Bridge of Spies
Die Glienicker Brücke. Ruhig im Grünen gelegen verbindet sie Potsdam mit dem Süden Berlins. Heutzutage kann man da nett am Wasser spazieren gehen. Aber im kalten Krieg war sie eine Nahtstelle zwischen Ost und West, denn die Grenze zwischen Westberlin und der DDR verlief genau in der Mitte der Brücke. Dreimal wurde sie zum Schauplatz des Machtpokers zwischen Ost und West, wenn dort die USA ins Netz gegangene sowjetische Spione gegen im Ostblock verhaftete US-Agenten austauschten. 2015 brachte Steven Spielberg mit Bridge of Spies – Der Unterhändler den ersten Austausch auf der „Agentenbrücke“ auf die Leinwand und setzte dem amerikanischen Anwalt James Donovan, der im Ostberlin des Mauerbaus die Verhandlungen um den Austausch führte, ein filmisches Denkmal.
New York 1957. Ein leiser, älterer Herr diffus-europäischer Herkunft wird als sowjetischer Spion verhaftet und vor Gericht gestellt. Versicherungsanwalt James B. Donovan (Tom Hanks, Forrest Gump) fällt die undankbare Aufgabe zu, den Spion Rudolf Abel (Marc Rylance, Ready Player One) zu verteidigen. Denn selbst ein Sowjetspion hat Anrecht auf einen Anwalt. Auch, wenn der hauptsächlich eine symbolische Rolle spielen soll, denn das Beweismaterial lässt keine Zweifel an Abels Agententätigkeit. Aber Donovan nimmt die Aufgabe ernster als erwartet und es gelingt ihm, Abel vor dem elektrischen Stuhl zu retten, mit dem Hinweis, dass er im Austausch gegen enttarnte amerikanische Agenten noch nützlich sein könnte. Seine Haltung bringt ihm in der Hysterie des kalten Krieges Anfeindungen von allen Seiten ein. Doch einige Zeit später tritt genau dieser Fall ein: der amerikanische Pilot Austin Gary Powers, wird in einem mit Kameras bestückten Spionageflugzeug in sowjetischem Luftraum abgeschossen. Und in Ostberlin wird der amerikanische Student Frederic Pryor aus fadenscheinigen Gründen verhaftet. Aber weder die USA, noch die UdSSR, noch die DDR wollen sich offiziell zu weit aus dem Fenster lehnen, sodass Donovan, der als Abels Anwalt ein sehr vorsichtiges Kontaktangebot aus dem Ostblock erhalten hat, schließlich als Privatperson nach Ostberlin reist, um dort mit inoffiziellen Vertretern der UdSSR und der DDR einen Gefangenenaustausch zu verhandeln. Durch geschicktes Taktieren gelingt es ihm, das komplizierte Verhältnis zwischen der DDR und der UdSSR auszunutzen, um schließlich die Freilassung beider Gefangenen zu erwirken und den legendären Austausch auf der Glienicker Brücke im Februar 1962 zu organisieren.
