Die Zero Escape-Reihe im Überblick

Kennen Sie das? Sie wollen Ihr Zimmer verlassen, aber ein gasmaskierter Wahnsinniger hat Sie eingesperrt und etliche Rätsel präpariert, die es für einen erfolgreichen Toilettengang zunächst zu lösen gilt? Falls ja: Sie sind nicht allein! Bereits im Jahr 2009 hatte sich Entwickler Chunsoft und Publisher Spike (im Westen: maßgeblich Aksys Games sowie Rising Star Games) einige bunthaarige Probanden zusammengesucht und Sie in die (vermutlich zu dem Zeitpunkt diabolisch aneinanderreibenden) Hände des Masterminds/Directors Kotaro Uchikoshi getrieben. Den neun armen Seelen, blieben neun Stunden, um durch neun Türen zu gelangen und damit war der erste Teil der heute als Zero Escape bekannten Reihe geboren: 999: 9 Hours, 9 Persons, 9 Doors. Ihren Anfang nahm die Visual-Puzzle-Novel auf dem Nintendo DS und war ursprünglich als Stand-Alone-Titel gedacht. Aber über die Zeit wurden noch weit mehr Versuchskaninchen mit einem (unfreiwilligen) Rätselurlaub ‘beglückt’. Die Escape-the-Room-Rätselei bekam zwei Fortsetzungen und alle drei Teile wurden sowohl für den PC als auch für die aktuellen Konsolengeneration (PlayStation 4) portiert. Im Folgenden werden wir einen kleinen Durchmarsch durch die Reihe wagen und uns fragen, ob es sich lohnt, den Eingesperrten eine helfende Hand und graue Zellen zu reichen oder ob man lieber gleich alle Schlüssel wegwirft.

(Spoiler-Hinweis: Die Zero Escape-Reihe ist maßgeblich dem Bereich der Mystery-Visual Novel verschrieben und daher sind die Geschichten wendungsreicher als eine Schlange mit Drehwurm auf einem wild gewordenen Kinderkarussell. Die Geschichten werden hier entsprechend nur leicht angeschnitten, um nichts vorwegzunehmen, aber trotzdem gilt: Wer sich lieber völlig unvoreingenommen den Titeln widmen will (Spoiler im Spoiler: Es lohnt sich!), der greift jetzt lieber rasch zur Augenbinde oder scrollt nur noch mit vorgehaltener Hand.)

Alles beginnt mit einem wuschelhaarigen Bub namens Junpei, der einen dieser typischen Morgende hat, an denen man mit brummenden Schädel in einer Billigkabine eines Luxusdampfers irgendwo im ozeanischen Nirgendwo aufwacht, die sich langsam mit Wasser füllt. Klingt nach einem Montag. Seine Erinnerungen purzeln durcheinander, als stünden sie selbst auf einem wackeligen Fischerboot in einem Jahrhundertsturm und die Fragen ‘Wieso? Weshalb? Warum?’ dröhnen im sesamstraßigen Sermon in seinem Kopf. Der ungebetene Hausbesuch eines postapokalyptischen Faschingsparty-Enthusiasten wabert zusätzlich in seinen Synapsen herum. Letztlich ist er sich nur einer Sache gewiss: Längerer Kabinenaufenthalt scheint extrem ungesund. Leider verweigert sich die Tür simpler ‘Klinke runter und voila!’-Öffnungsmethoden. Sie verlangt vielmehr eine durch Rätsel im Raum gestützte Code-Suche. Und so muss Junpei seinen Weg hinausfinden. Mit diesem Setting setzte der erste Teil der Zero Escape-Reihe, die zu dem Zeitpunkt diesen Titel noch gar nicht trug, 2009 in Japan und 2010 im Westen die Segel. Der damalige Entwickler Chunsoft, der sich später mit der Schwesterfirma Spike zu dem heutigen bekannten und erstaunlich innovativ benannten Spike Chunsoft zusammenschloss, holte sich den bereits erwähnten Kotaro Uchikoshi an Bord. Der war zuvor bei Studio KID und hatte dort Erfahrungen mit Visual Novels gesammelt, wenn auch mit gänzlich anderem Genre-Fokus; mehr Romanze, weniger mysteriöse Todesfallen. Anstatt aber eine reine Visual Novel ins Rennen zu schicken, wollte er die Geschichte mit einem maßgeblich auf Rätsel basierten Gameplay-Part kombinieren, der wiederum entscheidend in die Handlung integriert ist.

