Loki (Folge 1×02)
Folge 2 von Loki trägt den aufschlussreichen Titel „Die Variante“. Gleichzeitig könnte man den Episodentitel wohl auch auf die Serie beziehen, die sich in ihrer Andersartigkeit noch weiter von dem abgrenzt, was das MCU bislang von sich gezeigt hat. Daneben gibt es eine dicke Überraschung zum Ende der Folge!
Inhaltsangabe
1985: Die von der TVA gesuchte Variante von Loki entführt auf einem Mittelaltermarkt in Wisconsin die TVA-Jägerin C-20. Doch danach verschwinden ihre Spuren, weshalb Loki und Mobius zunächst nicht weiterkommen. Mobius beauftragt deshalb Loki, in der TVA Bibliothek nach Hinweisen zu recherchieren, die auf den Aufenthaltsort der Variante hindeuten könnten.
Bei einem Bericht über Ragnarök erkennt er, dass bei großen Katastrophen kleinere Abweichungen vom wahren Zeitstrahl keine Nebenwirkungen haben. Denn die Tragödie ist unausweichlich. Deshalb sind kleine Zeitfenster das ideale Versteck für eine Variante. Zur Überprüfung dieser Annahme reisen Loki und Mobius ins Jahr 79, um dem Ausbruch des Vulkans Vesuv in Pompeji beizuwohnen. Weitere Indizien ergeben schließlich den Aufenthaltsort der Variante.
Beide reisen zu einem Supermarkt im Jahr 2050, wo sich Lokis Variante tatsächlich auch aufhält. Es gelingt ihr, Lokis Aufpasser B-15 außer Gefecht zu setzen, womit nun ein vertrautes Gespräch zwischen Loki und der Variante stattfinden kann. Loki eröffnet seinen Plan: Er möchte die TVA austricksen und übernehmen. Er fragt damit auch bei seiner Variante um Unterstützung an, doch diese hat wenig Lust darauf, Komplize zu sein. Im Laufe des Gesprächs nimmt die Variante immer wieder unterschiedliche Gestalt anwesender Personen an, ehe sie schließlich ihr wahres Ich unter einer Kapuze offenbart: Diese Variante Lokis ist weiblich (Sophia Di Martino, Yesterday)! Diese untermauert ihr Desinteresse, indem sie die entwendeten Zurücksetzungsladungen durch die Zeitportale fortschickt. Das hat zur Konsequenz, dass in der TVA zahlreiche Abweichungen vom wahren Zeitstrahl gemessen werden. Die Variante verschwindet durch ein Zeitportal und Loki hängt sich an ihre Fersen.
Mobius ist es gelungen, die auf dem Mittelaltermarkt entführte C-20 aufzufinden. Diese gesteht, dass sie der Variante den Aufenthaltsort der obersten Zeithüter verraten hat.
Viele Fragen, wenige Antworten
Folge 2 erfordert viel Geduld und innerhalb des MCUs wohl sogar das bislang höchste Maß an Konzentration. Denn die Theorie wird allmählich komplexer und jede versäumte Information kann dazu führen, dass das Verständnis darunter leidet. Es werden eine Menge Informationen ausgetauscht, die die hohe Dialoglastigkeit (oder je nach Perspektive auch Dialogfreudigkeit) ankurbeln. Alle Fragen sind längst nicht erklärt. Alleine Mobius‘ Aussagen zur TVA erscheinen eher verwirrend und Lokis Fragen zum Aufgabengebiet der Zeithüter werden ebenfalls nicht ausreichend erklärt. Ein hochinteressanter Ort ist die TVA-Bibliothek, in der an der Rezeption mal ganz beiläufig wichtige Spielregeln erklärt werden. Die Serie lässt es sich hierbei auch nicht nehmen, diverse Bibliotheken-Klichees aufs Korn zu nehmen. Vom lauten Sssssh!-er bis hin zur gelangweilten Rezeptionistin, die ganz regelkonform erst dann reagiert, wenn man klingelt.
Holding out for a Hero
Der Blick ins Jahr 1985 wirkt mit seinem Mittelaltermarkt und den dort aus dem Nichts aufkreuzenden TVA-Mitgliedern wie eine furiose Kombination, die im nächsten Moment von Bonnie Tylers „Holding Out For a Hero“ bemerkenswert untermalt wird. Nicht nur in dieser Szene, sondern auch beim Abstecher nach Pompeji wird klar: Loki ist ein einziger Zeitreisespaß, der im Grunde in jeder Zeitebene aus den Vollen schöpfen kann und wohl damit Abwechslungsreichtum gepachtet zu haben scheint. Ein wenig verrückt ist die Auswahl des Songs durchaus: Nach welchem Helden wird eigentlich gesucht? Ist Loki der Held oder der Bösewicht, wenn es eine Variante gibt, die gegen ihn spielt?
