Mutafukaz
Selten sahen urbane Dystopien so bunt aus wie in dieser flotten, verschmitzten und extravagant animierten japanisch-französischen Koproduktion. Ihr Titel: Mutafukaz. Sie war eines der Highlights auf dem London International Animation Festival 2017 und gliedert sich ein in die Reihe jener auserwählten Animes, die es sogar in die deutschen Kinos geschafft haben (wenn auch nur für ausgewählte Tage). Kreiert vom japanischen Animationsstudio 4°C und produziert vom französischen Studio Ankama, entführt Mutafukaz in eine urbane Sci-Fi-Welt, die die Optik sprengt. Hierzulande hat sich der Publisher Peppermint Anime des Stoffes angenommen und brachte ihn am 14. März 2019 als Blu-ray auf den Markt.
Angelino (dt. Stimme: Kim Hasper) verdient sich sein Geld als Pizzalieferant in der Millionenstadt Dark Meat City („DMC, so wie Depression, miserabel, Chaos.“). Zusammen mit seinem Freund Vinz (dt. Stimme: Gerrit Schmidt-Foß), dessen Kopf ein brennender Totenschädel ist, und einer ungezählten Armada von Kakerlaken, bewohnt er ein abgewracktes Appartement und muss die Besuche der labilen Ausgeburt eines Freundes namens Willy (dt. Stimme: David Turba) ertragen. Linos Leben verändert sich mit der engelsgleichen Erscheinung einer Frau, die ihn in einen Autounfall verwickelt. Seitdem leidet er unter Migräne und sieht Menschen, deren seltsame Schatten nicht zu ihren Körpern gehören. Er versucht sie als Hirngespinste abzutun. Bis plötzlich schwarze massige Männer mit noch massigeren Geschützen in seiner Wohnung stehen und ihn abmurksen wollen. Lino und Vinz gelingt die Flucht und ein Road Trip durch die Ghettos beginnt, auf dem sie sich gegen Regierungsmitglieder (die Men in Black) und Gangster in Saggy Pants behaupten müssen – und ganz oben auf der Agenda steht überdies die Abwehr einer außerirdischen Invasion.
Frankophile Wurzeln
Originaltitel | Mutafukaz |
Jahr | 2017 |
Laufzeit | 94 Minuten |
Genre | Action, Science-Fiction, Super Power |
Regisseur | Shojiro Nishimi, Guillaume “Run” Renard |
Studio | Ankama Animations, Studio 4°C |
Mutafukaz basiert auf den Comics des französischen Zeichners Guillaume „Run“ Renard (DoggyBags), der als Regisseur sein Werk nun auch gleich selbst adaptiert und sich dabei Schützenhilfe von Shôjirô Nishimi geholt hat, seines Zeichens Animation Director u.a. bei Batman: Gotham Knight (2008) und Tekkonkinkreet (2006). Mutafukaz (oder MFKZ wie es in den englischsprachigen Gefilden heißt) ist ein von den Franzosen für den französischen Markt produziertes Stückchen Film, angereichert mit der Animationskompetenz des japanischen Studios 4°C. Jene Animationsschmiede ist bekannt als das Regelbrecher-Studio – Heimat der exzentrischen Über-den-Tellerrand-Schauer, die nicht mehr im Sandkasten spielen und gerne mal visuelle Piñatas platzen lassen. Zuletzt durften sie diesem Hobby bei der Verfilmung des Mangas Tekkonkinkreet frönen. Bereits hier haben sie ihre Bereitschaft zur Kooperation mit ausländischen Regisseuren demonstriert. Aber auch sonst sieht man Mutafukaz die Verwandtschaft zu Tekkonkinkreet an: beide tragen einen sehr eigenen Titel, beide handeln von zwei Buben im Ghetto, in beiden Filmen behaupten sich die Buben gegen unlautere Männer. Und beide Filme vereinen übernatürliche Elemente. Visuell legt Mutafukaz aber nun noch einmal eine Schippe drauf, denn zwischen den beiden Filmen liegen elf Jahre.
