Star Trek: Discovery (Folge 3×02)
Und? Hat jemand in Folge 1 der dritten Staffel von Star Trek: Discovery etwas vermisst? Ein Raumschiff etwa? Keine Sorge, nach dem Einstieg mit einem Solo-Auftritt für Michael Burnham lässt Folge 2 das Publikum nicht im Regen stehen. Die Discovery ist auch da. Mit der ganzen Crew und all den zwischenmenschlichen Kabbeleien, die so eine große Gruppe Menschen auf engem Raum mit sich bringt. Außerdem gibt es einen fremden Planeten, parasitäres Eis und einen Abstecher in den Wilden Westen des Jahres 3189. Und Michael Burnham hat eine neue Frisur. Offenbar gibt es auch in der Zukunft und auf fernen Planeten Friseure, die auf viele lange Zöpfchen spezialisiert sind.
Wie Michael eine Folge zuvor purzelt die Discovery durch das Wurmloch und legt eine Bruchlandung auf einem unbekannten Planeten hin. Auf einem Gletscher, inmitten malerischer Landschaft, die sehr an Island erinnert. Das Schiff ist schwer beschädigt, Antrieb und Kommunikationssystem sind ausgefallen. Unklar ist, wo und wann sie gelandet sind, Kontakt mit Michael Burnham ist nicht möglich. Während die Crew sich an die Reparatur der verschiedenen Havarien macht, brechen Saru und Tilly auf, um mit den Bewohnern Kontakt aufzunehmen und hoffentlich ein besonders wichtiges Teil reparieren zu lassen. Sie finden eine heruntergekommene Minenstadt mit einer schäbigen Kneipe, wo sie erst einmal mit Phasern bedroht werden. Es gelingt ihnen, sich friedlich zu einigen, ihr Gerät reparieren zu lassen und die Grundzüge der Welt von 3189 kennenzulernen. Da betritt der Kurier Zareh und seine Schergen die Kneipe. Zareh beutet schon seit langem die hilflosen Minenarbeiter aus. Seit dem Niedergang der Föderation kann er in diesem gesetzlosen Winkel des Universums nach Herzenslust erpressen und tyrannisieren und durch die Dilithiumknappheit sind die Bewohner der Minenstadt von ihm und seinen Lieferungen völlig abhängig. Auch die Discovery betrachtet er als leichte Beute, hat aber seine Rechnung ohne Georgiou gemacht. Die war Saru und Tilly gefolgt und Zarehs Schergen in die Arme gelaufen. Ihr genügen ein paar Kampfkunst-Moves, um den Schurken auf die Bretter zu schicken. Jetzt ist die Discovery zwar wieder startklar, aber die Nacht ist hereingebrochen und das parasitäre Eis des Gletschers wuchert über das Raumschiff. Ein Start scheint unmöglich, da erscheint ein Raumschiff über ihnen und nimmt die Discovery in seinen Traktorstrahl. Als sie herzklopfend mit dem fremden Schiff Kontakt aufnehmen, strahlt sie auf dem Bildschirm eine überglückliche Michael Burnham an. Die war auf dem selben Planeten angekommen, nur ein Jahr zuvor und freut sich wie ein Honigkuchenpferd über das langersehnte Wiedersehen.
Die Discovery ist wieder da!