 

Visual Puzzle

Originaltitel Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors
Jahr 2010 (2009 in Japan)
Plattform PC, PS Vita, PS4, Nintendo DS
Genre Visual Novel; Escape-the-Room-Puzzle
Entwickler Chunsoft
Publisher Aksys Games
Spieler 1
USK

999: 9 Hours, 9 People, 9 Doors lässt sich entsprechend in zwei Parts aufteilen: Zum einen in einen klassischen Visual Novel-Part, in dem die Charaktere durch hüftaufwärts dargestellte Porträts miteinander plauschen und der die ein oder andere Spielerentscheidung parat hält, die letztlich zu verschiedenen Endings führen. Zum anderen die Escape-the-Room-Situationen, in denen die eigenen kleinen grauen Zellen bemüht werden müssen, um nicht auf alle Ewigkeit (oder zumindest bis zum Untergang des Ozeanriesen) in einer Suite ohne Kabel-Anschluss geschweige denn Internet festzuhängen. Ein barbarisches Schicksal! Die Rätsel selbst sind meist klassische Point&Click-Adventure-‘Such den Raum ab und kombinier Zeug’-Passagen gepaart mit dem Deduzieren eines Codes anhand freigelegter Hinweise oder dem Absolvieren eines Minispiels. In einem Fall muss etwa das Gewicht zweier Waagen angepasst werden, in einem anderen steht ein Sudoku-artiges Steckpin-Puzzle im Weg zur Freiheit. Bei den Raumflüchteleien ändert sich zudem die Perspektive des Spiels; die verschiedenen Teile der Küche, Kasinos oder wohin es euch auch immer verschlägt können aus verschiedenen Richtungen mit festem Blickwinkel betrachtet werden. Die Figuren selbst sind dabei nicht zu sehen; die Kamera imitiert den Blick von Unglücksrabe Junpei.

Nicht so hastig

Aber einen Moment mal: Wurde nicht erwähnt, dass der aus der Zeit gefallene Nobel-Kahn im Begriff ist, Netunes Planktonbeet anzusteuern? Gibt es etwa ein übergeordnetes … Zeitlimit!? Wer bei dem Gedanken bereits schaudernd hyperventiliert, darf beruhigt den nervösen Blick von der Wanduhr abwenden. Zwar gemahnt das Setting zur Eile und auch die Figuren werden nicht müde zu betonen, dass ihnen das Wasser quasi bis zum Hals steht (hehe!), aber es gibt kein zeitliches Game Over, das den Spieler haifischelnd umkreist. Ein Umstand, der manchmal im scharfen Kontrast zur generellen Redseligkeit der Leutchen steht, mit denen Junpei auf dem Schiff festhängt. Die Gesprächsthemen können dabei von gewissen charakterlichen Hintergründen bis hin zu spontanen Erklärungen zu allerlei wissenschaftlichen Experimenten reichen, die in der ein oder anderen Verbindung mit der jeweiligen Situation stehen, in der sie sich befinden (mit allerlei lustig bunten Heringen dazwischen). Dass diese geschilderten Einwürfe natürlich für das große Mysterium wichtig sind und den finalen Knall vorbereiten, dürfte klar sein. Trotzdem kann es mitunter schlicht komisch anmuten, wenn ihre Welt gerade im wahrsten Sinne des Wortes untergeht, aber sich ein Charakter zwischen den Rätsel auf einmal mit einem ‘Lemme tell you a story” dazu berufen fühlt, über ein soziales Experiment von anno dazumal zu schwadronieren. Die Themen sind generell interessant, aber beißt sich in der Präsentation mitunter mit der Dringlichkeit des Szenarios.