Genderfluidität
Für Comic-Fans wahrscheinlich weniger überraschend als für Zuschauer*innen, die ausschließlich das MCU wahrnehmen, ist der Auftritt einer weiblichen Loki. Damit macht Marvel nun das offiziell, was im Grunde schon lange bekannt war: Loki ist genderfluid. In den Marvel-Comics ist es seit 2014 Kanon, dass Loki ein nichtbinäres Geschlecht hat. Dies wurde jedoch bereits vorher immer wieder in den Comics aufgegriffen. Bereits im Vorfeld der Serie, als der erste Trailer erschien, gab es einen kurzen Blick auf Lokis Akte, die bei der Geschlechtsangabe ein „fluid“ aufweist. Das stellt in dem Fall allerdings keinen Versuch dar, einfach nur mit der Zeit zu gehen, sondern ist eine doppelte Referenz: Zum einen auf die Comic-Reihe, zum anderen auf die Mythologie. Unter genderfluiden Personen versteht man Menschen, die sich mit keinem der Geschlechter identifizieren, beziehungsweise deren Geschlechteridentität sich über bestimmte Zeiträume oder in bestimmten Situationen ändern kann. Das ist im Zusammenhang mit Lokis sprunghafter und ohnehin überdrehter Persönlichkeit auch vollkommen nachvollziehbar. Er befindet sich im stetigen Wandel.
Fazit
Folge 2 schmiert viel Substanz aufs Brot und hortet ein dickes Bündel an Thesen und Theorien, die sicherlich nicht beim gesamten Publikum auf Anklang stoßen. Loki ist nunmal keine Action-Serie, sondern stößt die Pforte der Zeit ganz weit auf, um weitere Türen für Ideen und Möglichkeiten (selbstverständlich auch Konflikte) zu öffnen. Die Enthüllung der Variante ist eine wunderbare Spielerei, die unter Beweis stellt, wie komplex Loki als Charakter überhaupt ist. Er wird zwar gerne darauf reduziert, Gott des Schabernacks zu sein, ist in seiner Persönlichkeitsstruktur aber kaum festzulegen. Auch nach der zweiten Folge ist kaum absehbar, wohin sich die Serie noch entwickeln wird.
© Disney
Folge 2 war wieder sehr sehenswert. Der Auftritt von Lady Loki wirft einige Fragen auf, z.B. ob sie wirklich eine Loki-Variante ist. Ihre Fähigkeiten erinnern eher an Enchantress, zudem ist ihr Vorname Sylvie. Vor allem, wann sie von der Zeitlinie abgewichen ist (etwas, was aber alle Loki-Varianten betrifft, ich meine Sportler-Loki?). Auch die TVA ist so eine Sache für sich, denn niemand kann nachprüfen, ob das überhaupt stimmt, was dort propagiert wird. Es werden auch sehr viele Euphemismen eingesetzt, wie Loki bereits angemerkt hat.
Was die Genderfluidität angeht, finde ich die reichlich spät eingeführt, zumindest für unseren Loki. Als Gestaltwandler ist er natürlich theoretisch betrachtet genderfluid. Allerdings nach zehn Jahren hat sich doch ein männliches Bild eingeprägt, was auch von Loki immer wieder unterstrichen wird. Zumal Thor mit Sicherheit irgendetwas in der Richtung erwähnt hätte und wenn es nur eine kleine Stichelei am Rande gewesen wäre. Zweitens sieht man es sogar in dieser Folge an Lokis Gesichtsausdruck als er die anderen Varianten betrachtet. Auch der Comic- und Mythologie-Vergleich hinkt immer ein wenig, ersteres nutzt es zu wenig und vor allem zu schlecht umgesetzt. Da läuft Loki zu 99% als Mann herum, die weibliche Version wird zwar hin und wieder gezeigt, aber erfüllt selten einen nennenswerten Zweck. Zweiteres hat nie etwas mit Genderfluidität zutun gehabt, das ist eher etwas, was man heute hineininterpretiert. Die Leute damals wussten noch nicht mal, dass es so etwas gibt (die hatten gelinde gesagt ganz andere Probleme) oder man sich darüber tiefere Gedanken machen müsste. Loki tat das, was den Zweck am besten erfüllt hat (er war auch in der Mythologie meist männlich und hatte zwei Frauen, nur die Geschichte mit dem Hengst wird er nicht los).