Eine Folge, in der garantiert keine Fremdheitsgefühle aufkommen, denn alles ist so, wie es sein soll. Ein Raumschiff, das durch das All taumelt, Aufregung auf der Brücke, Leute, die einander Anweisungen zubrüllen und dabei wild schwanken, um zu zeigen, wie sehr das Raumschiff schlingert. Und die ganze Crew ist am Start, all die Charaktere, die man in den vergangenen zwei Staffeln lieben oder hassen gelernt hat. Saru macht als Käptn eine richtig gute Figur. Fähnrich Tilly gerät immer noch ins Dauerquasseln, wenn sie aufgeregt ist. Das schwule Pärchen hat wieder Gelegenheit für liebenswertes Paargeplänkel. Jett Reno macht wieder beißend sarkastische Bemerkungen. Detmer landet die Discovery meisterhaft, aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Und Philippa Georgiou bildet genau den richtigen Gegenpol zu Sarus Prinzipientreue. Wir erinnern uns: eigentlich ist sie gar nicht Philippa Georgiou, sondern eine bösartige Imperatorin aus einer anderen Dimension, die vorgibt, Georgiou zu sein. Dementsprechend favorisiert sie munter tyrannischen Führungsstil und stete Gewaltbereitschaft, wo Saru für Menschlichkeit und friedliches Miteinander eintritt. Da sie von Michelle Yeoh (Tiger and Dragon) dargestellt wird, hat sie immer wieder Gelegenheit für hübsche Kampfkunst-Einlagen. Und ihre zynischen Sprüche machen ganz besonders Spaß. Eine gute Idee, sie als Gegengewicht zu Saru einzusetzen, sonst käme sein Star Trek-typisches Eintreten für Frieden, Menschlichkeit, Gerechtigkeit etc. in die Gefahr, abgedroschen oder gar verlogen zu klingen. So hat er eine Gegnerin, gegen die er seine Ideale immer wieder durchsetzen muss, und die deutlich macht, wie die Welt aussehen könnte, wenn er das nicht täte.
Wo die Föderation geht, kommt der wilde Westen
Folge 1 hat es schon angedeutet: wo die Föderation an Bedeutung verliert, regiert die Gesetzlosigkeit. Der Naturschutz zum Beispiel. Vom Aussterben bedrohte Aliens werden nicht mehr geschützt, sondern als Delikatesse verspeist. Folge 2 malt das weiter aus. Mit einem Szenario, das überdeutlich Versatzstücke des Westerns benutzt. Ein Sci-Fi/Western Crossover ist wahrlich keine originelle Idee mehr, kann aber gut aussehen. Ob Star Trek zu Zeiten von Käptn Kirk, der auch schon mal im wilden Westen landete. Oder in letzter Zeit, bei The Mandalorian, das die Western-Elemente des Star Wars-Universums hervorkitzelt. Star Trek: Discovery macht es ganz plakativ: Da schwingen Saloon-Türen. Da dröhnen Stiefel mit klingenden Sporen über staubige Bretter. Da werden Fremde im Saloon mit gezückten Revolvern, äh… Phasern begrüßt. Und ein fieser Outlaw darf ölig und selbstgewiss Schurkensprüche klopfen und Unschuldige niederschießen, weil er das eben kann. Weil ihm niemand Einhalt gebietet. Weil es in dieser Stadt keinen Sheriff mehr gibt. Die Föderation existiert, wie in Folge 1 nur als vage Erinnerung. Beziehungsweise als Hoffnungsfunken. Nun, immerhin haben Saru, Tilly und Georgiou als Repräsentanten einer besseren Zeit den einen Schurken in seine Schranken verwiesen. Da kommt wohl in den nächsten Folgen oder gar Staffeln noch eine Menge Arbeit auf sie zu.
Meinung
Wieder eine Einzelfolge. Episode 1 hatte neben viel Information und einer neuen Figur eine kleine abgeschlossene Geschichte, in der sich Books Diebereien als Beitrag zum Naturschutz herausstellten: die gestohlene Fracht war ein seltenes Alien, das am Ende fröhlich durchs Wasser tollen durfte, anstatt verspeist zu werden. Episode 2 funktioniert genauso, nur dass jetzt Schiff und Crew dabei sind. Ankunft auf einem fremden Planeten, Exkursion zu den Bewohnern, Schlagabtausch mit dem Schurken der Woche, ausgebeuteten Bewohnern geholfen, Gutes getan. Weiter geht’s. Ganz oldschool und mit Wohlfühlfaktor. Und jeder hat einen Moment, um zu glänzen. So kann es gern weitergehen.
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