Rodinia: Die Rückkehr des Zauberers

Platz Nummer 4 auf der Shortlist für den “Besten Debütroman 2016” im Zuge des Deutschen Phantastikpreises steht an und dieses Mal segeln wir nach Rodinia. Die Rückkehr des Zauberers wurde von Laurence Horn geschrieben und erschien erstmals im November 2016; herausgegeben wurde es im Papierverzierer Verlag. Erneut liegt High Fantasy in der Luft und eine geballte Ladung Magie. Zwerge und Feen sind ebenfalls mit von der Partie und sogar einige Zentauren tauchen auf. Sehen wir also, was das Land Rodinia für den geneigten Reisenden bereit hält.

Eine Seefahrt, die ist lustig…

So heißt es zumindest, aber mit einiger Sicherheit darf man vermuten, dass Kyrian und seine Crew vehement widersprechen würden. Tagelang fahren sie durch einen dichten Nebel, geleitet von einer Vision, die ihren Anführer im Schlaf erreichte. Es gilt auf den Kontinent seiner Urahnen zu reisen: Rodinia. Und dort eine wortwörtlich weiße Magierin aufzufinden. Allerdings sind widrige Sichtverhältnisse nicht ihr einziges Problem, gefährliche Kliffe warten im Wasser, Stürme und, was natürlich bei keiner Seereise fehlen darf: ein magischer Riesentintenfisch, der dem mächtigen Schiff eine Begrüßungsumarmung angedeihen lässt. Die gute Nachricht: Kyrian überlebt, da der saugnapfbewehrte Wächter ihn lediglich quer über das Wasser schleudert. Die schlechte Nachricht: Seine Crew geht mit Mann und Maus und magischem Mentor unter. Die kaum aufbauende Nachricht: Kyrian landet an einem Sandstrand. Die deutlich schlechtere Nachricht: Er wird von den örtlichen Magiern aufgegriffen, eingesperrt und in einer Gefängniskutsche weggekarrt. Soviel zu lustigen Seefahrten. In seiner prekären Situation ausharrend, schwört Kyrian Rache für seine untergegangenen Kameraden und versucht einen Weg aus seiner Zelle zu finden. Mächtige Magie steht ihm zur Verfügung, aber ein Bann hält ihn zurück. Seine einzige Hoffnung ist Hilfe von außen und wie es der Zufall will, könnte ihm diese in Gestalt des tagträumerischen und extrem weißhäutigen Bauermädchens Mira zuteil werden.

Gestatten, Kyrian, der Zauberrambo

Originaltitel Rodinia – Die Rückkehr des Zauberers
Ursprungsland Deutschland
Typ Roman
Jahr 2016
Bände 1 / ?
Genre Fantasy
Autor Laurence Horn
Verlag Papierverzierer Verlag

Die Ausgangslage wirkt zunächst vielversprechend. Statt mit einer längeren Einleitung einzusetzen, wird der Leser gemeinsam mit Kyrian in die Action geworfen und findet sich schnell in einer ähnlichen Lage wie der Protagonist wieder: verwirrt und orientierungslos in einem fremden (und ziemlich feindlichem) Land. Informationen über die Reise, über die Hintergründe und Historie sind spärlich, was eine Menge Fragen aufwirft und das Potential hätte, den Leser an die Geschichte und letztlich auch an die Figur Kyrian zu binden. Auf dem Wort ‘hätte’ liegt allerdings eine Tentakelmonster große Betonung. Der größte Knüppel zwischen den Handlungsbeinen des Buches ist dabei Kyrian selbst, der einen verdächtig an den ein oder anderen Actionhelden erinnert: Erst Feuerbälle werfen, dann Blitze, dann Windböen und dann irgendwann vielleicht einmal eine Frage stellen. Genauer gesagt begleitet man ihn von einer Kampfsequenz in die nächste, angefangen bei dem furiosen Ausbruch aus dem Zaubererknast, hin zu einem Gefecht im Wald, ein Gemetzel in einem Dorf bis hin zu einem Besuch in einer Taverne. Wer glaubt, dass Letzteres ohne groß angelegte Schlägerei und Vernichtung des Mobiliars statt fand, hat eine beneidenswert friedfertige Einstellung. Alleine die Existenz von mannigfaltigen magischen Metzeleien ist an sich kein Grund für die Abwertung einer Geschichte. Im Gegenteil, es kann durchaus erfrischend sein, eine etwas knalligere Ereignisfolge zu haben, gerade wenn im Fantasy-Bereich öfter eine eher langsame bis krückstockige Erzählgangart vorherrscht. Jedoch gilt hier ähnlich wie beim nächstbesten Actionfilm, dass Explosionen alleine nicht glücklich machen. Oder zumindest nur kurz. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Sequenzen es kaum schaffen, Spannung zu erzeugen. Kyrian gerät in einen Kampf, benutzt seine weitaus mächtigeren magischen Fähigkeiten, um alle Feinde, die nicht schnell genug ihre Roben in die Hand nehmen, wegzupusten. Es erinnert teilweise an den Moment in RPGs, in denen man mit seiner absoluten Endgame-Gruppe auf eine Bande Level 1 Wegwerffeinde trifft. Der Kampf ist nervig, beide Seiten wissen eigentlich schon, wie es ausgeht, und es wird kein nennenswerter Fortschritt erzielt.
Zudem ist es wenig hilfreich, dass der Leser kaum bis gar nichts über Kyrian erfährt und seine Motivation über weite Teile des Buches auf ‘muss alle Magier töten, weil Rache’ reduziert werden kann. Zwar taugt das durchaus als Ausgangslage – niemand mag es, wenn die eigenen Kollegen von einem Tiefseemonster als Wasserbälle missbraucht werden, aber da man selbst nur zwei Seiten mit besagter Crew verbringt, bevor sie in die ewigen Seegründe eingehen, hält sich die Anteilnahme in Grenze. Dadurch fällt es zunehmend schwer, Kyrians Aktionen zu rechtfertigen, während er sich durch die Gegend feuerballt und lichtblitzt. Der Gedanke könnte aufkommen, dass die Geschichte dafür als eine Art schnelle, wuchtige Actionfantasy herhalten kann, aber dafür bremst sich die Handlung mit dem eigenen Aufbau zu sehr aus.