Courtroom Drama meets Agententhriller
Originaltitel | Bridge of Spies |
Jahr | 2015 |
Land | USA, Deutschland |
Genre | Drama, Agentenfilm |
Regisseur | Steven Spielberg |
Cast | James B. Donovan: Tom Hanks Rudolf Abel: Mark Rylance CIA Agent Hoffman: Scott Shepherd Mary Donovan: Amy Ryan Francis Gary Powers:Austin Stowell Frederic Pryor:Will Rogers Wolfgang Vogel: Sebastian Koch Ivan Schischkin:Michail Gorewoi |
Laufzeit | 142 Minuten |
FSK |
Agentenaustausch vor Morgengrauen. Ausgehöhlte Münzen mit Geheimnachrichten oder zyankaligetränkten Todesnadeln. Flugzeuge mit Hochleistungskameras und Selbstzerstörungschaltern. Die Welt der Spionage in den 50ern und 60ern war nur einen Schritt von James Bond entfernt, wenn auch ohne all den Glamour, die Martinis und die schönen Frauen. Bridge of Spies reißt diese Themen an, bietet sogar eine Actionszene mit Herumklettern am abstürzenden Flugzeug, biegt dann aber ganz schnell in eine andere Richtung ab. Die erste Hälfte des Films spielt vor allem in Anwaltskanzleien, Gefängnissen, Gerichtssälen. Da ist der Angeklagte, den niemand verteidigen will. Die von der Presse des kalten Krieges aufgehetzte Menge, voller Kommunistenhass und Angst vor dem Atomschlag, die den russischen Agenten auf dem elektrischen Stuhl sehen will. Der mutige Anwalt, der einen aussichtslosen Fall übernimmt. Das zarte Aufkeimen einer freundschaftlichen Beziehung zwischen dem Anwalt und dem Angeklagten, der durch seinen wortkarg-sarkastischen Charme durchaus Sympathiepunkte sammeln kann. Die Szenen zwischen Donovan und Abel sind besondere Glanzpunkte, die wir vermutlich den Coen Brothers (Fargo) verdanken. Die waren am Drehbuch beteiligt und konnten ihren skurrilen Humor in die Dialoge einfließen lassen. Schließlich kommt die große Gerichtsverhandlung, in der der Anwalt dank seiner moralischen Integrität und seines Verhandlungsgeschicks das Blatt wenden kann. Erst als das Handlungsmuster Courtroom Drama komplett durchgespielt ist und James Donovan zeigen konnte, aus welchem Holz er geschnitzt ist, geht es in das eigentliche Thema des Films, die Verhandlungen um den Agentenaustausch von 1962.
Amerikanische Werte und der kalte Krieg
Versicherungsrecht ist ein denkbar trockenes Thema. Dennoch schafft Tom Hanks es, aus einem versicherungsrechtlichen Streitfall einen großen Charaktermoment zu machen. Ist ein Unfall, in dem ein Autofahrer fünf Menschen verletzt, ein Unfall oder fünf Unfälle? Muss die Versicherung einmal zahlen oder fünfmal? Nur einer, argumentiert Versicherungsanwalt Donovan, denn sonst könnten Versicherungen angesichts des unkalkulierbaren Risikos keine Versicherungspolicen mehr anbieten und ohne Versicherungen wäre niemand mehr sicher. Der Mann ist in einem Verhandlungsgespräch nicht zu bremsen, er kennt sein Handwerkszeug und vor allem behält er stets den höheren Zweck hinter gesetzlichen Regelungen im Auge. Zunächst macht ihn das nur zu einem fähigen Anwalt, der sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Aber in der ideologisch aufgeheizten Zeit des kalten Krieges macht ihn das auch zum einzig aufrechten Amerikaner des Films, der an Grundsätzen wie Schweigepflicht oder Rechten des Angeklagten festhält, auch wenn alle sonst aus Panik vor der kommunistischen Bedrohung sehr schnell bereit sind, solche Regeln über Bord zu werfen. Ein Durchsuchungsbefehl ist ein Durchsuchungsbefehl ist ein Durchsuchungsbefehl und ohne einen solchen darf man keine Wohnung durchsuchen und Beweismaterial, das man unrechtmäßig gewonnen hat, darf nicht vor Gericht verwendet werden. Auch, wenn die Schuld des Angeklagten unbestreitbar ist. Regeln sind wichtig, doziert Donovan vor dem skrupellosen CIA-Mann Agent Hoffman, denn die Regeln machen uns zu Amerikanern.
