Der Dunkle Turm: Der Revolvermann (Band 1)

In einer postapokalyptischen Welt sucht der letzte Revolvermann bedingungslos nach einem mysteriösen machtvollen Turm. Mit diesen Worten könnten Leser Stephen Kings Opus magnum Der Dunkle Turm ganz einfach beschreiben, jedoch steckt in den acht Bänden, die der Meister des Horrors über 30 Jahre lang schrieb, viel mehr. Ein solches Mammutwerk auf ein anderes Medium zu übertragen, ist keine leichte Aufgabe. Bei Marvel blieb es aber nicht nur eine fixe Idee, Roland und seine Gefährten in die Welt der Comics zu entsenden. Mit Robin Furth (Das Tor zu Stephen Kings Dunklem Turm) der Frau, die wohl mehr über den Dunklen Turm weiß als King selbst und dem bedeutenden Marvel-Autor Peter David (Halo: Jäger in der Dunkelheit) wagten sich gleich zwei Schwergewichte an die Umsetzung. An unserem Waffengurt hängt jetzt statt einem Revolver aber eine Schreibfeder, denn wir besprechen den Auftaktband Der Dunkle Turm: Der Revolvermann, weil wir wissen wollen, ob die Umsetzung gelungen ist.

     

Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste und der Revolvermann folgte ihm. Doch nicht immer war Roland Deschain ein Mann der Waffe. Zwar gebar ihn seine Mutter gefühlt mit diesem, doch das Recht sie zu tragen, musste er sich wie jeder andere erst einmal verdienen. Keine leichte Aufgabe, denn Cort ist zäh wie Leder. Schon einige junge Männer bissen sich die Zähne an ihm aus und wer einmal die Prüfung verloren hat, auf den wartet nur die Verbannung. Etwas, was Marten Broadcloak — Jahre später der Mann in Schwarz — weiß und nun gegen den ihm im Weg stehenden Roland einsetzen will. Mit einer List treibt der Magier seinen Gegner, vor Wut nach einer Prüfung verlangend, in die Hütte von Cort. Das Jahre zu früh, doch vielleicht gerade recht, wie Steven Deschain einsieht. In den äußeren Gebieten breitet sich nämlich im Auftrag des scharlachroten Königs eine Rebellion aus.

Erst der Anfang einer Reise

Originaltitel The Dark Tower: The Gunslinger Born
Jahr 2008
Land USA
Genre Fantasy, Western, Horror
Autor Stephen King, Robin Furth, Peter David
Zeichner Jae Lee, Richard Isanove
Verlag Panini Comics

Im Gegensatz zu Stephen Kings Romanauftakt Schwarz erzählt Der Dunkle Turm: Der Revolvermann nicht von Rolands Jagd nach dem Mann in Schwarz, sondern von dessen Erlebnissen in jüngeren Jahren. Den Abschnitt, welchen der Autor erst im vierten Band Glas als langen Flashback präsentiert. Damit fanden die Autoren einen passenden Kompromiss, um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu erwischen. Für Neulinge bietet Rolands Kampf um seine Revolver ein spannendes Duell, bei dem vor allem unser Held noch kein zäher alter Haudegen ist, aber schon einiges auf dem Kasten hat. Doch gerade mit dem Gewinn der Revolver rutscht Roland in ein viel größeres Abenteuer, das ihn und seine Gefährten nicht nur einmal in Lebensgefahr bringt. An Nervenkitzel mangelt es hier wirklich nicht. Die Handlung setzt unter anderem darauf, ein perfides Katz und Mausspiel aufzubauen, bei dem nie klar ist, wer überhaupt die Maus ist.

Für die alten Gefährten von Roland

Auch literarische Wegbegleiter von Roland und seiner beschwerlichen Reise können sich auf den Titel freuen. Robin Furth schließt erzählerische Lücken und geht auf einige Dinge ein, die King in seinen Romanen nur anschneidet. So zeigt uns die Handlung unter anderem mehr dessen, was die unterschiedlichen Antagonisten aushecken. Hier ist es von Vorteil, dass Roland nicht wie im Roman selbst die Geschichte erzählt. Daher fügen sich die neuen Stücke auch wunderbar ein, ohne unlogisch zu wirken, wie zum Beispiel Martins ausgebaute Machenschaften. Ansonsten stellt Der Dunkle Turm: Der Revolvermann eine passende Alternative zum Jugend-Abschnitt des Buches dar, da die Geschichte trotz einiger Komprimierungen in all ihrer Vielfalt wiedergegeben wird.

