The Unthinkable
Von 35.000 US-Dollar auf 91.000 US-Dollar: Die schwedische Filmproduktion The Unthinkable wurde mittels Crowdfunding finanziert und erreichte binnen kurzer Zeit eine gigantische Summe, welche die Realisierung des als Disaster Movie vermarkteten Films ermöglichte. Das Debüt des schwedischen Filmkollektivs Crazy Pictures ist aber weit mehr als nur das. Der Film erzählt die Geschichte eines Sohnes, dessen Vaters und gleichzeitig eine im großen Stil angelegte Katastrophengeschichte. Was genau geschehen ist, ist zunächst auch ein gut gehütetes Geheimnis. Viel wichtiger ist es dem Autoren Victor Danell (Gilla) dazu aufzurufen, das zu behalten, was einem wichtig ist und Sorge dafür zu tragen, es zu bewahren. Denn wenn das Undenkbare geschieht (die Brücke zum Titel des Films), könnte es das Kostbarste werden. The Unthinkable feierte seine Europapremiere auf dem Fantasy Filmfest 2018.
Schweden. In einer malerischen Landschaft in einem kleinen Dorf wächst der junge Alex (Christoffer Nordenrot, Ein Mann namens Ove) auf. Er liebt Musik und kann diese Leidenschaft auch mit der Gleichaltrigen Anna (Lisa Henni, Easy Money) teilen. Doch seine Gefühle für sie hält er eher zurück, denn ob sie diese im gleichen Maße erwidern kann, ist fraglich. Auch Alex’ familiäres Umfeld ist problematisch. Aus Sicht seines aggressiven Vaters Björn (Jesper Barkselius, Dansa Först) ist er ein Bully Magnet. Und seine Mutter verlässt die Familie nach einem weiteren Ausraster ihres Mannes eines Nachts. Als ihm endgültig die Decke auf den Kopf fällt, kehrt Alex seinem gewalttätigen Vater den Rücken zu und zieht zu seinem Onkel. Zeitsprung. Alex, inzwischen ein junger Erwachsener und erfolgreicher Pianist, hört vom Tod seiner Mutter und kehrt zurück aufs Land. Es ist das Mittsommerfest. Dort erwartet ihn ein Bild des Schreckens. Menschen kommen mit ihren Autos von der Fahrbahn ab, Desorientierung macht sich breit und Vögel fallen vom Himmel. Was ist hier geschehen? In der Zwischenzeit findet Alex’ Vater mehr heraus, doch da ist es bereits zu spät…
Zwei starke Plots
The Unthinkable ist hoch ambitioniert. Zwar wird vordergründig Alex’ Lebensgeschichte mit der Verknüpfung zwischen heute und damals erzählt, gleichzeitig baut sich aber der Katastrophenplot auf. Und der hat es wahrhaft in sich. Nicht nur hinsichtlich seiner Schauwerte, sondern insbesondere in Bezug auf die Bedeutung für die Regierung. Beides geschieht erst einmal unabhängig voneinander und lässt sich mühelos parallel aufbauen. In einer Geschichte steht Alex im Vordergrund, der andere Handlungsstrang wird durch Alex’ Vater Björn sowie Annas Mutter Eva (Pia Halvorsen, Real Humans) getragen. Das funktioniert erstaunlich gut, so versteht der Zuschauer nach und nach, was vorgefallen ist. Denn die Bevölkerung ist unwissend. Informationen dringen nur spärlich aus der Regierung, Nachrichten zeigen verheerende Bilder und auch die Polizei hat die unbekannte Situation kaum unter Kontrolle.
… und weitere Subplots
Dass beide großen Handlungsstränge ineinander überlaufen, versteht sich von selbst. Im direkten Vergleich mit anderen Katastrophenfilmen, in denen Familie Jedermann von Situation zu Situation rutscht, stellt The Unthinkable eine angenehme Abwechslung dar. Denn Alex ist ein Charakter zum Greifen und sorgfältig profiliert. Nicht jede seiner Entscheidungen teilt der Zuschauer, aber sie ist stets in Hinblick auf seine Charakterentwicklung logisch. Alex besitzt nämlich auch Charakterzüge, die man bei einer Hauptfigur nicht unbedingt vermuten würde. Das berührt auch das Verhältnis zu Anna, ein Subplot, dem vergleichsweise viel Zeit eingeräumt wird und der vergleichsweise klischeehaft ausgestaltet wird.