Berlin ist blaugrau
Erst nach etwa einer Stunde kommt der Film in Berlin an. Ostberlin ist farblos und verfallen, ästhetisch blättert der Putz. Manchmal erkennt man Original-Schauplätze, manchmal sieht es aus wie jeder in Babelsberg und Polen gedrehte Historienfilm: akkurat gestaltete Straßenzüge, die in die Zeit passen, aber nicht an einen konkreten Ort. War New York in Herbstfarben gehalten, mildes Licht und warmes Braun, so ist Berlin kalt und blaugrau. Im Februar des Agentenaustauschs ebenso wie im August des Mauerbaus. Nur, dass im Februar auch noch Schnee liegt. Das kälteste blaue Licht, noch blauer als die Glienicker Brücke vor Morgengrauen, das bekommt allerdings Agent Hoffman, der Unsympath des Films. Und da sitzt er in einer New Yorker Bar. Durch diese blaugraue Ödnis stolpert Mr. Donovan, der Mann, der auf Regeln Wert legt, und muss feststellen, dass er die Regeln hier nicht kennt. Oder vielleicht ändern sie sich willkürlich von Tag zu Tag? Für einen Amerikaner ohne Stadtplan und Sprachkenntnisse ist Ostberlin genauso abweisend, undurchschaubar und bedrohlich wie die Geheimdienst-Gestalten, mit denen er verhandelt. Schlangestehen am Grenzübergang, eine Nacht in Untersuchungshaft, eine Jugendgang, die ihm seinen Wintermantel stiehlt. Ob es in der DDR von 1962 tatsächlich Straßengangs gab, die amerikanische Besucher ausplünderten?
Ob man von der S-Bahn aus sehen konnte, wie Menschen an der Mauer erschossen wurden? Es passt jedenfalls zu dieser kalten, gefährlichen Film-Welt. Aber auch auf diesem unsicheren Terrain bewährt sich, wer an seinen Prinzipien festhält und sich nicht auf Kosten von Menschenrechten im Preis herunterhandeln lässt. Mr. Donovan schafft es, gegen den anfänglichen Widerstand sowohl der DDR-Vertreter als auch der CIA beide amerikanischen Gefangenen nach Hause zu holen.
Fazit
Der Film erzählt eine runde Geschichte über die USA des kalten Krieges, aber damit nötigt er deutschen Betrachtern eine Art Perspektiv-Purzelbaum auf. Der Bau der Berliner Mauer, das ist doch unsere Vergangenheit, unser Thema. Und jetzt sind wir und unsere Themen nur Kulisse? Für amerikanische Belange und amerikanisches Selbstverständnis? Eine sauber recherchierte und ansprechend in Szene gesetzte Kulisse, aber dennoch eine Kulisse. Das fühlt sich merkwürdig an. Als wäre der ganze Ost-West-Konflikt nur dazu da, Tom Hanks in Szene zu setzen. Was okay ist. Es kommt gut, wenn Tom Hanks die Leinwand dominiert und der Welt zeigt, wie amerikanische Werte aussehen sollten. Raum für Erzählungen über die deutsche Vergangenheit mit anderem Schwerpunkt als den von Hollywood gibt es andernorts reichlich. Eine Serie wie etwa das ARD-Produkt Weißensee geht das Thema ganz anders an. Trotzdem, es fühlt sich merkwürdig an. Und wo ist Mr. Donovan an der Friedrichstraße denn falsch abgebogen, dass er Unter den Linden nicht gefunden hat? Das sieht doch gar nicht so aus… Kann es gar nicht, denn es ist in Babelsberg und Polen gedreht. Muss es auch nicht, es ist Kino. Man freut sich fast über den Schreibfehler auf dem Ostberliner Polizeiauto, auf dem „Folkspolizei“ steht. Weil man da einen Ankerpunkt für die Merkwürdigkeit des Gefühls findet. Aber wenn man diesen Purzelbaum vollzogen hat, dann hat man einen Film vor sich, der aus einem spannenden Thema den drögesten, unfilmischsten Aspekt herauspickt und gerade daraus großes Hollywood-Kino macht.
Einmal gesehen und das wird mir glaube ich auch für den Rest meines Lebens reichen. Das Thema ist schon interessant, doch emfinde ich den Titel als zäh. 142 Minuten sind auch nicht gerade wenig und ich muss gestehen, dass ich nicht nur einmal zur Uhr geschaut habe.