What/If (Staffel 1)
Netflix bemüht sich redlich um Originalinhalte, die in Zeiten von Konkurrenten, die bereits mit den Hufen scharen, dringend notwendig sind. Warum nicht eine sendereigene Anthologie? Schließlich beweisen Serien wie American Horror Story oder Black Mirror, dass Zuschauer sich gerne immer wieder auf neue Geschichten einlassen, die unter einem Oberthema zusammengefasst werden. What/If greift dafür auf den umfassenden Bereich moralischer Dilemmata zurück, die sie dem Zuschauer mit simpler Fragestellung präsentiert. Sollte ich es tun oder lasse ich es besser? Die Hauptrollen der ersten Staffel konnten prominent besetzt werden: Jane Levy (Don’t Breathe) sowie Renée Zellweger (Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück ) übernehmen. Letztere sorgte bereits zum Auftakt der Staffel im Mai 2019 für ganz viel Wirbel: Ihr maskenhaftes Äußeres lässt kaum Zweifel offen, wo hier genau nachgeholfen wurde. Ihrer Rolle als eisige Antagonistin kommt das allerdings zu Gute.
San Francisco: Lisa Ruiz Donovan (Jane Levy) ist eine geniale Wissenschaftlerin, die kurz davor steht, einen wichtigen Beitrag zur Krebsforschung zu leisten. Als Leiterin der Firma Emigen ist sie auf finanziellen Zuschuss von Investoren angewiesen. Ausgerechnet jetzt, wo sie das Geld so bitter nötig hat, ist keiner da. Halt findet sie bei ihrem Mann Sean (Blade Jenner, Glee). Dieser bietet ihr ein offenes Ohr, verdient als Barmann allerdings weitaus weniger als seine Frau. Während seiner Schicht betritt die einflussreiche Anne Montgomery (Renée Zellweger) die Bar. Es kommt zu einem Plausch in entspannter Atmosphäre und Sean offenbart Anne die Probleme seiner Frau. Nur einen Tag später macht Anne dem Ehepaar ein Angebot. Sie steigt mit einer hohen Summe von 80 Mio. US-Dollar in Lisas Unternehmen ein und ermöglicht damit einen wissenschaftlichen Fortschritt. Allerdings nur unter einer Bedingung: eine Nacht mit Sean.
Unmoralisches Angebot mit offensichtlichem Ausgang
Originaltitel | What/If |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 1 |
Genre | Drama, Psycho-Thriller |
Cast | Anne Montgomery: Renée Zellweger Lisa Donovan: Jane Levy Sean Donovan: Blake Jenner Todd Archer: Keith Powers Angela Archer: Samantha Marie Ware Marcos Ruiz: Juan Castano Lionel: John Clarence Stewart Kevin: Derek Smith Ian Harris: Dave Annable |
Serienschöpfer Mike Kelley (Revenge) möchte mit jeder neuen Staffel von What/If eine eigene Konfliktsituation eröffnen, in die sich der Zuschauer gemäß Serientitel begeben soll: Was passiert, wenn ich mich moralisch (nicht) korrekt entscheide? Man kann sich bereits denken, welche Entscheidung Lisa treffen wird, um den nötigen Erzählstoff für die Serie zu generieren. Die Konsequenzen ihrer Wahl sollen schließlich für zehn Episoden Material sorgen. Das klingt bereits nach gewollter Prämisse: Wieso werden wir erst vor eine schwierige Entscheidung gestellt, wenn die Zwickmühle ohnehin ihren Lauf nimmt? Der Plot bedient sich offensichtlich an Ein unmoralisches Angebot mit Robert Redford. Das ist nicht weiter schlimm, schließlich bedarf es keiner Innovation, um eine gelungene Geschichte zu erzählen. Allerdings ist der kreativste Auswuchs hier die Umkehrung der Geschlechterrollen. In Zeiten der #MeToo-Ära stellt eine Frau die Bedingungen.
Zellwegers Over-the-top-Performance überstrahlt alles, sogar das Drehbuch
Renée Zellweger gibt als niemals die Fassung verlierende Venture-Kapitalistin Anne Montgomery eine wunderbare Figur ab. Ihre Mimik ist (nicht zuletzt – oder besser: vor allem) aufgrund ihrer operativen Eingriffe wie erstarrt. Diese Frau lässt sich schlichtweg nicht in die Karten schauen, gibt immer die Gefasste mit stets überlegenem Lächeln auf den Lippen. Eine glaubhafte Protagonistin ganz im Stile von Jessica Lange in American Horror Story. Soweit, so gut. Das Problem ist ein ganz anderes: Was treibt diese Person an? Von Subtilität fehlt jede Spur, wenn sie mit zerfahrenem Gesicht ihre Intrigen vorantreibt. Mit Lisa hat sie einen Counterpart, der nichts unversucht lässt und völlig überkandidelt jeden psychologischen Irrweg einschlägt. Dazwischen steht irgendwo Blake Jenner. Völlig nichtssagend und regelrecht blass gegenüber den beiden Frauen. Mit keiner von ihnen kann er mithalten und verkommt von Folge zu Folge immer mehr zu einer Spielfigur. So bleibt Zellweger als Highlight der Serie: Die Rolle des manipulativen Biests ist ungewohnt für sie und dabei zuzusehen, wie sie die Schwachstellen ihrer Gegner ausnutzt, sorgt für gelegentliche Freude. Bis das Drehbuch dann wieder irgendeine neue Idee parat hat, wie noch mehr Spannung in die Situation kommt. Meinungen und Verhaltensweisen ändern sich zuweilen blitzartig.
Das kleine Einmaleins der Seifenoper
Obwohl die Serie großspurig auf ihrer Dilemma-Schiene fährt, wird ausgerechnet dieser Punkt sträflich vernachlässigt.
Fazit
What/If hilft selbst sein intellektueller Überbau nichts: Die Serie kommt derart platt daher, dass alle Schmalspurintriganten deutscher Soaps der letzten 30 Jahre vor Neid erblassen. Ihre Prämisse vernachlässigt die Serie derart sträflich, dass sich der Eindruck einfach nicht abschütteln lässt, als sei die Moralkeule nichts weiter als ein Mittel, um möglichst viele Zuschauer einzufangen. Statt ethischen Grenzfällen gibt es vieles, was man bereits in nationalen Soap-Produktionen begutachten konnte. What/If möchte ein glamouröser Psycho-Thriller sein, verliert sich aber selbst in seinen Ambitionen und bleibt auf seichtestem Drama-Niveau hängen. Es bleibt zu hoffen, dass sich Mike Kelley für die zweite Staffel enger an die Grundidee hält, anstelle der Inszenierung einer Best of-Soap.
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