Der Doktor und das liebe Vieh (Staffel 1)

„Heute war es schlimm. Wir mussten den Hund einschläfern.“ Jahrelang sorgte dieser Satz bei uns zuhause für Heiterkeit auf Kosten meines kleinen Bruders, der irgendwann in den 80ern an einer Folge der BBC-Serie Der Doktor und das liebe Vieh deutlich mehr Anteil nahm, als er eigentlich zugeben wollte. Zwischen 1977 und 1990 konnte man sieben Staffeln lang die kleinen und großen Abenteuer des britischen Landtierarztes James Herriot mit kranken Tieren und den Seelennöten ihrer Besitzer verfolgen und sich in der Tierarztpraxis im ländlichen Yorkshire der 30er Jahre so richtig zuhause fühlen. 2020 schickte die BBC ein Remake des Klassikers ins Rennen.

 

1937 hat der junge James Herriot aus Glasgow sein Studium der Tiermedizin abgeschlossen und tritt seine erste Stelle an: im malerischen Städtchen Darrowby im Norden Englands. Der Job ist durchaus eine Herausforderung: Die Bauern, deren Tiere er behandelt, sind brummig und voller Misstrauen gegenüber dem Neuling aus der Stadt. Sein Chef, der Tierarzt Siegfried Farnon ist chronisch überarbeitet, ungeduldig und cholerisch. Eigentlich sollte Tristan, Siegfrieds jüngerer Bruder und Student der Tiermedizin, sich in der Praxis nützlich machen, doch der ist notorisch unzuverlässig und eher im Pub anzutreffen als bei der Arbeit. Doch zwischen hustenden Kühen und übergewichtigen Schoßhündchen, der eigenen Unsicherheit und Tristans Eskapaden wächst James allmählich in seine Aufgabe hinein. Und da ist da noch die Bauerntochter Helen, der James schüchtern näherkommt.

Neuauflage eines alten Dauerbrenners

Originaltitel All Creatures Great and Small
Jahr 2020
Land Großbrittanien, USA
Episoden 7 (in Staffel 1)
Genre Komödie, Drama
Cast James Herriot: Nicolas Ralph
Siegfried Farnon: Samuel West
Tristan Farnon: Callum Woodhouse
Mrs Hall: Anna Madeley
Mrs. Pumphrey: Diana Rigg
Hugh Hulton: Matthew Lewis
Dorothy: Maimie McCoy
General Ransom: Nigel Havers
Veröffentlichung: 26. März 2021

87 Folgen nudelte die BBC aus den acht autobiographisch geprägten Büchern des Landtierarztes James Alfred Wight alias James Herriot heraus, bis auch das letzte bisschen Material verfilmt war. Heraus kam eine Langzeit-Serie, die auch vom deutschen Publikum wegen ihres Gemütlichkeitsfaktors und dem Charme des britisch-provinziellen Schauplatzes geschätzt wurde. 25 Jahre später kann man das schon mal neu auflegen. Mittlerweile definitiv als Kostümdrama, denn die 30er Jahre sind ganz schön lang her. Und so punktet Der Doktor und das liebe Vieh, bevor auch nur ein krankes Tier seinen Auftritt hat, mit Ausstattung und Schauplätzen. Die Yorkshire Dales sind karg, grün und malerisch, man trägt Tweed und Strickpullunder und fährt wunderbare Oldtimer. So idyllisch, wie es aussieht, geht es eigentlich nicht zu, der Ton in der Tierarztpraxis ist rauh, die Bauern sind in ihrer Mischung aus Dickköpfigkeit, Geiz und Aberglauben eine schwierige Klientel und der Verlust eines Tiers kann Existenzprobleme schaffen. Der echte Alfred Wight muss eine harte Zeit durchgemacht haben, bevor er beschloss, sein Leben als heitere Kurzgeschichtensammlung zu Papier zu bringen. Und so kann fast jedes Problem bis zum Ende einer Folge zu einer versöhnlichen Lösung gebracht werden. Ganz im Stil der Vorlage.

Familienserie ohne Kernfamilie

Eigentlich sieht die Figurenkonstellation aus wie die klassische Kleinfamilie: Vater, Mutter, zwei Söhne. Doch es ist die Zeit, als alleinstehende Herren Haushälterinnen hatten und so werden die Rollen von einem älteren Bruder, dem Tierarzt Siegfried, seinem jüngeren Bruder Tristan, der Haushälterin Mrs. Hall und dem frischgebackenen Jung-Arzt James besetzt. Die Dynamik bleibt die Gleiche: „Papa“ Siegfried ist streng und fordernd, „Mama“ Mrs. Hall kümmert sich, der eine „Sohn“ will alles richtig machen, der andere macht Probleme und will doch eigentlich nur Anerkennung. Das reicht, um genügend Grunddynamik für eine Menge Folgen zu generieren, in denen das britische Landleben im Vordergrund steht und eine lange Reihe kranker Tiere und ihre Besitzer für das Problem der Woche sorgen, gemäß Siegfrieds Erfahrungssatz: Wer ein Tier behandelt, muss sich auch um den Besitzer kümmern. Und so sind der paarungsunwillige Stier oder die vertauschte Katze immer auch Gelegenheiten, die Probleme von Herrchen oder Frauchen zu beleuchten. Ein Konzept, das beliebig ausbaubar ist und dem Publikum unter anderem einen kleinen Auftritt von Diana Rigg (Mit Schirme, Charme und Melone) als exzentrischer Hundebesitzerin Mrs. Pumphrey beschert.

Fazit

Hübsch sieht sie aus, die Neuauflage von Der Doktor und das liebe Vieh. Malerische Landschaften, entzückende Kostüme. Aber so eine Serie funktioniert dann am besten, wenn man über lange Zeit Gelegenheit hat, sich mit den Figuren anzufreunden. Das kann eine Staffel mit gerade mal sieben Folgen noch nicht so recht leisten. Zumal, wenn man James in seiner Anfänger-Unsicherheit und Tristan mit seiner Unzuverlässigkeit nicht auf Anhieb charmant findet, sondern den einen eher für einen Langweiler und den anderen für eine Nervensäge hält. Aber bei der BBC arbeitet man schon an einer zweiten Staffel.

© Polyband/VWG


Veröffentlichung: 26. März 2021

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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