VFW ‒ Veterans of Foreign Wars

In einer anderen Dekade, Freunde und Fans nennen sie liebevoll die 80er, ja gar in einem anderen Jahrhundert, waren Helden einfach Helden. Kräftig, stark, mürrisch – aber sie sahen nie wie geleckt aus. Die entsprechenden Actionfilme waren kantig, dreckig, brutal, brachial und roh. Und voller zynischer One-Liner, die man sich von Dirty Harry abgeschaut hatte. Die “Veterans of Foreign Wars” (kurz: VFW) sind genau das. Ein Relikt von vor über 40 Jahren mit einem verdammt blutigen Comeback. Vorhang auf für VFW von Joe Begos (Bliss), das seine deutsche Premiere auf den Fantasy Filmfest White Nights 2020 feierte und im darauffolgenden Juli in den Handel kam.

 

In den USA ist eine Droge allgegenwärtig. “HYPE”. Sie macht alle dermaßen abhängig, dass man die Junkies ruhig “Braindead” nennen darf. Mitten im Drogenmilieu möchten sich die Veteranen Fred (Stephen Lang, Don’t Breathe), Walter (William Sadler, From Dusk Till Dawn (Serie), Dough (David Patrick Kelly, John WickReihe), Abe (Fred „The Hammer“ Williamson, From Dusk Till Dawn) und Thomas (George Wendt, Cheers) eigentlich nur ganz oldschool besaufen. Whisky und Zigarren zum Geburtstag von Fred. Die Sause wird unterbrochen, als eine junge Dame namens Lizard „Lizzi“ (Sierra McCormick, Supernatural) mit mehreren Paketen HYPE auftaucht. Diese sind gestohlen und der nervige Punknachbar der Veteranen ohne Sinn für moralische Grenzen ist der Besitzer. Für die alten Herren eine perfekte Situation, ihre PTSD-Psychosen auszuleben. Denn die Bar ist heilig.

Eine Flut an WTF-Momenten

Originaltitel VFW
Jahr 2019
Land USA
Genre Action
Regie Joe Begos
Cast Walter Reed: William Sadler
Fred Parras: Stephen Lang
Abe Hawkins: Fred Williamson
Doug McCarthy: David Patrick Kelly
Lizard: Sierra McCormick
Laufzeit 92 Minuten
Veröffentlichung: 10. Juli 2020

Was nach absolut simpler Geschichte klingt, ist auch genau das. Simpel und einfach gestrickt. Doch genau darum funktionieren die 90 Minuten und es kommen trotz Verschnaufpausen keine berüchtigten Längen auf. VFW agiert und funktioniert als Hommage. Sei es das Retrofeeling, als ob man eine VHS einwirft und anschaut, die liebevollen ausgewählten Synthklänge, grobkörniges Bild für die Verzerrung – alles wirkt, als ob man John Carpenters frühe Werke schaut. Die Eröffnung des Films? Mit der Drogengeschichte? Eine Blaupause. X-mal gesehen. Etwa bei Cyborg/Slinger von Albert Pyun, einem Veteranen des 80er Jahre Cyberpunkkinos. Joe Begos fühlt sich offensichtlich in der Dekade sehr wohl. Allein schon sein Film aus dem Jahre 2015, The Mind’s Eye, ist eine inoffizielle Fortsetzung von David Cronenbergs Scanners. Der Zuschauer folgt dem Geschehen auf engem Raum. Blutig zelebriert man genau die Dinge, die man bei den meisten (sagen wir sterilen Hochglanzthrillern) vermissen lässt. Wir werden Zeuge, wie man es als Zuschauer für glaubhaft hält, dass teilweise weit über 70-jährige aus etwas Holz, Metall und Haushaltsmittelchen ein explosives Schlachtfeld machen. MacGyver wäre stolz und von der rohen Gewalt entsetzt, die einem entgegen schlägt. Mit den ersten “Junkies“”beginnt ein “Krieg” auf Leben und Tod und man kauft es diesen Veteranen ab, sich in der kleinen Bar so wohlzufühlen, als ob man in den Tunneln wäre. Es fliegen Gesichtshälften, Arme, Beine und sonstige Gliedmaßen durch die Gegend.

“Crowdpleaser” war nie passender anzuwenden   

Es mag seltsam klingen, wenn man eine Horde vollgedröhnter Junkies herbeisehnt, damit das Blutfest weitergeht. Doch alle Darsteller hatten offensichtlich einen Heidenspaß am Geschehen. Die alten Herren wirken nicht fehl am Platz: Man erwischt sich als Fan von Cheers dabei, wie man Norman, hier Doug, formlich grinsend anfeuert, die Sau rauszulassen und dem Punk noch ein Stuhlbein ins Gesicht zu rammen. Der Platz an der Bar ist seiner! Schon immer gewesen. Was erlaubt sich die Jugend? Und genau mit diesem Gedankengut muss sich Fangoria (Horrormagazin mit Filmverleih- und -produktionsableger) auf die Suche nach dem Cast gemacht haben. Fangoria besitzt ein Händchen für ein Nischenpublikum. Selbstironische Senioren- und Soldatenwitze, trockene Flüche gen Jugend, rot-blau ausgeleuchteten Sets, Leder, Nieten und schwere Stiefel. Ein extrem cooler 80er-Look. Dieser hätte allein für sich aber nur ein paar Minuten gewirkt. Doch der gutgelaunte Cast sorgt dafür, dass auch jenseits der 80er-Fans und Mittvierziger Retro-Action-Fans an diesem Gorestreifen richtig Spaß haben werden.

Fazit

VFW ist eine Schlachtplatte, die sich gewaschen hat. Bei all dem spaßigen Splatterfest darf man aber auch nicht verschweigen, dass man eine Hommage an Filme wie Assault – Anschlag bei Nacht, From Dusk Till Dawn – wegen der ausweglosen Ausgangssituation –  oder die Grundstimmung von Die Klapperschlange und Wahnwitz sowie One-Liner bei They Live schaut. All diese Filme haben den Zahn der Zeit fast unbeschadet überstanden. Denn sie besitzen das gewisse Etwas, das sie einzigartig macht und man kopieren möchte. Joe Begos umgeht dies mit einem Augenzwinkern und zeigt ohne Scheu, vor wem er sich verneigt oder von wem er sich inspirieren lässt. VFW fängt den vorherrschenden Trend nach Retro gekonnt auf und zelebriert diesen bis zum Exzess. Ob man nach 20 oder 30 Jahren noch über VFW reden wird – weiß niemand. Was aber ein Fingerzeig und vielleicht unbeabsichtigte Ermahnung sein kann: Was passiert eigentlich, wenn die alten Helden aussterben? Wer tritt in deren Fußstapfen? Legitime Nachfolger des Actionkinos suchen wir noch immer. Und so kommt es, dass ein Arnold Schwarzenegger mit 74 oder ein 81-jähriger (!!!) Fred Williamson glaubwürdiger eine Gang ausschaltet oder die Welt rettet. Diese Generationenfrage stellt man sich in der Tat. Aber das soll niemanden davon abhalten, sich einen unterhaltsamen Abend mit der “alten Gang” zu gönnen. Denn der Film ist ein Party-Icebreaker. Danach hat jeder was zu sagen. Garantiert!

© Capelight 


Seit dem 10. Juli 2020 im Handel erhältlich:

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