Hiobs Spiel (Band 4): Weltmeister
Nach etwas über fünf Jahren geht es 2018 mit Tobias O. Meißners schonungslosem Epos Hiobs Spiel in die vierte Runde namens Weltmeister. Der Magier Hiob Montag gegen NuNdUuN, den Fürsten des Wiedenfließes. Eigenwillig, sprachgewandt, eklig, bizarr. Fernab des Massengeschmacks wird um die Seele der Welt gekämpft. Und das reale Leben hinterlässt seine Spuren in der Fiktion.
Ein kurzer Abriss der Haupthandlung: Das Wiedenfließ ist weder Himmel, noch Hölle, sondern ein Ort an dem Ideen Form annehmen, die Quelle der Magie. Mythische Urwesen, dämonische Kreaturen, es gibt Nichts, was es nicht gibt. Und wer das Wiedenfließ beherrscht, kann die Geschicke der Welt lenken. Was meist mit dem Leiden der Menschheit einher geht. Wer die Herrschaft erlangen möchte, kann das Spiel spielen. Punkte sammeln durch das Lösen übernatürlicher Aufgaben. Vielleicht einen Wiedergänger beseitigen oder einen Fluch aufheben. Zu Beginn von Weltmeister steht es für den derzeitigen Spieler Hiob Montag immerhin 17:12. Damit hat er den bisherigen Weltrekord eingestellt. Der nächste Punkt macht ihn zum alleinigen Spitzenreiter. Und da setzt das Elend an. Da Hiob für die Dauer des Spiels körperlich nicht altert und er Aufgaben ablehnen kann, hat sich die Bequemlichkeit in sein Leben geschlichen. Ein Jahrzehnt flog nur so an ihm vorbei. Er wohnt mit seinem Sukkubus Widder in Berlin und hat Fett angesetzt. Seine Magie nutzt er für Taschenspielertricks, um sich Geld zu ergaunern. Er beklagt den Mangel an guten Unterhaltungsmedien, und ist vom Tunnelblick politisch engagierter Menschen ebenso enttäuscht. Für wen spielt er überhaupt? Lethargie macht sich breit, denn die Menschheit, die er doch retten will, verroht. Rassismus, Terror, und niemand erkennt seine unglaubliche Leistung an. Hiob muss sich zusammenraufen, um überhaupt den Willen zu finden, den Faden wieder aufzunehmen. Zum Sieg benötigt er 78 Punkte und obwohl er soweit ist, wie bisher nur eine Person vor ihm, ist der Weg unendlich lang. Da bietet NuNdUuN ihm eine Wette an, bei der er seine Punkte verdoppeln kann. Kinderleicht sollen die nächsten Aufgaben sogar sein. Aber innerlich werden sie Hiob alles abverlangen.
Früher war alles besser
Originaltitel | Hiobs Spiel: Weltmeister |
Ursprungsland | Deutschland |
Jahr | 2018 |
Typ | Roman |
Bände | 4 / 8 |
Genre | Horror, Fantasy |
Autor | Tobias O. Meißner |
Verlag | Golkonda |
Meißner beschäftigt diese Buchreihe bereits seit Anfang der 90er Jahre und sie ist schon immer nah geschrieben am sogenannten Puls der Zeit. Es gibt genug Horror auf der Welt, auf deren Hintergrund magische Ferkeleien aller Art stattfinden können. In den letzten Jahren macht sich aber unbestreitbar ein Abwärtstrend in Europa bemerkbar und da scheint es weniger Spaß zu machen, einfach von Möchtegern-Vampiren und tragischen Katastrophen in Touristikgebieten zu schreiben. Hiob unternimmt einen Trip nach Tschechien, verbleibt sonst aber in Berlin und hat es mit kleinen Gemeinheiten zu tun. Leute, die jegliche Kontrolle über ihre Innereien verlieren oder ein Krebsgeschwür, das sich selbstständig macht. Meißner zeichnet ein Bild vom belanglosen Alltag der Opfer und Täter, und kriegt grade noch die Kurve, um Hiobs Empathie hervorzuheben. Wie sehr es ihn mitnimmt, wenn er für einen Punkt dann doch töten muss. Wenn man als Leser schon keine Lust mehr auf Hiobs Dauergemecker über die Gesellschaft hat, wird deutlich, wie einsam er in seiner Position ist und was für ein jämmerliches Dasein der Spieler fristen muss. Der ultimative Kämpfer für die Menschheit und was ihm am meisten fehlt ist ein Bezug zum normalen menschlichen Miteinander. Aber das unsagbare Leiden auf der Welt hinterlässt bei ihm echten physischen Schmerz.
