Alex Strangelove
Fast gleichzeitig mit Love, Simon erscheint ein weiterer Film mit einer schwulen Hauptfigur. Die Teenie-Komödie Alex Strangelove von Craig Johnson geht inhaltlich allerdings weiter und steuert ihre Hauptfigur Alex auch durch eine weitere Thematik: Sexualität. Was in Love, Simon genüsslich ausgespart wird, wird hier in allen Facetten ausgeschmückt, doch darüber hinaus hinkt die Netflix-Produktion ihrer Genre-Konkurrenz in so einigen Punkten hinterher.
Alex Truelove (Daniel Doheny, Adventures in Public School) und seine beste Freundin Claire (Madeline Weinstein, Beach Rats) kennen sich von klein auf. Gemeinsam hosten sie eine Internetvideoreihe, die das Treiben an der Schule begleitet. Im Gegensatz zu seinen Freunden, die von Mädchen schwärmen und fantasieren, ist Alex schon weiter: Es knistert allmählich zwischen ihm und Claire, und daraus entsteht eine gemeinsam ausgelebte Sexualität. Beziehungsstatus: undefiniert. Gleichzeitig wird Alex verunsichert, weil er sich auch zu einem Jungen hingezogen fühlt und nicht weiß, ob er sich selbst überhaupt noch als heterosexuell bezeichnen kann…
Die Irrungen und Wirrungen der eigenen Sexualität
Originaltitel | Alex Strangelove |
Jahr | 2018 |
Land | USA |
Genre | Komödie, Romanze, Queer Cinema |
Regisseur | Craig Johnson |
Cast | Alex Truelove: Daniel Doheny Claire: Madeline Weinstein Elliott: Antonio Marziale Dell: Daniel Zolghadri Sophie: Annie Q. |
Laufzeit | 99 Minuten |
FSK | – |
Auf den ersten Blick bietet Alex Strangelove erst einmal nichts, was aus dem Raster gängiger Teeniefilme ausbricht: Parties, Sexfantasien, Alkohol und Drogen. Irgendwo dazwischen ist der versunsicherte Alex, der unter all den Jungen, bei denen sich alles nur um das Eine dreht, hervorsticht. Einerseits ist da die wachsende Spannung zwischen ihm und Claire, andererseits will sich auch nicht so recht so etwas wie Liebe einstellen. Die sonstigen Nebenfiguren sind nicht weiter erwähnenswert, dümpeln allerdings auch nicht in stereotypen Gewässern herum. Kreativität stellt sich dann ein, wenn es darum geht, Alex’ Unsicherheiten zu veranschaulichen. Da tun sich plötzlich sogar bei der Wahl der Frühstückscerealien Fragen auf, was hetero- und was homosexuell oder sogar bisexuell ist. Diese charmant transportierten Ideen bereichern die sonstigen Löcher des Plots, die mal mehr, mal weniger elegant gefüllt werden.
Hier wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Film mehr Mut besäße, es nicht allen recht machen zu wollen.
Mehr als nur Hetero- und Homosexualität
Auch 2018 gehören Ausgrenzung und Scham noch immer zu den Alltagsthemen eines LBGT-Menschen. Craig Johnson meint es gut mit seiner Hauptfigur und lässt Alex diese schmerzlichen Erfahrungen nicht durchlaufen. Es gibt keine Beleidigungen oder Pöbeleien, keine frustrierten Eltern, und selbst Alex’ Mitschüler haben für sein Outing nur ein Achselzucken übrig. Zuviel heile Welt, an der sich mancher Zuschauer stören wird, doch es ist angenehm, einen Film jenseits gängiger Konflikte anzusehen. Der eigene Feind lauert in Alex selbst und ist dessen Unsicherheit. Doch in Alex Strangelove gibt es weit mehr als nur zwei Seiten der Medaille: Auch Bi- und sogar Pansexualität werden in das Spektrum sexueller Diversität aufgenommen.
Selbstfindung und Verleugnung
Wie in Beach Rats spielt Madeline Weinstein erneut eine Jugendliche, die nichts davon ahnt, dass ihr Freund im Grunde schwul ist. Sie spielt die Rolle der Claire mit viel Elan und ist der Motor der Beziehung. Claire erlebt eine wichtige Lektion in Sachen Akzeptanz und steht damit stellvertretend für viele Menschen, die verstehen müssen, dass der Mensch, den sie begehren, eine andere Sexualität in sich trägt als gewünscht. Hier beweist Craig Johnson Fingerspitzengefühl, auch wenn die sonstige Beziehungszeichnung der beiden Hauptfiguren eher rudimentär ausfällt.
Alex Strangelove mag zwar nicht ansatzweise mit Love, Simon mithalten können, bemüht sich aber um eine witzige Darstellung von Alex’ Selbstfindungsphase. Dass sich sämtliche Handlungsstränge auf Teufel komm raus in Wohlwollen auflösen, ist aus dramaturgischer Sicht störend, doch davon einmal abgesehen demonstriert der Film einen beispiellosen Umgang mit Sexualität, Anderssein und vor allem sexueller Diversität.