Traverse
Wenn ein Martial-Arts-Meister auszieht, um sein Töchterchen mit Faust und Fuß vor einer bösen Organisation zu retten, hofft man auf einen spannenden Thriller mit Badass-Momenten oder auf eine launig dynamische Kampfkunst-Parade, vielleicht mit einem mal mehr mal weniger üppigen Spritzer aus der Humor-Tube. Traverse von Yuuki Okada, der im August 2020 auf der Online-Variante des Japan-Filmfests seine Premiere feierte, läuft kopfschüttelnd an all diesen Optionen vorbei, versucht in die B-Movie-Schublade zu krabbeln, plumpst aber elegant wie ein Walross beim Ballett zu Boden und rollt unter die Kommode.
Karatemeister Jun marschiert mit Adoptivtöchterchen Rina und Mutter Aki auf ein Feuerwerksfestival, aber die werte Frau Mama erdreistet sich nach ein paar wirren Kamera-Schwenks und bedrohlicher Musik sowie einem Fast-Forward in die Zukunft off-screen das Zeitliche zu segnen. Anschließend begrüßt ein Schlag mit der Expositions-Gedenk-Gebets-Keule samt Flashback – nur echt mit Strahle-Filter und ‘Wusch’-Sound – und wir landen einige Zeit nach dem Ableben der Familienvorstandsfrau. Jun hat sich, wie es sich gehört, ein Alkoholproblem angetrunken, sein Dojo geschlossen und Rina muss in die Rolle der Kochschürzenträgerin des Hauses schlüpfen. Unheil wartet aber bereits, denn selbstverständlich war das vorzeitige Ableben kein simpler Selbstmord, sondern ein waschechter Fremdmord, ausgeführt von einer finsteren Organisation. Deren Chef fühlte sich von den journalistischen Bemühungen Akis auf die schwarze Augenklappe getreten und hat es jetzt auch auf den Rest der Familie abgesehen.
Geschichte mit viel Holz
Originaltitel | Traverse |
Jahr | 2020 |
Land | Japan |
Genre | Martial Arts, Thriller |
Regie | Yuuki Okada |
Laufzeit | 96 Minuten |
Die Handlung von Traverse ist nicht der Rede wert und würde im Normalfall an jedem mit einem freundlichen Winken vorbeiziehen. Man gönnt ihr ein höfliches Nicken, wartet aber eigentlich darauf, dass die ersten Tritte fliegen. Es fällt aber tatsächlich schwer, sie einfach in den Hintergrund zu schieben, da die Präsentation hölzerner ist als die Augsburger Puppenkiste. Azubi-Damsel Rina jongliert mit den Worten, als wären sie Backsteine, kann sich dabei nicht immer ganz auf passende Emotionen oder Gesichtsausdrücke einigen, während der Maulschellenmeister Jun sich dieses Problems gekonnt entzieht, indem er einfach konsequent bei einer Mimik bleibt, die irgendwo zwischen mürrisch und ‘5 Uhr morgens war doch zu spät gestern’ liegt. Wenn die Handlung Fahrt aufnimmt, wird das nicht besser, aber zumindest bringt die Gegnerschaft ein wenig mehr Farbe mit. Der Gangsterboss und offensichtlicher Piratenenthusiast hat sich freudig in der Klischee-Kleiderkiste gewälzt und sein treuester zusselhaariger Handlanger wirkt wie ein Gothic-Pumuckel in der Sinnkrise, dem nicht gesagt wurde, dass ‘Drunken’-Style nicht zwangsläufig wörtlich zu nehmen ist. Tatsächlich liefert er aber auf seine Art die erinnerungswürdigste Performance ab dank overacteter Bedrohlichkeit.
Bitte nicht nochmal!