Fad oder fragwürdig frivol, was darf es sein?

Denn Kyrians von schmurgelnder Leichen gepflasteter Weg ist nur ein Part der Geschichte und wechselt sich in ungefähr gleichem Maße mit Miras Eskapaden ab. Zudem gibt es auch Einschübe, die meist die Gegenseite, die Magier von Rodinia, in den Blick nehmen. Diese könnten als einsichtsvolle Abschnitte dienen, die den Vormarsch von Kyrian ergänzen, dienen aber meist dazu, die Antagonisten in einem möglichst schlechten Licht darstehen zu lassen, um die Taten des Protagonisten zu rechtfertigen. So ist der Magister, das Oberhaupt der Magier, ein Choleriker, dessen Stimmungsschwankungen mehr lächerlich als bedrohlich wirken und seine Untergebenen werden meist als entweder arrogant, unfähig oder beides dargestellt. Besondere Beachtung verdient die Figur von Valhelia, der weibliche Charakter der Gegenseite. 16 Jahre jung mit übergroßem sexuellen Hunger und, wie passend, gleichfalls überaus üppigen Vorbau. Charakterlich schwankt sie zwischen böser Hexe, schmollendem Kleinkind und dem Highschoolcheerleaderanführerin-Stereotyp aus Teenie-Komödien. Das Wort ‘anstrengend’ mag hier vor dem geistigen Auge erscheinen.
Übrig bleibt Mira, das Bauernmädchen, das letztlich bei der Befreiung Kyrians eine Rolle spielt. Sie ist die weibliche Hauptfigur des Buches und hat, wie bereits erwähnt, einen maßgeblichen Handlungsanteil. Allerdings nur in dem Sinne, dass es viele Abschnitte gibt, die man aus ihrer Sicht erlebt, denn ‘handeln’ stand nicht in ihrem Vertrag. Sie ist das tagträumerische Weibchen, das beständig aus Gefahrensituationen gerettet werden muss bzw. durch andere Figuren zum Opfer wird, seien es böswillige Magier – Valhelia entführt sie knapp dreimal, ihre eigenen Eltern oder Highschool artige Dorf-Bullies. Eine Veränderung tritt hier auch bis zum bitteren Ende nicht ein und sie trägt nie in maßgeblicher Weise zum Handlungsgeschehen bei, außer man zählt selbst ‘pure gefangene/ in Gefahr geratene/ verletzte Anwesenheit’ dazu. Ihre Passagen wirken sich mit der Zeit entsprechend ungünstig aus, da sie die auf Krawall gebürsteten Handlungen Kyrians ausbremsen.