Manchmal ist weniger mehr
Originaltitel | Den Blomstertid Nu Kommer |
Jahr | 2018 |
Land | Schweden |
Genre | Thriller, Drama |
Regisseur | Crazy Pictures |
Cast | Alex: Christoffer Nordenrot Anna: Lisa Henni Björn: Jesper Barkselius Eva: Pia Halvorsen |
Laufzeit | 129 Minuten |
Bei einer Laufzeit von 130 Minuten bleibt immerhin genügend Zeit, alle Erzählstränge unterzubringen und auch zusammenzuführen. Am Ende ist die Geschichte wie aus einem Guss erzählt. Damit das klappt, müssen zahlreiche Momente so aufgelöst werden, dass die Hauptfiguren begünstigt werden. Das artet in eine Überkonstruktion aus, die zunehmend an Glaubhaftigkeit verliert.
Emotion in Bild und Ton
Die visionären Bilder tragen maßgeblich dazu bei, dass ein Weltuntergangsszenario gezeichnet wird. Und dessen Sog macht auch den Zuschauer zu einem Betroffenen. Dafür wurden starke Aufnahmen produziert. Zum einen von der ländlichen Idylle (hier sind besonders die in Sonne getränkten Sequenzen gelungen, die das erneute Aufeinandertreffen zwischen Alex und Anna erzählen), zum anderen aber auch von dem Drumherum. Denn das Drama spielt sich im ganzen Land ab, auch wenn die Handlung auf einen Ausschnitt fokussiert ist. Besonders feinfühlig ist der Score von Gustaf Spetz, der in emotionalen Momenten den richtigen Ton trifft, um den Zuschauer zu rühren. Wo auch immer Alex ist, wird er von einer Melancholie umhüllt, in die man sich leicht hineinversetzen kann. Es lohnt sich, die Ohren aufzumachen, denn die Musik transportiert die Gemütslage der Figuren. Wenn Alex als gefeierter Musiker ganz in seinem Element ist und sein einst zartes Pianospiel zu einem ausufernden Electro Feuerwerk entgleist, wird deutlich, wie der Junge von damals gereift ist.
Überzeugender Cast
Neben den audio-visuellen Qualitäten, die Schwächen des Drehbuchs an mancher Stelle auffangen können, beeindrucken auch die Darsteller. Der von Christoffer Nordenrot gespielte Alex ist ein Freund. Man versteht ihn, man fühlt seinen Schmerz. Manchmal möchte man ihn einfach schütteln und bitten, die Dinge nicht zu ernst zu nehmen. Seine Figur trägt nicht weniger Zerrissenheit in sich als der von Jesper Barkselius gespielte Björn. Dessen moralischer Kompass schlägt weit aus und lässt Björn bis ans Limit gehen. Steht man als Zuschauer unmittelbar auf Alex’ Seite, so bekommt man mit Björn eine Figur, bei der einem die Möglichkeit eingeräumt wird, ihn im Laufe der Handlung neu zu bewerten. Lisa Henni und Pia Halvorsen spielen solide die beiden weiblichen Hauptfiguren, durch die man in die Perspektive des Miterlebens schlüpfen darf. Aber dabei bleibt es nicht. Im Laufe der Katastrophe lernen wir viele Figuren wie Tholén, Konny oder Julia kennen, deren Schicksale ebenfalls aufgegriffen werden.
The Unthinkable ist ganz großes Kino. Je weniger man über die Handlung weiß, desto stärker kann man sich von dem weitgehend gelungenen Zusammenspiel der vielen Handlungs- und Nebenstränge überraschen lassen. Als Serie hätte der Stoff ein passenderes Format gefunden, denn zu erzählen gäbe es noch viel und die stark profilierten Figuren bieten mehr als ihnen hier zugestanden wird. Für das Drehbuch wäre es förderlich gewesen, die Handlung um ein paar Facetten zu reduzieren, die schließlich in die Unglaubwürdigkeit führen. Auch das Melodrama wird nicht bei jedem Zuschauer zünden. Doch das einmal bei Seite bleibt ein fesselndes Debüt, das Lust auf viel mehr macht.
©Ascot Elite Entertainment
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