Höllentrip mit Sozialkritik
Was Hiobs Spiel das Prädikat einzigartig verleiht sind vor allem zwei Dinge. Zum einen wie weit Meißner damit geht Alpträumen Form zu verleihen. Gore, Splatter und Tabubruch inklusive. Aber zum anderen versteht er es sich nicht zu sehr auf reiner Fäkalsprache und brachialem Inhalt auszuruhen. Er spielt mit der Sprache und liefert immer Hintergrundinformationen, aus denen sich noch etwas lernen lässt. Es ist nicht nur Schock um des Schockes Willen. Ein nettes Hilfsmittel ist dabei das Layout, bei dem die Kapitel unterschiedliche Schriftarten erhalten und so manche Grafik – wie ein Einschussloch auf der Seite – Platz findet. Treue Leser kennen das schon und leider bietet sich nichts Neues. Immerhin wagt Meißner inhaltlich ein Experiment und kratzt an der fest zementierten Heterosexualität seines Protagonisten. Ja, Hiob Montag, der seinen Sextrieb mit einem Sukkubus auslebt, der ihm all seine erotischen Wünsche mit prominenten Damen erfüllt, hat eine experimentelle Phase mit einem anderen Mann. Dass dabei jegliche Stereotype über feminine Männer rausgehauen werden und Transsexuelle unter den sprichwörtlichen Bus gestoßen werden… nicht zu viel Progressivität auf einmal. Der Leserkreis von Hiobs Spiel ist sowieso schon klein genug. Das bemerkt sogar NuNdUuN selbst, als er sagt, über Hiob sollten Bücher geschrieben werden, immerhin ist er ein Rekordspieler – aber wer würde das schon lesen wollen. Das ist nicht mal der radikalste Bruch mit der vierten Wand, den Meißner hier begeht. All die Monologe über aktuelle Politik und Medien rütteln kaum am Leser, das können auch ganz andere Autoren. Aber Berlin ist ein wichtiger Schauplatz und eine vierseitige Intermission ruft den Anschlag vom Breitscheidplatz ins Gedächtnis. Hier wäscht sich selbst NuNdUuN die Hände in Unschuld, das Wiedenfließ ist nicht für jede schlechte Tat verantwortlich und Hiob kann nicht alles Schlechte in der Welt aufhalten.
Auf kaum eine Fortsetzung bin ich so sehr gespannt wie auf die Weiterführung von Hiobs Spiel, dabei ist mir bewusst, dass die Reihe von vornherein auf 50 Jahre der Erscheinung ausgelegt wurde. Die Art und Weise wie Magie funktioniert, was für Monstren erschaffen werden und was sie über den Stand der Welt aussagen, lässt mich die Bücher kaum aus der Hand legen, wenn ich anfange zu lesen. Aber beim neuesten Band empfand ich Hiobs Sicht der Dinge manchmal doch wie von einem klischeebeladenen Individualverweigerer, der mit dem Fortschritt nicht klar kommt. Die direkte Kritik erschien mir platter als in Vorgängern. Aber dank der sonstigen Gedankengänge und Hiobs neu erwachendem Ehrgeiz durch die Wette, bleibt es gewohnt spannend und der Titel für mich ein Geheimtipp im abseitigen Horror.
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