Harper’s Island
“Einer nach dem anderen” – so die Flüsterstimme, die zu Beginn einer jeden Folge von Harper’s Island das Serienkonzept präsentiert. Die 13-teilige Murder Mystery-Serie lief 2009 in den USA und wenige Monate später auch im deutschen Fernsehen an. ProSieben sorgte dafür, dass die Serie rund um das Zehn kleine Negerlein-Prinzip auch hierzulande eine große Fanbase generieren konnte. Auf der Suche nach einem Mörder, der ein Mitglied einer Hochzeitsgesellschaft nach dem anderen umbringt, wirft die Serie mit falschen Fährten, Finten, echten Spuren und zwielichten Charakteren nur so um sich. Das US-Publikum besaß sogar die Möglichkeit, wöchentlich einen Tipp auf die Identität des Killers abzugeben, was die Involvierung der Zuschauer gravierend verstärkte. Harper’s Island profitierte damals vor allem aus seiner Mischung aus Soap und Slasher. Kein Wunder, denn die Verantwortlichen hinter der Serie sind Darren Star (bekannt für Beverly Hills, 90210) und Rob Thomas (Zombie). Eine weitere Kuriosität sind die Episodentitel, die Klangwörter der jeweiligen in der Folge behandelten Todesart darstellen: “Bang”, “Snap” oder auch “Thrack, Splat, Sizzle”.
Harper’s Island ist eine Insel, die 60km vor Seattle liegt. Eine Hochzeitsgesellschaft befindet sich auf dem Weg dorthin, um das Ja-Wort von Trish Wellington (Katie Cassidy, Unbekannter Anrufer) und Henry Dunn (Christopher Gorham, 2 Broke Girls) zu feiern. Noch ist die Stimmung bestens, das Wetter spielt mit und viele Wiedersehen werden gefeiert. Doch keiner weiß, dass die Gruppe bald erheblich dezimiert wird. Denn auf Harper’s Island kam es sieben Jahre zuvor zu schrecklichen Vorfällen, bei denen der Mörder John Wakefield sechs Menschen tötete. Dazu gehörte auch die Mutter von Abby Mills (Elaine Cassidy, The Others), der besten Freundin des Bräutigams. Nun scheinen sich die Vorfälle zu wiederholen …
Der Zeitgeist des 90er-Slashers
Originaltitel | Harper’s Island |
Jahr | 2009 |
Land | USA |
Episoden | 13 (in 1 Staffel) |
Genre | Mystery-Thriller |
Cast | Abby Mills: Elaine Cassidy Henry Dunn: Christopher Gorham Christopher Sullivan: Matt Barr Trish Wellington: Katie Cassidy Chloe Carter: Cameron Richardson Cal Vandeusen: Adam Campbell Charlie Mills: Jim Beaver |
Trotz hoher Beteiligung der Zuschauer fiel Harper’s Island beim US-Publikum durch: Bereits nach drei Folgen sanken die Quoten erheblich, sodass der Sender CBS die Serie von Donnerstag auf Samstag verlegte, womit das endgültige Todesurteil unterzeichnet wurde. Auch in Deutschland interessierte sich zum Ausstrahlungszeitpunkt kaum jemand für die Serie, wodurch die Quoten von Folge 1 (1,75 Mio. Zuschauer) bis Folge (0,90 Mio. Zuschauer) in den Keller gingen. Immerhin ist die eine vorhandene Staffel ohnehin in sich abgeschlossen, sodass die Gefahr eine mögliche Fortsetzung nie bestand. Gerade Kritiker zeigten sich positiv von dem Projekt überrascht, welches den Zeitgeist des 90er Slashers à la Scream und Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast aufgreift, um sich Zeit für seine Figuren zu nehmen. Ohnehin ist es verwunderlich, dass die Serie rund ein Jahrzehnt nach der großen Slasher-Welle erschien, atmet sie doch verhältnismäßig viel Luft der 90er.