Greetings from Los Angeles Dark Meat City
Mutafukaz ist ein ziemlich lockerer und unsinniger Road-Movie. Im rasanten Tempo rattert der Film durch städtische Milieus und Gangster-Schießereien und präsentiert dabei ärmliche Verhältnisse wie sie in vielen realen Städte zu beobachten sind. Während des skurrilen Fluchtabenteuers erfährt der Zuseher mehr über die Men in Black und deren Motivation die Welt zu verändern – eine Motivation, über die sich der Film im gleichen Zuge wie er sie erklärt auch lustig macht. Mutafukaz nutzt Film-Tropes und führt sie gleichzeitig vor. Z.B. fragt sich der Film selbst, wohin die Reise geht, indem er im Stil visueller Soundeffekte Fragen ins Bild knallen lässt (so wie Batmans „POOOW!!“). Mutafukaz bietet Humor, GTA’sche Gewaltmomente, Popkultur und Verschwörungstheorien. An einer Stelle werden Chemtrails und Erderwärmung erklärt, an anderer Stelle erfahren wir von der lang zurückreichenden Historie der Wrestler, jener aztekischen Elitekämpfer, die schon 1945 Hitler eine reingehauen haben (wir erinnern uns). Zwar geht zwischen den ganzen Einfällen, die Mutafukaz bietet, die Geschichte um Lino und sein irgendwie überflüssiges Liebesdrama etwas unter, sie ist aber trotzdem gut genug, um als Kitt das ganze Konglomerat zusammen zu halten.
Abenteuer abseits des Main-Plots
Eine weitere interessante Eigenheit des Films: Mutafukaz handelt von Außenseitern und bleibt auch konsequent dabei. Normalerweise wachsen die Außenseiter respektive die Underdogs über sich hinaus und sind letztendlich die Retter der Welt, aber in Mutafukaz laufen die geschichtsrelevanten Entscheidungen alle nebenher und werden von einer ganz anderen Heldentruppe bestritten, von der man nur am Rande etwas mitbekommt. Unser Held Lino hat dagegen ganz andere Präferenzen. Zwar droht der ursprünglich coole „Going with the Flow“-Stil von Mutafukaz kurzzeitig zu kippen wenn genretypische Bösewichte mit verschränkten Fingern auf der Mattscheibe auftauchen, doch wie bereits erwähnt entpuppen sich diese Stereotypen als Teil von Mutafukaz‘ Humor.
Der dreigesichtige Hybrid
Obwohl natürlich so gut wie überall „Anime“ drauf steht, mit vielen medieneigenen Tropes, die bedient werden, verleiht Guillaume Renards Franzmann-Natur dem Film eine völlig andere Ästhetik und eine völlig andere Art des Geschichtsverlaufs. Während der ältere Bruder Tekkonkinkreet noch sehr von der japanischen Gangart durchtränkt ist, ist Mutafukaz ein Film, der neben der japanischen Animationskunst eben auch französische Launenhaftigkeit und amerikanischen Anarchismus vereint. Das macht den Streifen sehr erfrischend und für manch einen auch unterhaltsamer als Tekkonkinkreet.
Fazit
Ein französisch-japanischer Anime mit Hip-Hop-Flair für die Ohren und frenetischer Animations-Action für die Augen, mit schamlos eingesetzten TV-Tropes und Popkultur-Referenzen – Mutafukaz fühlt sich wie ein zukünftiger Kult-Film an, auch wenn er vielleicht einen Ticken zu sehr versucht, ein zukünftiger Kult-Film zu sein. Aber die Energie, die der Film auf einen loslässt, war die Kosten für das Kino-Ticket allemal wert, und gerne stelle ich mir auch die Blu-ray zum Anfassen ins Regal.
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