The Favourite – Intrigen und Irrsinn

Das Kostümdrama The Favourite – Intrigen und Irrsinn zählt aus vielen Gründen zu den wichtigsten Titeln des Filmjahres 2019. Überhäuft mit zahlreichen Preisen, darunter dem Golden Globe für Olivia Colman als beste Schauspielerin, befindet sich der Film auch in einer Pole Position für die Academy Awards 2019. Yorgos Lanthimos (The Killing of a Sacred Deer) zählt zu den interessantesten Regisseuren unserer Zeit. Kein Wunder, dass seine extravaganten Filme Dauergast auf den Festivals dieser Welt sind. In seinem Epos The Favourite – Intrigen und Irrsinn schreitet er in minutiöser Perfektion voran, um die sich passenderweise im deutschen Titel befindlichen Thematiken Intrigen und Irrsin voranzutreiben. Das geschieht unter der Höchstleistung seines Schauspielerinnentrios, welches in einem intimen Ränkespiel alles gibt.

Großbritannien zu Beginn des 18 Jahrhunderts: Das Land befindet sich im Krieg und das Volk leidet Elend. Doch das interessiert die dauerkränkelnde Queen Anne (Olivia Colman, The Crown) nur am Rande. Eher sind Brot und Spiele angesagt, sodass Entenrennen der größte Quell der Freude sind. Deshalb überlässt Anne die Staatsgeschäfte ihrer besten Freundin, Lady Sarah Churchill (Rachel Weisz, Meine Cousine Rachel). Eines Tages tritt Abigail (Emma Stone, La La Land) auf den Plan, die eine entfernte Verwandte Sarahs ist. Doch ein Schicksalsschlag sorgte dafür, dass sie jeglichen Reichtum verlor und nun auf der Suche nach niederer Arbeit ist. Mit viel Geschick gelingt es ihr jedoch, am Hof als Dienstmagd anzuheuern. Dabei muss sie Sarahs Schikanen über sich ergehen lassen und ganz nebenbei arbeitet sie sich in der Gunst der Königin nach oben. Kein Wunder, dass Sarah rot sieht. Ein Kampf der Furien entbrennt, denn keine will das Zepter freiwillig aus der Hand geben!

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Originaltitel The Favourite
Jahr 2018
Land Großbritannien, Irland, USA
Genre Historiendrama
Regisseur Yorgos Lanthimos
Cast Queen Anne: Olivia Colman
Sarah Churchill: Rachel Weisz
Abigail Masham: Emma Stone
Robert Harley: Nicholas Hoult
Samuel Masham: Joe Alwyn
Marlborough: Mark Gatiss
Mae: Jeanny Rainsford
Laufzeit 120 Minuten
FSK

In acht Kapiteln zeigt The Favourite – Intrigen und Irrsinn eine matriarchalische Gesellschaft des frühen 18. Jahrhunderts. Ein herrlich vergnügliches, aber auch schmerzliches Fest mit verschwenderischen Gesten. Der Titel des Films nimmt Bezug auf die liebste Hofdame Queen Annes: Wer am höchsten in der Gunst der Königin stand, erhielt den größtmöglichen politischen Einfluss, denn historischen Quellen zufolge hatte die Königin das Regieren schlichtweg satt. Und 1708 standen dann auch noch besonders spannende Zeiten an: Es ging um nichts Geringeres als die Wiederherstellung des europäischen Friedens, Vorherrschaft und Einflussnahme innerhalb des spanischen Erbfolgekriegs. Vor diesem politischen Hintergrund stellt Lanthimos eine eine Königin dar, deren Körper völlig außer Kontrolle geraten ist. Ihre Regentschaft besteht rein aus ihrer Physis, denn die Gicht hat sie zu einer Marionette gemacht, die vor sich hinvegetiert. Olivia Colman brilliert in der Rolle ihrer launenhaften Figur, die ihr Übergewicht auf einem Himmelbett geparkt hat und deren größte Freude ihre 17 Kaninchen sind. Eine anspruchsvolle Rolle zwischen Einsamkeit und Manipulation. Besonders dann, wenn die Königin eine Rede hält, ihr Gesicht durch einen Schlaganfall halbseitig gelähmt, geht diese Performance unter die Haut.