25 Verdächtige
Bis die Handlung ins Rollen kommt, vergehen drei Folgen. Zwar nimmt sich das Drehbuch Zeit für den verhältnismäßig großen Cast, verpasst aber zumindest im ersten Viertel einen Spannungsaufbau. Die erste Leiche wird früh gezeigt (ohne entdeckt zu werden), sodass die Heranführung an die Tode unspektakulär geschieht. Solange der Zuschauer mehr Wissen als die Figuren besitzt, hält sich die Spannung eher bedeckt. Erst zu einem späteren Zeitpunkt tritt der Fall ein, dass die Tode des Einzelnen auch von Interesse sind. Tote für die Quote gibt es zur Genüge, sodass leichte Abnutzungserscheinungen nicht von der Hand zu weisen sind. Bei einer derart hohen Auswahl an möglichen Killern ist die hohe Todesrate aber auch kein Wunder. Glücklicherweise besitzt Drehbuchautor Ari Schlossberg (Hide and Seek) ein Gespür für Todesarten und besondere Schauplätze. Mit den nebligen Wäldern, den düsteren Gebäuden und dem unüberschaubaren Tunnelsystem der Insel ist für abwechslungsreiche Schauplätze gesorgt. Gedreht wurde tatsächlich in Vancouver und den umliegenden Inseln, während “Harper’s Island” ein fiktiver Ort bleibt.
Es kann jeden erwischen
Der wohl größte Schwachpunkt von Harper’s Island liegt in der Hauptfigur. Abby Mills ist eine gewöhnliche, leicht schüchterne Protagonistin ohne Ecken und Kanten. Als Zuschauer ist man schon früh darauf eingestellt, dass sie als Final Girl wohl lange erhalten bleibt. Alle anderen Charaktere um sie herum bringen deutlich spannendere Geschichten mit, etwa das Paar Cal und Chloe. Grundsätzlich hat die Serie allerdings nahezu allen Slashern etwas voraus: Die Charaktere kommen ohne klischeehafte Darstellung aus, wenn auch nicht ganz auf Stereotypen verzichtet wurde. Diverse Probleme und Einzelschicksale werden zur Genüge eingeflochten, überwiegend, um die Figuren solange beschäftigt zu halten, bis sie bemerken dürfen, dass sie sich in Gefahr befinden. Trotzdem geht es vergleichsweise schonungslos zu und auch Personen, die man in Sicherheit wiegt, sterben einen überraschenden Tod. Die Schauspieler wussten bis auf Ausnahme von Richard Burgi (Thomas Wellington, Vater der Braut) nichts von den Schicksalen ihrer Figuren und erfuhren erst einen Tag vor dem Dreh davon, um die größtmögliche Geheimhaltung über den Ausgang der Serie zu wahren. Die Todesarten sind kreativ und abwechslungsreich gestaltet. Auch wenn häufig nur das “Ergebnis” und nicht der Hergang zu sehen ist, wird für eine Free TV-Serie nicht mit Blut und Gewaltdarstellung gegeizt.
Fazit
Harper’s Island benötigt etwas Anlauf, lässt sich ab der Hälfte allerdings kaum ohne Unterbrechung schauen. Das Suchtpotenzial wird mit verstreichender Laufzeit immer größer, da die Spannung nach sechs Folgen nicht mehr abreißen will. Zwar lässt sich die Auflösung bereits zwei bis drei Folgen vor dem Finale erahnen, doch solange bleibt das Drehbuch seinen Zuschauern noch einen erklärenden Blick in die Psyche des Killers schuldig. Das überkonstruierte Finale wirkt in diesem Zusammenhang dann wieder stimmig, erfordert aber vor allem von Plausibilitätsfanatikern ein Entgegenkommen. Trotz manch nerviger Storyline steht Harper’s Island für spannende Unterhaltung, die man als Fan des Murder Mystery-Genres auf keinen Fall verpasst haben sollte.
© Paramount Pictures