Agneepath

”Der gute Sohn der Mutter ist tot. Sie kann ihn suchen, aber sie wird den guten Sohn nicht finden”, so lauten die Worte des Protagonisten Vijay Deenanath Chavan, der einen kriminellen Weg beschreitet, um eine alte Rechnung zu begleichen. In dem Film Agneepath schlüpft Amitabh Bachchan (In guten wie in schweren Tagen) in die Rolle eines Gangsters und erreicht mit dieser nicht nur Kultstatus, sondern auch einen Meilenstein in seiner Karriere als Schauspieler. Unter der Regie von Mukul S. Anand (Trimurti) wurde 1990 ein Film auf die Kinoleinwand gebracht, der sich vom bunten und fröhlichen Bollywood löst und in die düstere Kerbe der Unterwelt einschlägt.

 

Der von allen respektierte Lehrer Dinanath Chavan plant das Dorf Mandwa mit Strom versorgen zu lassen. Er lebt dort mit seiner Frau Suhasini und seinen Kindern Vijay und Siksha. Doch die Entwicklungen des Dorfes stoßen beim korrupten Vermieter Dinkar Rao und dem Mafiaboss Kancha Cheena auf wenig Begeisterung. Kancha möchte mit seiner Gangsterbande eine Basis für den Drogenschmuggel auf Mandwa errichten, da das abgelegene Dorf, fernab von Recht und Ordnung, bestens dafür geeignet ist. Dinkar Rao sorgt auf Befehl von Kancha dafür, dass Dinanath in einen Skandal verwickelt wird und die manipulierten Dorfbewohner ihn daraufhin brutal lynchen. Nicht nur, dass Suhasini ihren Mann verliert und die Kinder ihren Vater, dann wird gleichzeitig noch das Haus verbrannt und die Familie steht mittellos dar. Nachdem sie aus dem Dorf vertrieben wurden, schwört Dinanaths Sohn Vijay sich zu rächen …

Von Rache getrieben, wird er zum Kriminellen

Originaltitel Agneepath
Jahr 1990
Land Indien
Genre Drama, Action, Krimi
Regie Mukul S. Anand
Cast Vijay Deenanath Chavan: Amitabh Bachchan
Krishnan Iyer (M.A.): Mithun Chakraborty
Mary Mathew: Madhavi
Kancha Cheena: Danny Denzongpa
Siksha Chavan: Neelam
Suhasini Chavan: Rohini Hattangadi
Laufzeit 174 Minuten
FSK

Vijay muss als Kind mitansehen, wie sein Vater zu Unrecht von einem wütenden Mob totgeprügelt wird. Nach allem was passiert ist, schwört er, dass er eines Tages das Dorf Mandwa seiner Mutter schenken wird. Zudem will er sich an allen rächen, die seine Familie ins Unglück gestürzt haben. Schon früh zeigt sich Vijay entschlossen und mutig, denn als zwölfjähriger fackelt er einfach eine Zapfsäule von Kancha Cheena ab, um Vergeltung zu üben, als sich ein Gauner an seiner Mutter zu vergreifen versuchte. Zunächst noch in der Armut aufgewachsen, indem er Schuhe und Autos von anderen putzen musste, steigt er zu einem gefürchteten Kriminellen auf. Dabei wird keine Zeit verschwendet und so wird ein Zeitsprung gemacht, denn Vijay ist dann schon 36 Jahre alt. Es entsteht ein Konflikt zwischen Mutter und Sohn, denn Suhasini findet kaum Gefallen daran, dass ihr Sohn zum Verbrecher mutiert. Als Vijay einmal von Gangstern niedergeschossen wird und von einem Kokosnussverkäufer namens Krishnan Iyer gerettet wird, findet er einen guten Freund. Krishnan wirkt ländlich, laut und etwas dümmlich, aber er hat das Herz am rechten Fleck und seine Freundschaft zu Vijay steht da an erster Stelle. Dabei entspricht Krishnan mehr dem guten Sohn, den sich Suhasini wünscht. Letztendlich ist Vijay der Ansicht, dass schwache Menschen von den starken gefressen werden, wie einst sein Vater Dinanath. Ein innerer Konflikt wird bei ihm deutlich, denn die einen betiteln ihn ehrenhaft als Bruder und die anderen bezeichnen ihn als Verbrecher. Nebenbei zeigt sich, wie viel ihm seine Familie bedeutet, denn wenn jemand versucht seiner Mutter oder Schwester etwas anzutun, kennt er keine Gnade, da verfällt er regelrecht in Blutlust. Zuschauer können bis zum Ende mit Spannung verfolgen, auf welche Art Vijay seine Rache gelingt.

