Bullets of Justice
Wenn ein Crowdfundingprojekt in einem Varieté der Absurdität erfolgreich ins Leben gerufen werden will, muss geliefert werden. Schweinemenschen, Rebellen, Danny Trejo, 3. Weltkrieg, jede Menge blutiger Einlagen und eine Fußball-Ikone sind nur ein Bruchteil der absurden Zutaten, die in diesem Mix zu finden sind – Bullets of Justice darf wörtlich genommen werden. Regisseur Valeri Milev (Wrong Turn 6, Re-Kill, Code Red) ist dafür auch absolut nichts heilig. Nach seiner Premiere auf dem britischen Frightfest 2019 kam ein deutsches Publikum erstmals auf dem Obscura Filmfest 2019 in den Genuss, ehe der Film im Sommer 2021 in den Handel kam.
Während des Dritten Weltkrieges, als die Spannungen und Kämpfe in ihren Höhepunkt gipfelten – insbesondere durch Russland und den USA – entschloss sich die Supermacht USA für ein ultra-mega-geheimes Projekt mit dem Namen “ArmyBacon”. Übersoldaten. Die genetisch überlegende Kreuzung zwischen Menschen und Schwein. Doch der Übersoldat war in der Tat überlegen. Innerhalb von nur 25 Jahren kämpften und mampften sich die weiterentwickelten “Muzzles” an die Spitze der Nahrungskette. So verkümmerte der Mensch zur Nahrungsquelle und wurde dadurch gehalten. Nur eine kleine Gruppe stellt sich den Muzzles entgegen – eine Untergrundrebellion und das Bountyhunter-Geschwisterpaar Justice. Rob Justice (Timor Turisbekov, Co-Autor, Komponist, Produzent und Hauptdarsteller), gesegnet mit dem zweithübschesten Hintern der Welt, geht mit seiner schnurrbarttragenden Schwester Nina Justice (Yana Marinova, Attraction) auf Muzzle-Jagd, um die Mutter aller Schweine ausfindig und ihr ein für alle Mal den Gar auszumachen.
Ein Meister des Low-Budgets
Originaltitel | Bullets of Justice |
Jahr | 2019 |
Land | Bulgarien |
Genre | Action, Horror |
Regisseur | Valeri Milev |
Cast | Rob Justice: Timur Turisbekov Raksha: Doroteya Toleva Lena: Dessy Slavova Nina: Yana Marinova Olga: Ester Chardaklieva |
Laufzeit | 76 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 11. Juni 2021 |
Bullets of Justice wurde zunächst im Jahre 2017 als Kurzfilm präsentiert. Noch als Idee einer kleinen Kurzserie angesehen, buhlte man um die Gunst der Zuschauer als Crowdfunder. Mehrere Szenen wurden bereits abgedreht und mehr oder weniger 17 Tage vor Dreh fand sich die Produktion vor einem Desaster wieder. Denn es fehlte an weiterem Budget, um den Film fertigzudrehen und nachzubearbeiten. Die Idee, dass Schweine (oder generell Tiere) die Macht übernehmen, schien jedenfalls auf Begeisterung zu stoßen. Oder es lag an der dystopischen Atmosphäre, einer an das Set hunderter Grindhouse- bzw. Exploitationfilmen erinnernden Kulisse und völlig überzogen daherkommender Gewalt.
Kennt man den Kurzfilm, ist ein Übergang kaum zu merken. Der einzige Unterschied ist, dass sich Valeri Milev und Turisbekov dazu, entschieden einen knapp 80-minütigen Film zu drehen. Dadurch erfuhren das ursprüngliche Poster und Werbematerial einer Konzeptänderung und wurden umgeschnitten. Mit der großen Leinwand im Blickfeld musste auch Milev etwas umdenken. So wurde eigens die Figur des Grave-Diggers ins Skript aufgenommen. Als Vaterfigur für das Geschwisterpaar und niemand anderes als der mittlerweile 74-jährige Danny Trejo übernahm. Damit blieb sich Milev treu. In seinen Filmen konnte man bislang immer ganz unabhängig des Budgets bekannte Namen des (Sub)Genres einbeziehen. Für RE-Kill konnte er Martial Arts-Größe Scott Adkins (Pay Day), für Code Red Paul Logan (The Horde) gewinnen oder die langlebige Wrong Turn-Reihe übernehmen.
Nichts ist heilig – und „South Park“ did it first
Die Schauspieler werden in einem Mix aus Mad Max, Animal Farm und Doomsday in einer tristen, unglücklichen und gebeutelten Kulisse auf eine Reise geschickt. In dieser Welt, von Schweinen beherrscht, scheint noch so jede skurrile Situation annehmbar zu sein.
