab ich ihn mir mal weiter nach oben gesetzt. Kling nämlich genau nach einer Geschichte, die mir gefallen wird.

Aki
Aki
Redakteur
Antwort an  Ayres
31. Oktober 2017 9:38

Hab den Film gestern Abend angeschaut — Amazon Prime sei Dank.
Eins muss man den Film lassen, mein Hirn war gut beschäftigt und ein paar meiner Theorien haben dann immerhin mal hingehauen. Ich muss daher sagen, dass die Macher es mir schwerer gemacht hätten, wenn am Anfang eine Szene nicht gezeigt worden wäre. Trotzdem ein paar Überraschungen gab es dann trotzdem

Spoiler
Es ist schon ziemlicher Midfuck, was es hier mit Jane und John zu auf sich hat. O_O Es rodelt daher immer noch im meinem Kopf, ob das gehen würde, dass ein und dieselbe Person sich zeugen können. Gott, wie das schon geschrieben klingt aber es ist wirklich eine beindruckende Wendung. Hingegen war es nicht mehr weit weg, dass der Barkeeper auch John alias Jane ist. Daher finde ich es nicht so gut, dass am Anfang gezeigt worden ist, dass einem Agenten das Gesicht weggebrannt worden ist und das dann danach gezeigt wird, dass er ein neues Gesicht bekommen hat. Die Szene nagte nämlich von Anfang an mir und ich wollte sie in die Handlung einordnen. Daher macht es klick, als John auf sein früheres Ich getroffen ist.

Den Titelzusatz: Entführung in die Zukunft, hätten sie sich echt sparen können, denn der gab mir auch schon den einen oder anderen Gedankenanstoß in die richtige Richtung.
Am Ende bleibt mir nur zu sagen, das man für den Anfang etwas Geduld braucht aber dafür dann ein sehr interessantes Finale bekommt. Kein Film wie jeder andere und ich werde ihn die Tage mal meinen Freunden weiter empfehlen, da ich gespannt bin, was sie dazu zu sagen haben.