Stolz und Vorurteil und Zombies

Stolz und Vorurteil? Ein Klassiker der britischen Literatur, unzählige Male verfilmt. Weil elegante Gesellschaftssatire in geschmackvoll eingerichteten Salons so fotogen ist. Und dazu Zombies? Die lebenden Toten aus dem Schmuddel-Genre, das von Schockeffekten mit viel Kunstblut und Latex-Gedärm lebt? Wer ist denn auf so eine durchgeknallte Idee gekommen? Romanautor Seth Grahame-Smith steht wohl auf solche Crossover des Grauens, immerhin stammt von ihm auch der Roman Abraham Lincoln, Vampirjäger. 2016 schaffte es sein Versuch, aus Jane Austen (Emma) und George Romero (Die Nacht der lebenden Toten) ein Paar machen, auf die große Leinwand.

   

England, 1811. Für junge Damen des niederen Landadels besteht das Leben aus Bällen, Teegesellschaften und der Aufgabe, einen möglichst wohlhabenden Ehemann zu angeln. Auch Elizabeth Bennet (Lily James, Downton Abbey) und ihre vier Schwestern widmen sich diesem Lebensentwurf. Wenn nur Mr. Darcy (Sam Riley, Maleficent – Die dunkle Fee) der interessante Junggeselle aus der Nachbarschaft, nicht ein so arroganter Schnösel wäre. Der möglicherweise sogar die aufkeimende Liebe zwischen Elizabeths Schwester Jane (Bella Heathcote, Relic –  Dunkles Vermächtnis) und Mr. Bingley (Douglas Booth, Mary Shelley – Die Frau, die Frankenstein erschuf) sabotiert, weil die Bennets nicht reich und adelig genug für die Bingleys sind. Kompliziert wird die Sache noch dadurch, dass Zombiehorden durch England ziehen und das beschauliche Landleben bedrohen. Doch da die Bennet-Schwestern alle eine Kampfausbildung genossen haben, haben die untoten Gehirnfresser jede Menge kampferprobte Gegnerinnen vor sich.

Die Proleten unter den Filmmonstern

Originaltitel Pride and Prejudice and Zombies
Jahr 2016
Land USA, Großbritannien
Genre Horror
Regie Burr Steers
Cast Elizabeth Bennet: Lily James
Colonel Fitzwilliam Darcy: Sam Riley
Mr. Collins: Matt Smith
Jane Bennet: Bella Heathcote
Mr. Bingley: Douglas Booth
Lydia Bennet: Ellie Bamber
Lieutenant Wickham: Jack Huston
Mr. Bennet: Charles Dance
Lady Catherine de Bourgh: Lena Headey
Laufzeit 107 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 28. Oktober 2016

Wer wohl diesen Satz geprägt hat, der einen immer wieder angrinst, wenn es um Zombies geht? Hier passt er jedenfalls richtig gut. Ein Vampir hätte in einem Salon der Jane Austen-Zeit eine gute Figur gemacht. Zombies sind das krasse Gegenbild zu dieser kleinen, abgeschotteten Adelswelt, in der Dienstboten unsichtbar sind und das gemeine Volk nur ganz am Rande mal ins Bild kommt. Sie haben kein Benehmen, keinen Sinn für Kultur und sie sehen eklig aus. Sie stören die gepflegte Gesellschaft, denn alles, was sie wollen, ist ihren unersättlichen Hunger zu stillen. Stolz und Vorurteil und Zombies holt aus dieser Prämisse eine Menge heraus und entwickelt noch ein wenig weiter: Da gibt es auch die Zombies, die sich statt von menschlichem Gehirn von Schweinehirn ernähren und so menschlich und harmlos bleiben könnten. Aber dann stürmen sie doch unter Führung von Mr. Wickham (Jack Huston, The Irishman) auf die Lebenden los. Der ist in der Vorlage eigentlich nur ein Störenfried, der mehr Geld ausgibt als er hat, junge Damen verführt und mit der Wahrheit eher kreativ umgeht. Hier wird er zum Schluss zum untoten Anführer einer Revolutionsarmee, die die Landhäuser der Reichen stürmt.