Die Mischung macht’s

Es ist aber gerade diese Mischung aus (pseudo-)wissenschaftlichen Hintergründen, klaustrophobischen Rätselraten auf Leben und Tod, der wahrlich bunte Cast an Verschleppten und der letzte große Zusammenschluss aller Fäden, die zum Finale führen, die die Faszination des ersten Teils 999: 9 Hours, 9 Persons, 9 Doors und letztlich der ganzen Reihe ausmachen. Die Figuren sind dabei stilistisch anime-artig gehalten und auch die Figurenzeichnung kann diese gewisse … exzentrische Ader aufweisen, aber es ist keineswegs ein Aufmarsch knallbuntester Klischees, die einem das Mystery-Feeling eventuell verleiden können. Gerade die Auflösung und der Weg dorthin sind gekonnt und (weitestgehend) nachvollziehbar. Ein wenig Stirnrunzeln könnte trotz allem Zurückbleiben. Das hat dem Erfolg der ersten Visual Novel aber, zumindest im Westen, keinen Abbruch getan. Und so lassen wir uns erneut nicht einmal sprichwörtlich erneut entführen in:

Ein Hoch auf das Bunkerleben

Originaltitel Zero Escape: Virtue’s Last Reward
Jahr 2012
Plattform PC, PS4, PS Vita, Nintendo 3DS
Genre Visual Novel; Escape-the-Room-Puzzle
Entwickler Chunsoft
Publisher Rising Star Games
Spieler 1
USK

Lediglich zwei Jahre nach der ersten Gefangenschaft, geht es für neun neue Probanden schon wieder hinter verschlossene (Bunker-)Türen. 2012 erschien Zero Escape 2: Virtue’s Last Reward, womit dann auch offiziell der Titel “Zero Escape” verliehen wurde, für den 3DS und die Playstation Vita. Chunsoft war erneut Übeltäter mit gleichem Mastermind dahinter, während die Lokalisierung für Europa von Rising Star Games vorgenommen wurde. Die Ausgangslage könnte bekannt vorkommen. Protagonist Sigma würde gerne einen ruhigen Abend verbringen, darf aber gasbedingt nicht – oder verbringt besser gesagt einen ZU ruhigen Abend. Er erwacht in einer kleinen Zelle innerhalb eines Bunkers, aus der er sich mit der Mitgefangenen Phi herausrätseln muss. Wie bereits in Teil 1, hat es noch mehr Figuren (unfreiwillig) dorthin verschlagen, erneut dank einer mysteriösen Figur mit Namen Zero. Dieses Mal in der fürchterlichen Erscheinung eines … Hasen. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine programmierte K.I., die den Ablauf im Bunker überwachen soll. Und wieder gibt es für die Charaktere nur ein Ziel: Hinaus da. Und wieder will eine vermaledeite Tür nicht gehorchen.

Same old, same old?

Auf den ersten Blick wirkt das Setting des zweiten Teils wie eine leicht angepasste Kopie des ersten, tatsächlich hat sich aber weitaus mehr verändert als man zunächst denken würde. Bereits aus rein technischer Präsentationsseite hat sich einiges getan. Aus den Porträts der Charaktere wurden vollständige (hier und da leicht knetig wirkende) 3D-Figuren, die aber im selben Visual Novel-Style miteinander reden. Zudem gibt es immer mal wieder kleinere Sequenzen, entgegen der Still-Images, wie man sie aus dem ersten Teil oder anderen Visual Novel-Titeln kennen könnte. Besonders merklich sind die Veränderungen aber im Design der Rätsel-Räume, die selbstverständlich wieder mit von der Party sind. Die dargebotenen Puzzeleien sind deutlich abwechsungsreicher und schlicht und ergreifend umfangreicher. Die Themen der Rätsel sind dabei stets an die jeweilige Räumlichkeit angepasst und kommen für Unwillige in zwei Schwierigkeitsvarianten daher, von denen eine mehr Hilfestellungen liefert. Zudem gibt es in jedem Bereich ein kleines Zusatzrätsel, um an weitere Hintergrundinfos zu gelangen, die nicht spielentscheidend sind, aber zum Herumprobieren motivieren. Und dann wären da selbstverständlich noch die neue Geschichte und die dazugehörigen Figuren.