Roland und seine Ka-Tet

Unser junger Held durchlebt einige Höhen und Tiefen während seines Abenteuers. So verliebt sich Roland das erste Mal und das unglücklicherweise in die schöne Susan, die schon einem anderen versprochen ist. Wenn das nicht schon genug ist, gerät selbst seine Freundschaft zu dem empfindsamen Alain und dem frechen Cuthbert ins Straucheln, dabei balancieren die drei gerade auf einem Drahtseilakt. Verdeckt in einen kleinen Ort eingeschleust, müssen sie gegen drei erfahrene Männer bestehen. Ein gewaltiger Druck, der auf ihnen lastet und die Figuren emotional in die Enge treibt. Raum für Entwicklung baute das Autoren-Duo nicht nur für die drei Helden ein, sondern auch für einige andere Charaktere. Susan zum Beispiel nimmt eine der tragenden Rollen ein. Wirkt sie zu Beginn wie ein einfaches Dorfmädchen, zeigt sich im Laufe der Geschichte, dass sie ihr vorbestimmtes Leben selbst in die Hand nimmt. Doch bei einem Autoren wie Stephen King ist Tragik vorprogrammiert.

Eine andere Welt — eine andere Sprache

Als schnelle Lektüre empfiehlt sich Der Dunkle Turm: Der Revolvermann nicht. Die von Stephen King erdachte hohe Sprache, die die Charaktere in Mittwelt sprechen, wenden sie natürlich auch passenderweise an. Das bedeutet, dass es nicht nur ein paar eigentümliche Redewendungen gibt, sondern auch die für die Reihe typischen Begriffe. Es dauert daher zu Beginn etwas, um in den eigentümlichen Satzbau hineinzukommen. Doch sorgt die Atmosphäre im Laufe der Seiten dafür, noch mehr in die Geschichte zu versinken. Da kann es schon einmal vorkommen, dass sich Leser mit „Lange Tage und angenehme Nächte“ verabschieden.

Durchgestylt ab dem ersten Panel

Neben der Sprache sind es aber vor allem die Bilder, die einen in ihren Bann ziehen. Für Zeichner Jae Lee (Superman: American Alien) lag vor allem die Herausforderung darin, Kings knackig auf den Punkt formulierte Beschreibungen aufs Papier zu bringen. Dabei stellten vor allem die Charaktere eine Herausforderung dar, weil schließlich diese von den Fans wiedererkannt werden müssen. Nach den ersten Seiten war eines aber schon klar: der Mann versteht sein Handwerk. Vom ersten bis zum letzten Panel ist der komplette Band ein einziges durchgestyltes Meisterwerk, bei dem wirklich jedes Panel seine eigene Wirkung entfaltet. Vor allem die starken Schattenverläufe sorgen für einen unter die Haut gehenden Stimmungsaufbau. Seinen Beitrag leistet dazu der Kolorist Richard Isanove (Wolverine Origin), der dank Computer-Einsatz immer für die richtigen Farbverläufe sorgt. Einziger kleiner Wermutstropfen ist der Fakt, dass die Figuren nicht gerne den Mund aufmachen und das auf Dauer bei Dialogen etwas seltsam wirkt.

Fazit

Wenn es um die Umsetzung meiner Lieblingsbuchreihe geht, bleibe ich kritisch, aber auch fair. Jedes Medium hat seine Vor- und Nachteile. Eine Komprimierung einer so ausführlichen Geschichte auf einen Comic ist daher verständlich, weswegen ich direkt keiner Textzeile hinterher weine. Im Gegenteil, die Autoren leisteten einen hervorragenden Job in Der Dunkle Turm: Der Revolvermann, schließlich behalten sie alle wichtigen Handlungselemente bei. Die Achterbahn der Emotionen ist auch weiterhin vorhanden, wie es wohl auch in Stephen Kings Sinn ist. Meiner Meinung nach bildet der Band daher nicht nur eine Alternative, sondern auch eine Ergänzung zu den Romanen. Dank der Zeichnungen bedarf es oft auch gar nicht so vieler Worte. Die wechselnden Farbspiele sorgen für die nötigen Stimmungen, genauso die Posen der Figuren. Ich persönlich hätte mir nur hier und da ein anderes Mienenspiel gewünscht, da die Figuren ständig den Mund geschlossen haben. Würde Rolands Verliebtheit nicht hier und da an meinen Nerven zerren, würde ich dem Band gerne die volle Punktzahl geben.

© Panini Comics

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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