Eine positive Überraschung der 90er

Zu Beginn des Films wird von Vijay und seinem Vater ein Gedicht zitiert, welches den Titel ”Agneepath” trägt und übersetzt ”Weg des Feuers” bedeutet. Damit wird aufgeklärt, wonach die Produktion von Yash Johar (produzierte Duplicate) benannt wurde. Dieses Gedicht bezieht sich thematisch und metaphorisch auf das, was in der Handlung folgen wird. Es beschreibt den Weg, den ein Mann gehen muss. Das Gedicht stammt aus der Feder des legendären Dichters Harivansh Rai Bachchan, der gleichzeitig der Vater des Schauspielers Amitabh Bachchan ist. Die Geschichte ist an das Leben des realen Gangsters Manya Surve angelehnt, der in der Unterwelt von Bombay ein bekanntes Gesicht war. Amitabh Bachchan verkörpert die Rolle des Vijay Deenanath Chavan auf eine Weise, die eher ungewöhnlich für Bollywood ist. Viel mehr erinnert die Art an Hollywood-Streifen, denn nicht nur die coolen Dialoge aus der Feder von Kader Khan (Muqaddar Ka Faisla), sondern auch die Mimik, der Kleidungsstil und die Experimente mit Bachchans Stimme lassen diesen Eindruck zu. Seine hervorragende Darstellung des Vijay wurde mit dem National Film Award für den besten Schauspieler gekürt. Doch auch die Leistungen von Rohini Hattangadi (Munna Bhai: Lachen macht gesund) als Vijays Mutter Suhasini und Mithun Chakraborty (Guru) als Krishnan wurden mit Filmfare Awards als beste Nebendarsteller bedacht. Danny Denzongpa (Sieben Jahre in Tibet) gewann zwar keine Auszeichnung, kann aber als stylischer Schurke Kancha Cheena ebenfalls überzeugen. Trotz der Tatsache, dass Agneepath an den Kinokassen floppte, entwickelte er sich über Jahre zu einem der größten Kultfilme. Im Jahr 2012 entstand ein gleichnamiges Remake mit Hrithik Roshan (In guten wie in schweren Tagen) in der Hauptrolle. Damit zollt Karan Johar (Lebe und denke nicht an morgen), der Sohn von Produzent Yash Johar, seinem Vater Tribut. Jedoch kommt dieses nicht ganz an das Original heran, denn die Darstellung von Amitabh Bachchan und das Feeling des Klassikers stellen sich schlichtweg als einmalig heraus.

Zurückhaltend bei der Musik

Normalerweise können in Bollywood-Filmen viele Songs enthalten sein, aber bei Agneepath hielten sich die Produzenten diesbezüglich zurück. Gerade einmal vier Songs sind hier vorzufinden, was bei einer Laufzeit des Films von fast drei Stunden doch ungewöhnlich ist. Bemerkenswert ist jedoch, wie der Großteil davon in der Produktion eingebaut wurde, ohne in der Handlung als störend empfunden zu werden. Der erste Song “I Am Krishnan Iyer M. A.” wurde in einer Disco als Schauplatz eingebaut. Es handelt sich dabei um ein humorvolles Lied, welches beim ersten Aufeinandertreffen von Siksha und Krishnan eingesetzt wird. Als nächstes folgt das Gesangsstück “Ali Baba Mil Gaye Chalis Choron Se”, welches bei einer Feier in Kancha Cheenas Anwesen zum Zug kommt. Dieses wird zwar auf indisch gesungen, wirkt in der Darstellung jedoch westlich. Etwas aus der Reihe tanzt das romantisch angehauchte “Kisko Tha Pata”. Dieses heitert die Stimmung des Films etwas auf, bevor es wieder mit der ernsten Handlung weitergeht. Zu guter Letzt gesellt sich noch der Song “Ganpati Apne Gaon Chale” hinzu, der beim hinduistischen Fest ”Ganesh Chaturthi” gesungen wird. Im Großen und Ganzen erfüllen die Lieder von Agneepath ihren Zweck, werden aber kaum in Erinnerung der Zuschauer verbleiben. Viel mehr überzeugt die Hintergrundmusik ”Rendezvous 2” des französischen Komponisten Jean-Michel Jarre (Die Hamburger Krankheit) als Titelmusik des Films, welche offiziell verwendet wurde. Der Soundtrack trägt positiv zur Atmosphäre und Wirkung der Szenen bei.

Fazit

Schon in den ersten 30 Minuten schafft es Agneepath eine packende Geschichte zu erzählen und auch später wird es nicht langweilig. Die Besetzung von Amitabh Bachchan als Vijay erweist sich hier als eine der größten Stärken. Dabei braucht er sich mit seinem Schauspiel nicht hinter Al Pacino zu verstecken. Zwar weist Agneepath einige Ähnlichkeiten zu Scarface auf, geht jedoch größtenteils seinen eigenen Weg. In einigen Aspekten finde ich ihn sogar besser als seine Inspirationsquelle und das soll schon was heißen. Ein echter Knaller sind die Dialoge und die Art, wie Amitabh Bachchan spricht, aber auch die Hintergrundmusik passt wie die Faust aufs Auge. Mukul S. Anand ist letztendlich ein außergewöhnlicher und cooler Film gelungen, der viele andere indische Produktionen der 90er in den Schatten stellt. Und obwohl man sich hier mehr in Richtung Hollywood bewegt, werden die indischen Wurzeln nicht vernachlässigt. Ich kann den Titel besonders Fans von Gangsterfilmen empfehlen, aber auch Zuschauern, die mit dem kitschigen Bollywood nichts anfangen können.

© Dharma Productions

Alva Sangai

Alva Sangai beschäftigt sich in ihrer Freizeit gerne mit Medien verschiedenster Art. Egal, ob Serien, Filme, Anime oder Manga. Dabei spielt es keine Rolle aus welchem Land die Produktionen stammen, denn Alva ist da sehr weltoffen. Des Weiteren hört sie gerne Musik, schreibt Geschichten und zeichnet ab und zu. Ein Tee oder ein Cappuccino darf dabei natürlich nicht fehlen. Nebenbei beschäftigt sich Alva mit den vielen Funktionen von Clip Studio Paint EX, denn sie möchte sich in der Zukunft an einem Web-Comic versuchen. Der Name Alva Sangai setzt sich aus dem Vornamen der Protagonistin ihrer ersten längeren Geschichte, sowie ”Sangai”, Hirschen die nur in Manipur (Indien) zu finden sind, zusammen. Sangai spielt also auf ihre Bollywood-Artikel an.

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