Eine Vertonung zum Verlieben

Zuallererst muss hier die absolut exzellente Vertonung erwähnt werden, für die sich Aksys Games verantwortlich zeigt. Alle Sprecher liefern eine großartige Performance ab, die maßgeblich zur Atmosphäre der Geschichte beiträgt. Hier steckt viel Mühe dahinter und trotz vorhandener japanischer Originalspur ist die englische Vertonung sehr zu empfehlen. Zu den Charakteren und der Geschichte selbst viel zu sagen, ist schwierig, da man sich bei der Reihe quasi auf einem Spoiler-Minenfeld bewegt. Faktisch gilt das bis zu einem gewissen Grad auch für das Gameplay selbst, da es immer wieder leichte Meta-Anleihen hat, was konkret heißen soll, dass die gewählten Systeme, also das ‘Wie’ des Spielens für den Inhalt, also das ‘Was’, von Bedeutung ist. Ein Element, das allerdings problemlos erwähnt werden kann, ist ein neues Sub-Game, wenn man es so nennen möchte, das den Eingebunkerten entgegen geworfen wird. Das sogenannte: Ambidex-Game.

Betrügen oder nicht betrügen, das ist hier die Frage

Um aus dem Bunker zu entkommen, muss eine gewisse störrische Tür geöffnet werden. Um das zu tun, müssen die Charaktere Punkte sammeln, die sie sich wiederum im sogenannten Ambidex-Game verdienen können. Die Figuren sind in Kleingruppen eingeteilt, jeweils ein Paar mit einem Einzelgänger, die nach jeder Runde durchgemischt werden. Im Stile des klassischen Gefangenen-Dilemmas gilt es in vorbereiteten Voting-Kabinen (wurde erwähnt, dass der Bunker gut ausgestattet ist? Nein? Nun, er ist es.) sich zu entscheiden, ob man den Verbündeten betrügt oder ihm vertraut. Wer betrügt, bekommt mehr Punkte, außer der andere zückt ebenfalls den metaphorischen Dolch. Wer vertrauensvoll die Hand reicht, könnte mit Punkten für beide Seiten belohnt werden, außer der andere reibt sich heimtückisch die Hände. Dieses Element ist nicht nur ein großer und spannender Konfliktherd für die Figuren, sondern gleichzeitig auch die Methode, mit der der Spieler sich zu den unterschiedlichen Endings manövrieren kann. Bei Teil 1 wurde es kurz angeschnitten, aber ganz Visual Novel-typisch gibt es unterschiedliche Pfade, auf die der Spieler durch die Geschichte stapfen oder trampeln kann. In der gesamten Reihe sind diese aber hierarchisch geordnet, soll heißen: Es gibt kein richtiges True Ending, das die Geschichte abschließt und etliche … nun andere Varianten, die mal mehr mal weniger glimpflich für alle Beteiligten ausgehen.

Auf dem Baum der Entscheidung

Während die Pfade sich im ersten Teil schon in manche Richtung verzweigten, steht in Zero Escape 2: Virtue’s Last Reward gleich ein ganzer Baum. Unterschiedlichste Wege warten darauf, erkundet zu werden und alleine all die Verzweigungen zu sehen, die Entwicklungen mitzuverfolgen ist ein großes Vergnügen, insbesondere da sich das stetig aufbauende Finale einiges an Sprengkraft bereit hält. Um der Wahrheit jedoch die Ehre zu geben, muss man gestehen, dass das Nachvollziehen aller Punkte mehr als nur ein paar graue Zellen benötigt; es sollten noch ein paar mehr Gehirnwindungen für den Fall der Fälle rekrutiert werden. Da hilft es auch nicht, dass der zweite Teil – und jetzt geraten wir unvermeidlich in leichtes Spoiler-Territorium – eine gewisse Voraussetzung bzw. Verbindung zum Nachfolger bereit hält. Ein Klippenhänger der besonderen Art … und was für einer es tatsächlich ist.