Kung Fu und Kampfkorsetts

Klavierspiel und gepflegte Konversation – das waren zu Jane Austens Zeiten die Fähigkeiten, die von jungen Damen erwartet wurden. In der Welt von Stolz und Vorurteil und Zombies kommt noch Nahkampf hinzu. Denn angesichts der Zombie-Bedrohung ist es Sitte geworden, Söhne wie Töchter in asiatischen Kampfkünsten auszubilden. Die Reichen schicken ihren Nachwuchs nach Japan, die Weisen – oder vielleicht die nicht so gut Betuchten – nach China. Und so haben die Bennet-Töchter im Shaolin-Tempel Kung Fu erlernt, während Mr. Darcy auch mal das Katana schwingt. Diese Grundprämisse sorgt für Kampfkorsetts und sexy an den Oberschenkel geschnallte Dolche. Und für eine Menge Kampfszenen, in denen Frauen in zarten Musselin-Kleidchen Zombies niedermetzeln. Das macht Spaß. Erstaunlicherweise beißt sich das überhaupt nicht mit den Geschlechterrollen des frühen 19ten Jahrhunderts, die ansonsten unverändert stehenbleiben. Nur der unangenehme Mr. Collins (Matt Smith, The Crown) merkt an, dass seine Zukünftige das Kämpfen wohl aufgeben müsse, weil sich das für eine Pfarrersfrau nicht ziemt. Aber der ist ja auch kein Sympathieträger.

Eine Literaturverfilmung?!

Trotz hirnfressender Untoter und im Shaolin-Tempel ausgebildeter Kampfkünstlerinnen schafft Stolz und Vorurteil und Zombies es, fast die gesamte Handlung der Vorlage zu verarbeiten. Denn eine Geschichte um eine junge Frau, die sich über die vermeintliche Arroganz eines jungen Mannes besonders deshalb ärgert, weil sie ihn eigentlich attraktiv findet und das nicht zugeben mag, funktioniert auch, wenn die Dame einen Dolch unter dem Empire-Kleidchen trägt und der Herr mit den Katana in der Hand Zombies jagt. Dass die Konfrontation der beiden mit gezogenen Stichwaffen stattfindet, bietet Stoff für eine gelungene Parodie des altbekannten Stoffs. Am Verlauf ändert das kaum etwas: sie räumen die Missverständnisse aus dem Weg und finden zueinander. Und auch die anderen Bennet-Schwestern finden auf dem provinziellen Heiratsmarkt des Landadels den Mann fürs Leben. Dass prompt nach der Hochzeit schon wieder Zombie-Horden heranstürmen, ist eher ein lustiger Schnörkel, der das Tor für eine Fortsetzung aufmacht.

Fazit

Eigentlich gehe ich Zombiefilmen eher aus dem Weg. Stolz und Vorurteil und Zombies war eine Gelegenheit, mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Der Film bekommt schon für die irrwitzige Grundidee eine Menge Sympathiepunkte. Noch mehr davon, weil er es schafft, beiden so weit auseinanderliegenden Genres gerecht zu werden, ohne eins davon zum bloßen Gag-Lieferanten herabzustufen. Zombie-Fans hätten sich vielleicht weniger geschliffene Dialoge und dafür mehr Blut und Gedärm gewünscht, auf Liebhaber von Literaturverfilmungen wartet ein Seherlebnis der ganz unerwarteten Art. Kinogänger mit einem weitgefächerten Filmgeschmack und einem Sinn für intelligent gebaute Crossover können an Stolz und Vorurteil und Zombies viel Spaß haben, besonders, wenn sie schon so einige Verfilmungen von Stolz und Vorurteil ohne Zombies gesehen haben.

© Universum Film (UFA)


Veröffentlichung: 28. Oktober 2016

 

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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