Matrjoschka (Staffel 1)

Sobald der nächste Geburtstag wieder näher rückt, bekommen viele bereits bei dem Gedanken daran schwitzige Hände. Wenn es danach ginge, müsste sich Nadia (Natasha Lyonne, Orange Is The New Black) vollständig in einen See auflösen. Denn sie erwacht immer wieder auf ihrer eigenen Geburtstagsparty. Ein bisschen wie in Bill Murrays Und täglich grüßt das Murmeltier. Doch Matrjoschka (Russian Doll) legt noch eine Schippe drauf: Die Hauptfigur stirbt immer und immer wieder die bizarrsten Tode, um anschließend von neuem auf einer Toilette zu erwachen. Durch Netflix erlangte die Mini-Serie binnen kürzester Zeit große Popularität und machte die Zeitschleife wieder salonfähig.

  

Sex, Drugs, Exzesse. Nadia lässt es an ihrem 36. Geburtstag so richtig krachen. Kein Joint wird ausgelassen und keine Vodka-Flasche soll in dieser Nacht voll bleiben. Die Game-Entwicklerin gehört eher zu der abgeklärten Sorte Mensch, die verwundert darüber ist, dass sie ihren 36. Geburtstag überhaupt erlebt. Kein Wunder bei ihrem ausufernden Lebensstil. Sie verlässt nur einmal kurz ihre Geburtstagsparty, um eine Besorgung im Kiosk zu erledigen, da wird sie auf der Straße von einem Taxi überrollt. Sekunden später befindet sie sich wieder im Badezimmer ihrer Geburtstagsfeier und zwei Frauen wollen sich in genau diesem Moment an diesem Ort miteinander vergnügen. Nadias Freundinnen Maxine (Greta Lee, New Girl) und Lizzy (Rebecca Hendersson, Westworld) können der Geschichte ebenso wenig glauben schenken wie ihr anhänglicher Ex-Freund John (Yul Vazquez, Captain Phillips). Anfangs ist Nadia noch überzeugt davon, dass es an den Drogen liegen muss, doch dann häufen sich die Momente des Erwachens im Badezimmer…

Kühne Zeitschleifengeschichte auf Energielevel 100

Originaltitel Matrjoschka
Jahr 2019
Land USA
Episoden 8 in 1 Staffel
Genre Satire, Mystery
Cast Nadia Vulvokov: Natasha Lyonne
Maxine: Greta Lee
Lizzy: Rebecca Henderson
Mike: Jeremy Bobb
Farran: Ritesh Rajan
John: Yul Vazquez

Matrjoschka ist trotz seiner abgedrehten Todesarten nicht wie Happy Deathday im Horror-Genre angesiedelt, sondern bleibt von Anfang bis Ende eine Slapstick-Comedyserie. Der Tod erwischt Nadja auf jede erdenkliche Weise, die New York so hergibt: Sie wird wird erschossen, stürzt, wird von Bienen überrascht. Wer befürchtet, dass hier einfach nur Folge für Folge neue Todesarten ausgepackt werden, wird nach kurzer Zeit schon überrascht. Denn die Serie schlägt etwa in der Mitte eine ganz neue Richtung ein und reduziert auch ihren Humor deutlich, um eine ernsthafte Geschichte zu erzählen. Dass sich Nadia auf die Suche nach der Ursache für diesen Zeitschleifenfluch macht, erklärt sich dabei von selbst. Doch ein ungeschriebenes Time Loop-Gesetz besagt, dass kein Mensch einfach so in eine Zeitschleife gerät. Wie immer gilt es, etwas über sich selbst herauszufinden und genau hier setzt auch Matrjoschka an.

No Fucks Given

Matrjoschka ist per Definition dazu auserkoren, in ewigen Vergleichen mit Und täglich grüßt das Murmeltier den Kürzeren zu ziehen. Das liegt daran, dass beide Titel eine recht ähnliche humorvolle Richtung mit sozialkritischen Tönen einschlagen. Matrjoschka gibt sich damit alleine nicht zufrieden und pendelt immer wieder zwischen Comedy und Drama. Je nachdem, was so eine Midlife-Crisis eben hergibt, mal völlig grotesk, mal drastisch. Dass das so gut funktioniert, ist Natasha Lyonne zu verdanken, der ihre durchgeknallte Figur förmlich ins Gesicht geschrieben steht. Nadias Auftreten ist alles andere als ladylike, stets pragmatisch, und bei ihrer irren Pudelfrisur bekommt man ohnehin den Eindruck, als sei dieser Frau einfach alles egal. Das trifft es ein Stück weit: Nadia ist völlig desillusioniert vom Leben. Hierfür steht die titelgebende russische Matrjoschka: In einer Schachtelpuppe aus Holz steckt die nächste, in welcher eine weitere steckt. Mit jedem Öffnen wird eine neue Puppe freigegeben, bis die letzte offenbart ist. Und so blättert die Schale mit jeder Zeitschleife weiter ab. Ein starkes Sinnesbild, das sich hier abzeichnet. Und Nadia ist nicht einfach nur wahnsinnig, sondern auch verletztlich und melancholisch.

Intellektueller als der erste Blick vermuten lässt

Was in Und täglich grüßt das Murmeltier “I got you Babe” ist, ist hier der Horror-Ohrwurm “Gotta Get Up” von Harry Nilsson. Der Song funktioniert im Übrigen noch besser als Sonny und Cher, treibt er den Wahnsinn doch im Vier-Vierteltakt voran. Worin Nadia ebenfalls die Nase vorne hat, ist ihre nicht zu bändigende Energie. Als Zuschauer lässt man sich von dieser irren und selbstzerstörerischen Frau auf der Suche nach sich selbst einfach mitreißen. Was sich leichtfüßig anhört, erfordert allerdings volle Konzentration, denn die Dialoge sind schnell und scharfzüngig und die Geschichte alles andere als transparent. Interpretationsfutter und Stoff für aufmerksame Beobachter ist zur Genüge vorhanden.

Meinung

Matrjoschka ist von außen komisch, von innen dramatisch. Immer wieder schlägt die Serie einen Haken und hält den Zuschauer damit bei Laune. Mit einer Gesamtlaufzeit von etwas mehr als drei Stunden eignet sich die Serie perfekt fürs Bingewatching in der Gruppe. Wer Zeitschleifen mag, aber gerne auf einen futuristischen Kontext oder technische Spielereien verzichtet, findet hierin wohl eine der bislang bodenständigsten Geschichten, die in vielen Szenen wie aus dem Alltag gegriffen wirkt. Die Dialoge sind so authentisch, dass die Figuren oftmals völlig belanglose Gespräche führen und dadurch lebendiger erscheinen, als sie eigentlich sind.

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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