Operation Bluebird

Denn, wie erwähnt, war der erste Teil maßgeblich im Westen erfolgreich, und das galt auch für den zweiten. Im Ursprungsland Japan dagegen war es nach Aussage von Hauptschreiber und Hobby-Mastermind-Superschurke Kotaro Uchikoshi nicht so rosig bzw. viel zu rot. Die Verkaufszahlen waren mäßig und so wurde die Reihe zunächst auf unbestimmte Zeit eingefroren. Uchikoshi verließ Chunsoft und arbeitete als Freelance-Writer (unter anderem erschuf er seinen ersten Anime: Punch Line). Ein dritter Teil war entsprechend ungewiss. Und jetzt kommt ein Part, den der innere Zynist wohl nur mit einem “Humbug!” quittieren würde, aber sei es wie es sei: Die Fans der Zero Escape-Reihe ließen nicht locker und riefen Operation Bluebird ins Leben, die Publisher und Entwickler zeigen sollten, dass definitiv gewaltiges Interesse an einer Fortsetzung bestand. Und ihre Stimmen wurden tatsächlich gehört. Nach einer Countdown-Teaser-Ankündigung war es 2016 soweit. Der dritte Teil:

Come to the Dark Side

Originaltitel Zero Time Dilemma
Jahr 2016
Plattform PC, PS4, PS Vita, Nintendo 3DS
Genre Visual Novel; Escape-the-Room-Puzzle
Entwickler Chime
Publisher Aksys Games; Rising Star Games
Spieler 1
USK

Bereits zum dritten Mal wurde eine Bande an Leutchen geschnappt, dieses Mal von Entwickler Chime (aber wieder mit Serienvater Kotaro Uchikoshi am Griffel) und postwendend in eine Anlage gestopft. Wer jetzt vermutet, dass sie eventuell eine bockige Tür öffnen müssen und es zuvor einige Rätselräume zu überwinden gilt sowie eventuell eine mehrroutige Geschichte zu ergründen gibt, der hat das Prinzip verstanden und darf sich kurz anerkennend im Spiegel zunicken. Setting und genereller Gameplay-Ablauf bleiben also erneut gleich, aber wieder hat sich vieles quasi unter der Haube getan. Erneut änderte sich die Inszenierung, die Dialoge waren nicht mehr in der gewohnten Visual Novel-Oberkörper-plus-Dialogfeld-Weise arrangiert, sondern vollwertig inszeniert. Mit Figuren, die in Räumen sitzen, stehen, reden usw. (in den Rätselräumen halten sie sich aber wie gewohnt heraus oder positionieren sich einfach so gekonnt, dass man sie nie sieht). Aber speziell der Ton ist ein anderer. Sowohl Teil 1 als auch zwei hatten ihre düsteren Momente, aber Zero Escape 3: Zero Time Dilemma springt direkt mit einem ‘Yeehaa!’ in den Blutbottich.

Darf es ein bisschen Gore sein?

Während die Rätsel in den vorherigen Titeln maßgeblich dadurch bedrohlich wurden, dass sie einem rechtzeitigen Entkommen im Wege stehen oder mehr von der Situation erahnen lassen, in der sich die Figuren befinden, hat sich Teil 3 direkt ein paar Todesfallen von Saw geborgt. Mit entsprechend ruppigen Ergebnis. Der Gore-Faktor ist dabei zwar vorhanden, aber nie derart explizit und eher mit diesem gewissen C- bis G Movie-Charme (oder Uncharme, je nach Sichtweise) versehen. Neben dem tonalen Wechsel, ist auch der Ablauf der Geschichte eine andere. Zwar gibt es wieder mehrere Routen, aber statt einer zu folgen, wählt man immer wieder aus vereinzelten Fragmenten, die in beliebiger Reihenfolge angewählt werden können. Mit jeder dieser Sequenzen ist dabei stets ein Rätselraum verbunden, die noch einmal im Vergleich zum Vorgänger an prinzipieller Ausstattung und Präsentation dazu gewonnen haben. Ziel ist dabei, im Einzelnen aber nicht mehr so sehr das schlichte Hinauskommen, sondern mehr das Überleben der Situation, in der sich die Charaktere befinden.

Wunschlos glücklich?