Ein Tempo wie ein LSD-Trip auf dem Woodstock Festival
Bullets of Justice wartet nicht lange, bis die Handlung in die Gänge kommt. Das Drehbuch lässt sofort seine “Übersoldaten” und Bountyhunter von der Kette und unglaublich viele blutgetränkte Ideen auf den Zuschauer niederprasseln. Die Geschehnisse rund um Rob und Nina sind dabei jedoch nie komplett verwinkelt, der rote Faden ist immer vorhanden – auch wenn es zwischen kackenden Schweinemenschen, fetten Menschenfarmen und der Jagd nach Benedict Asshole auf mehreren Zeitachsen nicht immer leicht ist. Damit der Zuschauer nicht nachfragt, folgt auf jede amüsante oder stirnrunzelnde Aktion eine bleihaltige und gewalttätige Einlage. Die Schauspieler machen ihre Sache – den Umständen entsprechend – teilweise hervorragend. Bei all dieser geballten Kakophonie sind alle bierernst bei der Sache. Weder ein Muskelzucken im Gesicht entlarvt das absurde Geschehen, noch die fremdwirkende Voice-Over-Synchro. Diese Ernsthaftigkeit trägt zur Komik und liebevollen Augenzwinkern gen Zuschauer bei – und entpuppt sich als die große Stärke des Films. Es mag vielleicht seltsam anmuten, aber es fällt nicht schwer, sich auf eben genau diese absolut überdrehten Ausgangssituationen und Momente einzulassen.
Liebhaber des Fachs zeigen sich verantwortlich
Desi Manasieva verantwortet die Masken der Schweinemenschen und die einen oder anderen handgemachten Effekte. Bei dem Outcome wundert es nicht, dass Manasievaauch in Rambo: Last Blood für die Maske zuständig war. Die CGI-Effekte sind günstig und lassen sich aufgrund des Aufbaus des Films als Stilmittel verkaufen – doch sind eben diese handgemachten Effekte und Masken der kleine Star des Films. Es trieft und tropft, es ist eklig, es ist so abstoßend realistisch – dass man förmlich Benedicts Asshole riechen mag. Die Darstellung wird soweit auf die Spitze getrieben, dass sogar ein berühmter Fußballer ein galaktisches Matrix-Schuss-Ballett zelebriert. Was die große Stärke ist, ist leider auch zum Ende der Kritikpunkt. Die Erzählgeschwindigkeit und wilde Mix aller Genres halten sich bis gefühlt Minute 45/50. Danach hat man die meisten Gags und Anspielungen durchschaut und die Gefahr sich zu wiederholen steigt immens. Tatsächlich fiel die Entscheidung für einen Big Bang zum Anfang vieles wird in den ersten Sequenzen förmlich und sprichwörtlich verpulvert. So gehen Bullets of Justice zum Ende hin etwas die Puste und das Pacing aus, dennoch schafft Milev es den Zuschauer zu einem Stirnrunzeln zu bewegen.
Fazit
Bullets of Justice ist ein Film für Fans. Eine wilde Fahrt durch alle Genres, Klischees, Witze und Geschichten der Zeitepoche. Man nehme Animal Farm als Idee, ziehe sich eine bewusstseinserweiternde Substanz seiner Wahl und schaue Mad Max, Tank Girl, Doomsday und zum Abschluss South Park und Family Guy sowie um 20.00 Uhr die Nachrichten. So in etwa stelle ich mir den Schaffensprozess von Bullets of Justice vor. Und das meine ich keineswegs negativ. Allesamt Bücher, Filme und Serien, die ich privat sehr gerne schaue und schätze. Mancherorts gilt der Film als abgefahrenster des Jahres 2019 und auch ich kann mich dieser Meinung anschließen. Dass der Streifen irgendwo im Exploitation-Genre angesiedelt ist und im Grindhouse-Stil gedreht wurde, ist eine grandiose Lösung, welche zeigt, wie man eine Idee auch mit geringem Budget umsetzen kann. Milev beweist nach dem durchwachsenem RE-Kill und dem schlechtem Wrong Turn 6, was er kann, wenn man ihm künstlerische Freiheit lässt. Das schafft er zwar nicht in vollem Umfang, aber man geht mit einem Grinsen aus dem Saal und beobachtet auch seinen Sitznachbarn während des Films. Daher sind die 76 Minuten ein extrem unterhaltsamer Horror-/Splatteractioner, der sehr von der Liebe zum Detail des Regisseurs und des Kreativteams hinter den Kulissen profitiert. Wer einen Abend seine Freunde schocken und sie früh los werden oder alternativ seinen seltsamen Freunden eine Freude bereiten möchte: der Film ist die perfekte Wahl dafür.
© Breitbild
Veröffentlichung: 11. Juni 2021