Neben genereller Holprigkeit könnte man noch anmerken, dass die Geschichten so große Lücken lässt, das eine Schwertransport-Kolonne samt Karnevalszug und Elefantenherde bequem in der Lage wäre, durchzupoltern ohne anzuecken, aber wenn man die Worte ‘Karate-Großmeister’ hört, erwartet man keine rauchenden Köpfe, sondern solche, die mit Faust und Fuß kollidieren. Man würde nun erwarten, dass mit einem echten Experten im Zentrum des Ohrfeigenorchesters da doch zumindest ein befriedigender Roundhousekick eine fremde Brust zum brechen und die eigene zum anschwellen bringt. Die Formulierung des Satzes sollte schon erahnen lassen, wie sicher sich diese Hoffnung wiegen lässt. Die Kampfsequenzen sind meist ein hektisches Rumgezappel unterbrochen von Zeitlupenaufnahmen gerade gezeigter Moves mit seltsam körnigen Filter, als hätte jemand unaufgefordert mit der Effektbox gespielt. Die Wiederholungen präsentieren dann noch einmal besonders eindrucksvoll und im Detail, wie ein Tritt gekonnt am Gesicht des wartenden Handlangers vorbeifliegt. Pflichtbewusst wie sie sind, werfen sie sich trotzdem zu Boden, um den Moves Respekt zu zollen. Generell hat sich die böse Organisation – Sasori heißt sie übrigens, keine Sorge, muss man sich nicht merken – die höflichsten Henchmen aller Zeiten engagiert. Noch nie haben Leute so bereitwillig gleich beide Wangen hingehalten, um sich nacheinander die Schwarzkappen zurechtprügeln zu lassen. Wirklich nette Burschen und Burschinnen des Bösen.
Aber in Animes klappt das doch auch …
Jedoch Ehre, wem Ehre definitiv nicht zusteht: Der Endkampf zwischen Jun the Stoneface und dem schwertschwingenden Drunk-Pumuckel ist ein erstaunliches Erlebnis, da er es schafft, gleichzeitig holprig und überdreht zu sein. Es schwankt zwischen Rentnergymnastik und übereifrigen Anime-Fans, die Kampfszenen aus ihren Lieblingsserien nachahmen, mit selbstgemachten Sound-Effekten. Jun hat nämlich die Angewohnheit, mitunter wie ein Tänzer herumzuwackeln, der verzweifelt versucht, eine Bande Käfer aus der Hose zu schütteln, untermalt aber das Ganze, um sich nichts anmerken zu lassen, mit windigen ‘Wuuuschh’-Geräuschen. Eventuell zielt er auch auf eine Wellen-Performance ab, aber eine die vom Meer ausgemustert und an irgendeinen entlegenen Strand zwangsversetzt wurde. Aber immerhin hat man sich so direkt das Effekt-Team gespart. Clever. Man kommt auch wirklich nicht umhin, unfreiwillig zu lachen, wenn sich zwei Nicht-Anime-Männer gegenseitig im Schnitt-Gegenschnitt anschreien und aufeinander zustürmen. Oder ihre Gesichter verzerren, wenn sie einen dieser ‘Faust trifft auf Faust und beide sind so mächtig’-Momente haben. Man grätscht dann zwischen Fremdscham und Belustigung. Um dem tatsächlichen Comedy-Faktor Rechnung zu tragen, sei dann noch auf eine Szene verwiesen, bei der sich ein Handlanger mit Nunchakus selbst verprügelt samt Pflichttreffer in die Weichteile, die so uninteressiert unwichtig inszeniert wird, das es fast schon wieder für ein Schmunzeln reicht. Fast.
Fazit
Traverse ist zu billig für einen B-Movie, aber auch der Trash-Faktor ist zu mittelmäßig um dem ganzen die begehrte ‘So bad, it’s kinda good’-Plakette anzuheften. Man kann ihn getrost vollkommen ignorieren; er ist die Zeit schlicht nicht wert. Dabei sind es vor allem die wirr-verkorksten Kampfsequenzen, die vehement die Sargnägel einschlagen. Wären sie zumindest konsequent überdreht oder übertrieben, könnte man dem Ganzen einen gewissen Charme zusprechen. So applaudiert man allerhöchstens den Handlangern, die es schaffen, sich auch von dem leichtesten Luftzug zu Boden schicken zu lassen. Erneut: Wunderbar höfliche Truppe. Sehr zu empfehlen, falls ein angehendes Verbrechersyndikat mal einen extrem unwichtigen Hintereingang zu einem fauligen Kohlkopflager bewachen lassen möchte. ‘Die Schwarzkappen. Höfliche Handlanger für mich und dich – Kompetenz kann schließlich jeder.’ Genug der Werbung. Traverse ist schlicht nicht der Rede Wert und selbst für die absolut fanatischsten Genre-Fans mit enormen Alkoholarsenal keinen Blick wert. Faust drauf.
© Yuki Okada