Hier wird die Nase nicht nur gepudert, sondern auch an ihr herumgeführt

Kritik gibt es auch für diesen Film: Die Handlung kommt kaum vom Fleck und die Charaktere bleiben im Rahmen ihrer persönlichen Agenda eher zweidimensional. Zwar sind Sarah und Abigail keine machthungrigen Parasiten und früher oder später fallen auch ihre Masken, doch eine intensive Entwicklung durchläuft keine der Figuren. Dafür loten beide minutiös die Grenzen der Königin aus und liefern sich einen Wettstreit, der ganz im Sinne des Zuschauers ist. Während Rachel Weisz eine sehr punktgenaue Lady verkörpert und nicht umsonst aufgrund ihrer royalen Ausstrahlung bereits einige Erfahrungen in historischen Produktionen sammeln konnte, hat Emma Stone nicht viel zu tun. Sie verkörpert wie in fast jeder ihrer Rollen hauptsächlich intellektuelle Überlegenheit und Esprit. Nicholas Hoult ergänzt die hervorragende Leistung der drei Schauspielerinnen, ohne je gegen deren Präsenz innerhalb des Gerangels ankommen zu können. Wirkliche emotionale Höhepunkte bleiben aus, dafür ist die Geschichte als solche zu konventionell und im Grunde auch zu vorhersehbar. Das Aushängeschild sind aber ohnehin die schauspielerischen Leistungen sowie das Feuer der Intrigen.

Dialoge wie Rasierklingen

The Favourite – Intrigen und Irrsinn unterscheidet sich in vielen Aspekten von den sonstigen Werken des in England lebenden griechischen Regisseurs. Dessen eigentlich eher unterkühlter und wortkarger Inszenierungsstil ist einer lebendigen Darstellung gewichen. Das liegt an dem Drehbuch, welches nicht von Lanthimos selbst geschrieben wurde, sondern von Deborah Davis und Tony McNamara. Das Duo setzt auf bissige Dialoge, die niemals zu offensiv oder plakativ ausfallen. Eher handelt es sich um eine pointierte Darbietung, die treffsicher ihr Ziel erreicht. Der Tonfall der Charaktere bleibt stets höflich, auch wenn sich im Subtext Hass und Ekel verstecken. Emma Stone und Rachel Weisz liefern sich ein hochtrabendes Duell, welches allerdings immer etikettentauglich bleibt. Schon zu Beginn sammeln sich die unerhörten Augenblicke an und reißen mit, sodass Leerlauf gar nicht erst entsteht. Es geht dabei gar nicht vorrangig um politische Macht, sondern die persönlichen Intrigen, die auf Liebe und Machtdemonstration hinzielen. Dabei ist ein wichtiger Aspekt, dass die Intimitäten zwischen den Frauen zwar öffentlich verpöhnt sind und deswegen im Geheimen stattfinden, aber nicht großartig thematisiert werden. Schließlich ist dies nur eine weitere Form des Vergnügens.

Fischaugen

Wie es sich für ein ambitioniertes Kostümdrama (Oscar-Preisträgerin Sandy Powell) gehört, gilt auch bei der Ausstattung klotzen statt kleckern. Der Dreh fand im Hatfield House im englischen Herthfordshire statt. Die langen Korridore, wuchtigen Treppen und schaurigen Geheimgänge zwischen den Zimmern sorgen für ein stimmungsvolles Ambiente. Die Kamera von Robbie Ryan nimmt dabei äußerst ungewöhnliche Perspektiven ein, die mit ihren Weitwinkelansichten teilweise für Desorientierung sorgt. In Folge dessen entsteht durch die Fischaugenobjektive noch weit mehr Größe und Weite, als tatsächlich vorhanden ist. Darüber hinaus dient der lodernde Score als Stimmungsantreiber und setzt gerne mal aus dem Nichts ein.

Fazit

Das königliche Haifischbecken The Favourite – Intrigen und Irrsinn mag vielleicht nicht die sensationellste Handlung mit sich bringen, schockt und amüsiert aber zugleich mit niederen Beweggründen. Ununterbrochen verschieben sich die Sympathien und auch als Zuschauer ist man immer wieder in seiner Moral gefragt und muss sich neu orientieren. Die schauspielerischen Leistungen bestechen und lassen auf gleich mehreren Ebenen immer wieder Botschaften entschlüsseln. Dabei sind sie gleichermaßen bissig und bizarr, ohne dass der Film in Absurditäten abrutscht. Somit ist der historische Stoff alles andere als trocken erzählt. So eröffnet beispielsweise das Bettgeflüster der Frauen eine ganz neue Sicht auf Lust und Leidenschaft am königlichen Hofe und zeigt, dass auch ein Körper eine Waffe sein kann.

©Twentieth Century Fox

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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2 Comments
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Adoring Audience
11. April 2019 15:57

Das Beste an THE FAVORITE ist neben dem eigentlichen Film auch die Dankesrede von Olivia Colman bei den Oscars. 😉