The Stranded (Staffel 1)
Auf der Suche nach spannenden Exklusiv-Serien bedient sich Netflix immer häufiger an asiatischen Titeln. Neben der umfangreichen Anime-Sparte gewinnen vor allem Realserien aus dem asiatischen Raum zunehmend an Bedeutung. Die Suche nach neuem Mystery-Stoff machte den Streamingdienst auf das thailändische Inselabenteuer The Stranded aufmerksam. Die Prämisse kommt uns nur allzu bekannt vor: Eine Personengruppe sitzt aufgrund eines Unglücks auf einer Insel fest. Neben den zwischenmenschlichen Konflikten treten im Handlungsverlauf plötzlich unerklärliche Phänomene auf. Nach The I-Land and The Society bereits die dritte Netflix-Serie, welche eine Teenagergruppe isoliert betrachtet. In diesem Fall kommen auch noch zahlreiche Lost-Vibes hinzu. Der Name des Regisseurs lässt wohl bei den wenigsten die Ohren klingeln, doch mit seinem Film Shutter sorgte Sophon Sakdaphisit bereits 2004 für Gänsehaut-Momente.
Mehrere aus Elite-Schülern bestehende Klassen wollen eine Schulparty feiern. Dafür verschlägt es sie auf die Insel, auf der sich auch das Schulgelände befindet. Als aus dem Nichts ein Tsunami aufkommt und alles unter sich begräbt, ist nichts mehr wie zuvor.
Fünf Monate später. Die Überlebenden des Tsunamis haben die Hoffnung auf Rettung aufgegeben. Sie sind nun auf sich alleine gestellt und haben längst begonnen, sich neu zu organisieren, um überleben zu können. Doch etwas scheint auf der Insel nicht zu stimmen und ein mitten im Urwald entstandener Nebel nähert sich dem Schulgelände …
Alles rein in den Topf
Originaltitel | Khewng |
Jahr | 2019 |
Land | Thailand |
Episoden | 7 in Staffel 1 |
Genre | Mystery, Drama |
Cast | Kraam: Papangkorn Lerkchaleampote Anan: Chutavuth Pattarakampol May: Chayanit Chansangavej Ying: Ticha Wongthipkanont Arisa: Kittisak Patomburana |
Das größte Problem der Serie offenbart sich bereits mit einem Blick auf die Anzahl der Episoden: Sieben Folgen umfasst die erste Staffel und eine Fortsetzung ist ungewiss. Dementsprechend wenig Zeit bleibt, um sowohl die Handlung voranzutreiben als auch die zahlreichen Charaktere zu entwickeln. Nicht lange dauert es, bis Folge 1 das Unglück entfesselt und damit die zweite Befürchtung offenbart: Der Serie ist das Budget anzusehen. Die Tsunami-Katastrophe besteht aus kostengünstigen CGI-Effekten, die sich selbst mit viel Wohlwollen nicht in die reale Umgebung einbetten lassen wollen. Ist diese Katastrophe erst einmal überstanden, werden weiteren Effektgewitter nicht mehr benötigt, was zumindest für keine weiteren Brüche in der Optik sorgt. Sehen lassen kann sich dagegen die Insel, welche mit verschiedenen Territorien aufwartet und für abwechslungsreiche Schauplätze sorgt.
Diversität mit Kurswechsel
Bei der Darstellung der Charaktere wurde auf eine diverse Rollenauswahl gesetzt, was gar nicht so üblich ist. Dadurch haben wir ein schwules Paar, welches von Anfang an besteht und seine Liebe sogar ausleben darf (angedeutet, wohlgemerkt). Auch in Sachen Gleichstellung legt The Stranded Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis: Jungen wie Mädchen fordern Respekt voneinander. Zu den Hauptfiguren zählen der adoptierte Fischerjunge Kraam (Papangkorn Lerkchaleampote), dessen Rivale Anan (Chutavuth Pattarakampol) mit seiner Freundin May (Chayanit Chansangavej), die Querschläger Ying (Ticha Wongthipkanont) und Ice (Kittisak Patomburana) sowie die Außenseiterin Arisa (Chaleeda Gilbert), welche ein wenig intensiver beleuchtet werden als die anderen Schüler. Ihre Charakterisierung erfolgt eher standardmäßig und ohne größere Überraschungen, was an sich verzeihlich ist. Doch 180°-Wechsel von einer Folge auf die nächste kratzen an der Glaubwürdigkeit, und Figuren, die eben noch glücklich waren, schließen sich im nächsten Moment voller Zorn einem hasserfüllten Mob an. Zuschauer müssen schon die eine oder andere erzwungene Wendung in Kauf nehmen.
Lost auf thailändisch?
Allzu groß ist der Kulturschock für Europäer nicht. The Stranded gibt sich sehr international, einzig die für Thailand omnipräsenten Themen Klasse und Wohlstand stehen über den Dingen, bleiben aber stets nachvollziehbar und fühlen sich nicht zu exotisch an. Eine starke Parallele zu der thematisch nahen US-Serie Lost ist die Aufarbeitung der Vorgeschichten einzelner Figuren in Rückblenden. Ein Stilmittel, welches bereits die Zuschauer von Lost spaltete. Was die einen als wertvolle Information erachten, bremst für die anderen die Handlung der Gegenwart aus. The Stranded findet dabei einen ausgewogenen Lösungsansatz, ist aber in den Rückblenden angesichts der kurzen Laufzeit von nur sieben Episoden weit davon entfernt, einen Mehrwert zu liefern. Schließlich hat man in Lost auch einfach mehr von den Figuren. Zudem war immer klar, dass die US-Serie mit einem langen Atem ausgestattet ist und früher oder später auch Antworten folgen würden. Diesen Gefallen tut einem die erste Staffel von The Stranded nicht. Die Zukunft bleibt ungewiss, für die Schüler auf der Insel wie auch die Zuschauer.
Fazit
The Stranded hat es schwer, auch nur irgendwen zufrieden zu stellen: Für ein gutes Teenager Drama fehlt es an echten Persönlichkeiten und nachvollziehbaren Konflikten, als Mystery-Serie werden zu viele Elemente in die Handlung geballert, deren Erklärung ausbleibt. Für ein Survival-Abenteuer hingegen gibt es zu wenig Resozialisierung zu sehen und die Neuorganisation wird allenfalls angekratzt. Einzig die Kulissen verleihen etwas mehr echtes Dschungel-Feeling als nun die Trauminsel aus Lost. Verfällt die Serie in Klischees? Ja. Steht sie sich selbst im Weg? Oh ja! Trotzdem fällt es schwer, der Serie anzukreiden, dass sie einfach für ihre Laufzeit viel zu überambitioniert ist. Insofern lohnt sich das Dschungelabenteuer für verregnete Nachmittage durchaus, allerdings eben wissentlich, dass Antworten offen bleiben.
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