The Boys (Staffel 2)
Netflix hat mit Stranger Things, You – Du wirst mich lieben und Haus des Geldes einige heiße Serien-Eisen im Feuer, auf die andere Streamingdienste neidisch sein können. Anders sieht es da auf der Seite von Amazon Prime Video aus. Doch mit The Boys gelang 2019 ein echter Überraschungshit, der für lang anhaltenden Gesprächsstoff sorgte und das in einem vollkommen übersättigten Markt an Superhelden-Stoffen. Mit allen Konventionen brechend, schonungslos und einem Gewalt-Level, das die Konkurrenz erblassen lässt, hat Showrunner Eric Kripke (Supernatural) eine Nische gefunden, an die bislang niemand gedacht hatte. Zwar arbeitete sich The Boys in Staffel 1 am Idealbild eines Superhelden ab, nicht aber unbedingt an den gängigen Erzählmustern. Das ändert sich auch in der zweiten Staffel nicht, wenngleich diese frischen Wind und einen End-Twist mit Karacho mitbringt. Amazon Prime Video strahlte die zweite Staffel der Adaption des Garth Ennis-Comics auf wöchentlicher Basis zwischen September und Oktober 2020 aus, sodass die gesamte Staffel nun allen Abonnenten zur Verfügung steht. Auch dieses Mal tun sich wieder gesellschaftspolitische Themen auf, sodass die Serie zeitweise sogar aktuelle Bezüge zu den USA zulässt.
The Boys sind auf der Flucht vor dem Gesetz und gelten fortan als Staatsfeinde. Gleichzeitig kommt es zu neuen Gruppierungen, um Vought zu bekämpfen. Mit dabei: Hughie (Jack Quaid, Rampage – Big Meets Bigger), Mother’s Milk (Laz Alonso, Avatar – Aufbruch nach Pandora), Frenchie (Tomer Capon, Ein Tag wie kein anderer ) und Kimiko (Karen Fukuhara, Suicide Squad). Derweil sucht Starlight (Marvel’s Jessica Jones) ihren Platz bei „The Seven“, während von Butcher (Karl Urban, Star Trek) jede Spur fehlt. Homelander (Antony Starr, Banshee – Small Town. Big Secrets.) will die Kontrolle an sich reißen, erhält jedoch Konkurrenz durch Stormfront (Aya Cash, The Wolf of Wall Street), die ihre eigenen Ziele verfolgt. Die Zahl gefährlicher Superschurken nimmt derweil drastisch zu und Vought versucht aus der Paranoia Kapital zu schlagen …
Profitgier formt Superhelden
Originaltitel | The Boys |
Jahr | 2020 |
Land | USA |
Episoden | 8 |
Genre | Action, Science-Fiction |
Cast | Billy Butcher: Karl Urban Hughie Campbell: Jack Quaid Homelander: Antony Starr Annie January/Starlight: Erin Moriarty Queen Maeve: Dominique McElligott A-Train : Jessie T. Usher Stormfront: Aya Cash Madelyn Stillwell: Elisabeth Shue |
Seit 9. Oktober 2020 komplett auf Amazon Prime Video |
Die erste Staffel The Boys zeigte Superhelden, wie wir sie für üblich nicht sehen. Eine Industrie, die sich um Helden herum aufbaut mit Werbeverträgen, Sponsoring und Social Media. Auswüchse einer kapitalistischen Gesellschaft, die vollkommen realistisch wäre, gäbe es denn Superhelden. Die zweite Staffel knüpft an diese Idee an und zeigt am Beispiel von Stormfront, welche Auswirkungen das Fehlverhalten einer Superheldin auf die Gesellschaft haben kann, wenn Angst und Hass gestreut werden. Helden sind nun einmal keine Märtyrer, sondern in der Welt von The Boys echte Arschlöcher und Marionetten, während andere die Fäden spinnen. In Staffel 2 sind da zum einen der Konzern Vought, zum anderen die Institution der Kirche. In beiden Fällen geht es darum, den Superhelden eine Ideologie aufzuzwingen und sie für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Ein Schelm, wer da an die großen Konzerne unserer Welt denkt, denen jedes Mittel recht ist, um weitere Marktanteile und Wachstum zu generieren.
Charakterentwicklung und Splatter-Orgie mit hohem Body Count
Diese Mechanismen und das Bündel an Macht und Verantwortung gehen nicht spurlos an den Helden vorbei, wie Staffel 2 immer und immer wieder unter Beweis stellt. In keiner anderen Serie des Super Hero-Segments tummeln sich so viele Soziopathen und psychopathische Wracks wie hier. Homelander, noch immer als erstes mit der legendären Flugzeugszene aus Staffel 1 in Verbindung gebracht, dreht in dieser Staffel noch heftiger am Rad. Der Konkurrenzkampf mit Stormfront nimmt üble Ausmaße an und gipfelt in einem Fest der Perversitäten. Stormfront ist aber nicht einfach nur ein Charakter, der Homelanders Entwicklung vorantreiben soll, sondern wirft ganz neue Perspektiven auf. Generell nicht nur auf ihren Führungsstil, sondern vor allem ist es Ideologiekritik, welche die Serie fortlaufend übt. Homelander reift allmählich und wenn er erstmals als (wenngleich problematische) Vaterfigur für Ryan auftritt, sind das tatsächlich neue Seiten, die an ihm entdeckt werden dürfen. Man möchte meinen, dass soviel Charakterfokus dazu führen könnte, dass der deftige Gewaltpegel der ersten Staffel abgemildert sein könnte. Allerdings sind sich die Verantwortlichen vollkommen bewusst, dass genau diese überspitzte Darstellung zur Beliebtheit der Serie beiträgt. Und getreu der Steigerung, die eine Folgestaffel mit sich bringen muss, wird noch mehr gesplattert. Besonders deutlich wird das an all den platzenden Köpfen, die die Staffel zu bieten hat. In manchen Szenen fliegen Fleischbrocken und Blutfontänen nur so durch die Gegend. Nie inflationär eingesetzt, dafür immer entweder dem Humor oder der Eindringlichkeit der Szene wegen.