Zu viel, zu schnell, zu kurz

Trotz der Zeit, die man mit Mira und Kyrian verbringt, erfährt man wenig über die Welt und über die Charaktere selbst, was dazu führt, dass gerade das Ende der Geschichte – was in etwa den letzten sieben bis acht Kapiteln entspricht – extrem hektisch wirkt. Handlungsrelevante Details werden genau in dem Moment eingeführt, in dem sie gebraucht werden und ergeben kein rundes Bild. Das beste Beispiel ist die urplötzlich auftauchende Fee, die Kyrian in alle wesentlichen Dinge einweiht, ohne das je zuvor von ihr die Rede gewesen wäre. Sie taucht einfach auf, nachdem Kyrian festgestellt hat, dass die weiße Magierin eigentlich tot ist, um ihm eine neue Motivation zu geben und einige Handlungsfäden zu verknoten, die noch lose herumbaumelten. Wieso sie erst jetzt auftaucht, warum sie das alles weiß etc. wird nicht geklärt und wird wohl als Feeus Ex Machina Moment in Erinnerung bleiben. Sicherlich ist es denkbar, einiges davon in einem zweiten Band zu klären und Rückbezüge herzustellen, aber die Erklärungen hätte es an anderer Stelle gebraucht. Gerade die späte Einführung bestimmter Details ist schwer nachvollziehbar, da ein Großteil der ersten Hälfte sowie ein gutes Stück der zweiten Hälfte nicht sonderlich zielstrebig wirkt. Charaktere und Figuren treffen eher durch ‘Zufälle’ aufeinander und viele Szenen enden letztlich in einem Kampf mit neuerlicher Flucht von Kyrian. Bereits eine erklärende Rückblende in Bezug auf den Start seiner Reise hätte geholfen, aber darauf bezogene Details werden nur in Nebensätzen erwähnt und nicht näher ausgeführt.

Puh, es fällt mir schwer, Positives an Rodinia – Die Rückkehr des Zauberers zu finden. Zwar mochte ich anfangs noch den wuchtigen Umgang mit Magie und den eher actionbetonteren Ablauf, aber es wird schlicht zu schnell langweilig und läuft immer gleich ab.
‘Kyrian wandert umher’
‘Kyrian untersucht Dinge und versucht unauffällig zu sein’
‘Kampf mit Magiern entbrennt, weil die Betonung auf ‘versucht’ lag’
‘Kyrian macht alle fertig und entkommt’
Die Figur hat auch die unglückliche Angewohnheit mit jeder neuen Begegnung spontan weitere Fähigkeiten zu entwickeln, die vorher nie zur Sprache gekommen sind. Während Feuerbälle und Lichtblitze sowie Illusionen erschaffen allesamt noch in meinen gedanklichen Magier-Skilltree hineinpassen, wurde es doch etwas überstrapaziert als er auch Freundschaftszauber, Wahrheitszauber, Körpertauschzauber etc. anwenden konnte. Ab einem bestimmten Punkt hätte ich gerne einfach eine Auflistung gehabt, was er NICHT kann. Es ist nicht gerade aufregend, wenn ich ohnehin weiß, dass die Feinde keine Herausforderung für ihn darstellen. Aber das wäre noch das geringste Problem, wenn mir zumindest eine der anderen Figuren irgendetwas gegeben hätte. Leider ist speziell Mira ein perfektes Beispiel in der Kategorie ‘How to never ever make a female character’. Und Valhelia…ja…Valhelia. Ich denke, die beste Beschreibung liefert da das Buch selbst: “Die Wartezeit vertrieb sie sich mit einem der Zentauren und seinem Gemächt.” Ein Satz, der in Erinnerung bleibt.
Abseits von den Charakteren gibt es nicht viel, was hängen bleibt. Neben einer obligatorischen Prophezeiung und verschwindend wenigen Begegnungen mit magischen Kreaturen gibt es nicht viel an phantastischer Welt zu sehen. Immerhin hält sich das Grinsen in Grenzen. Für mich ist Rodinia bisher der schwächste Kandidat aus dem Bereich ‘Bester Debütroman 2016’ und weiterempfehlen kann ich es auch nicht. Hofft lieber darauf, dass euch der saugnäpfige Wachfisch friedvoll untergehen lässt und nicht an die Küste wirft.

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Mort

Mort hat 'Wie? Nicht auf Lehramt!?' studiert und wühlt sich mit trüffelschweiniger Begeisterung durch alle Arten von Geschichten. Animes, Mangas, Bücher, Filme, Serien, nichts wird verschmäht und zu allem Überfluss schreibt er auch noch gerne selbst. Meist zuviel. Er findet es außerdem seltsam von sich in der dritten Person zu reden und hat die Neigung, vollkommen überflüssige Informationen in sein Profil zu schreiben. Mag keine Oliven.

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Prinzessin Blaubeere
Redakteur
15. September 2017 9:54

Ich glaube, ich hatte das Buch mal in der Hand, als ich so beim Stöbern in dern Buchhandlung war. Kyrian kommt mir vom Namen her ziemlich bekannt vor. Dein Artikel bestätigt gerade meinen Ersteindruck vom Klappentext. Die Story hatte mich damals so gar nicht angesprochen. Es klang ein wenig 0815 mit Stereohelden, was in der Fantasy an sich gar nicht soo schlimm ist, wenn das Buch trotzdem gut geschrieben ist und die Wendungen passen. Aber witzig, dass ich Kyrian schon vom Klappentext her recht nichtssagend und wenig sympathisch fand und ich jetzt deinen Artikel lese und mir denke: Jepp, gut, dass du es nicht gekauft hast. 😀