Es wäre nun gerade in Anbetracht der ‘Operation Bluebird’ und dem damit innig erfüllten Fan-Wunsch schön, wenn hier alles mit dem Prädikat ‘Großartig’ abgeschlossen werden könnte, aber der letzte Teil krankt doch an einigen Stellen. Der angesprochene tonale Shift mag bereits nicht jedermanns Sache sein, aber in technischer Hinsicht ist die Qualität der Figurendarstellung sowie -animation nicht taufrisch. Mitunter wirken die Bewegungen schlicht ungelenk und die Mimik teilweise unfreiwillig komisch, gerade bei der ein oder anderen spontanen Großaufnahme. Die etwas wirre Darstellung der Geschichte kann ebenfalls zum Stolperstein werden. Erneut gibt es zahlreiche Wendungen, die alles zu rechtfertigen versuchen und vieles auch einbetten, aber mitunter schießt es auch weit über das Ziel hinaus. Man könnte es vielleicht so sagen: Wenn die Handlung von Teil eins eine ruhige Schifffahrt war, setzte sich Teil zwei auf ein Jetski. Teil drei dagegen sagt sich ‘Screw it!’ und schnallt sich gleich die Rakete samt Düsenrollschuhe um. Es ist schwer, alles unter einen Hut zu bringen und da die Handlungen der Vorgänger durchaus ihre Stirnrunzler hatten, machte das die Aufgabe des letzten Teils der Trilogie nicht gerade einfacher. Dennoch könnte bei dem ein oder anderen eine gewisse Unbefriedigung zurückbleiben.

Fazit

Die Zero Escape-Reihe ist eine gewisse Achterbahnfahrt und eine Visual Novel-Mystery-Adventure-Rätsel-noch-ein-paar-Genres-Reihe, die es in sich hat. 999: 9 Hours, 9 Persons, 9 Doors hat mich direkt gepackt und ich war sehr angetan, aber mein persönlicher Favorit ist und bleibt: Virtue’s Last Reward. Es ist eine großartig erzählte Geschichte, die zwar das ein oder andere Problem mit der engen Verknüpfung zum dritten Teil aufweist, aber trotzdem: Hier stimmt für mich einfach alles. Ich hatte einen Riesenspass mich durch Räume zu Rätseln, die Zusatzinfos zu ergattern, die verschiedenen Endings zu ergründen und letztlich alles zusammenzufügen. Vollkommene Begeisterung. Entsprechend war ich doch letztlich von Zero Time Dilemma etwas enttäuscht, auch wenn es beileibe kein schlechtes Spiel ist. Es hat seine Momente, aber geht für mich persönlich gerade vom Ton her in eine Richtung, die es nicht brauchte, und bestimmte Parts der Auflösung haben mir ein ‘WAS?’ entlockt. Und nicht die gute Variante. Trotzdem würde ich jedem empfehlen, der Reihe eine Chance zu geben. Mindestens Teil eins und zwei, aber dann ist man ohnehin verpflichtet, sich auch das Finale anzuschauen. Es lohnt sich wirklich. Wer Rätsel und Mystery mag, muss es zumindest einmal versucht haben. Aber immer daran denken, es sind immer noch Visual Novels: Wer nicht lesen will, ist hier Fehl am Platz. Es wäre aber eine Schande, sich davon abhalten zu lassen. Und wer übrigens nicht genug von dem ganz eigenen Charme und Humor des oft erwähnten Herrn Kotaro Uchikoshi bekommen kann, sollte ein Auge auf AI: Somnium Files werfen, das im Herbst 2019 erschien. Ausnahmsweise sind dort die Gegner aber keine miesepetrigen Türen.

Mort

Mort hat 'Wie? Nicht auf Lehramt!?' studiert und wühlt sich mit trüffelschweiniger Begeisterung durch alle Arten von Geschichten. Animes, Mangas, Bücher, Filme, Serien, nichts wird verschmäht und zu allem Überfluss schreibt er auch noch gerne selbst. Meist zuviel. Er findet es außerdem seltsam von sich in der dritten Person zu reden und hat die Neigung, vollkommen überflüssige Informationen in sein Profil zu schreiben. Mag keine Oliven.

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