Ein Kritikpunkt der ersten Staffel wird ausgemerzt
Stormfront ist ohne Frage dazu da, das Leben aller Beteiligten ins Chaos zu stürzen und möglichst viel Schaden anzurichten. Jedes Wort zu ihrer Hintergrundgeschichte wäre eines zuviel. Das Drehbuch geht ganz unverblümt mit dem denkbar stärksten Tobak um, um sie zu einem möglichst hassenswerten Charakter zu formen. Sie entwickelt sich zu einer echten Hassfigur, gegen die Homelander schon wieder freundlich wirkt. Während der ersten Staffel kamen kritische Stimmen auf, dass die weibliche Seite unterrepräsentiert sei. Das ändert sich mit der zweiten Staffel, denn die weibliche Belegschaft steht deutlich im Vordergrund. Die männlichen Charaktere müssen etwa in einer Szene zusehen, wie sich Maeve (Dominique McElligott), Starlight und Kimiko einen unerbittlichen Kampf mit Stormfront liefern, der es in sich hat. Für die zweite Staffel wurden zudem weitere weibliche Figuren entwickelt, die in der Vorlage noch männlich sind: Stormfront ist an vorderster Stelle zu nennen, aber auch Victoria Neumann, die im Comic noch Viktor K. heißt. Kimiko, die in der ersten Staffel nur als Stichwortgeberin auftritt, bekommt ebenfalls einen eigenen Handlungsstrang. Auf diese Weise wird sie eine ernstzunehmende, ausgearbeitete weibliche Figur in den Reihen der superhelden-jagenden Boys.
Andere rücken in den Hintergrund
Bei soviel weiblicher Dominanz geraten andere Figuren umso stärker in den Hintergrund. Besonders davon betroffen sind The Deep und A-Train, die zwar insgesamt wichtige Positionen einnehmen, deren Präsenz allerdings wesentlich geringer ausfällt. Ausgebaut werden auf der anderen Seite die romantischen Elemente, für die Hughie und Starlight verantwortlich sind. Sie sorgen für durchaus süße Szenen und man nimmt ihnen die frische Romanze vollkommen ab. Das sorgt für Herzlichkeit, aber auch inhaltliche Verschnaufpausen. Zwischendurch dürfen wir Shawn Ashmore erleben, der nach seiner Rolle als Iceman in X-Men erneut in die Rolle eines Superhelden schlüpfen darf: Sein Charakter, der Kronzeuge Lamplighter, fand in Staffel 1 nur Erwähnung, darf nun aber erstmals in Aktion treten. Immerhin hat Starlight seinen Posten eingenommen. Dabei bleibt er lange Zeit wenig durchschaubar und trägt zu einer der aufregendsten Szenen der Staffel bei. Damit sind keineswegs die Superhelden-Pornos gemeint, die er sich nur zu gerne reinzieht. So etwas kann es auch nur in The Boys geben: In keiner anderen Superheldenserie ist Sexualität präsent und schon gar nicht im pornografischen Stil.
Das Finale hat es in sich und stellt die Weichen für Staffel 3
Besonders das Finale hat es absolut in sich und ist an Dramatik kaum zu überbieten:
Fazit
Mit Staffel 2 toppt sich die Serie noch einmal selbst. The Boys fühlt sich in seiner Themenwahl unheimlich aktuell an: Rassenhass, Manipulation, #metoo und Medien(wirkung) in geballter Form. Trotz der Fülle an Themen und dem hohen Action-Anteil bleibt erstaunlich viel Zeit um die Tragik der einzelnen Charaktere weiter auszuloten. Dieser Punkt ist besonders hervorzustellen: The Boys lässt seine Figuren eine Entwicklung durchlaufen, die vergleichbare Serien in deutlich geringerem Maße erfahren dürfen. Ein Beispiel dafür ist Butcher, dem bislang lediglich Becca wichtig zu sein schien, doch nach dieser Staffel steht auch sein Verhältnis zu Hughie in einem anderen Licht. Und dessen Beziehung zu Starlight (welche die Staffel mit einem fantastischen Gesangsstück einleitet) entwickelt sich ebenfalls prächtig. Dazu machen die Schauspieler alle zumindest einen guten, wenn nicht herausragenden Job. Spätestens jetzt sollte jeder die Serie auf dem Radar haben.
© Amazon Prime Video