Shadow and Bone – Legenden der Grisha (Staffel 1)

Eine schneebedeckte Lichtung, auf der ein Hirsch mit einem gewaltigen Geweih erscheint. Für einige eine schön anzuschauende Szene, für einen Teil der Leserschaft fantastischer Geschichten ein Grund zum Feiern. Denn mit dieser Szene gab es die ersten Bilder der Serienumsetzung von Leigh Bardugos (King of Scars) berühmter GrishaVerse-Romanreihe. Eric Heisserer (Bloodshot) übernimmt dabei die Rolle des Showrunners und Hauptautors. Bereits mit dem Casting ließ er die Fangemeinde gleichwohl mit einigen Fragen zurück, denn nicht nur castete er Schauspieler für Figuren aus dem ersten Band Goldene Flammen, sondern auch aus einer anderen Reihe der Autorin. Doch wie würde diese Zusammenmischung funktionieren? Eine gute Frage, die wir in einem ausführlichen Review nachgehen, da die Serie Shadow and Bone – Legenden der Grisha seit dem 23. April 2021 auf Netflix vorhanden ist. Pelzmütze also auf und ab in eine magische Welt, in der ein Waisenkind ein Land vor dem Untergang retten muss.

   

Das Zarenreich Ravka führt seit Jahren Krieg gegen seine Nachbarländer. Bis jetzt konnte es dank seiner magisch begabten Grisha die Fronten halten, doch durch die Schattenflur, einem in dunklen Nebel verhüllten Landstrich, in dem Monster hausen, ist das Land zweigeteilt. Das Waisenmädchen Alina Starkov (Jessie Mei Li) ist Kartografin der Ersten Armee. Als ihr Kindheitsfreund Mal (Archie Renaux, Voyagers) das Schicksal trifft, einer der Soldaten zu sein, der auf einem Versorgungsschiff durch die Flur muss, sorgt sie dafür, dass sie ihn begleitet. Als die Volcra-Monster das Schiff angreifen, rettet Alina ihren Freund in dem sie ganz plötzlich ein helles Licht heraufbeschwört: Die Geburt der Sonnenkriegerin. Der oberste General der Grisha, der Dunkle (Ben Barnes, Westworld), plant nun, mit ihrer Macht die Lage im Land zu ändern.

Das Wintermärchenland Ravka

Originaltitel Shadow and Bone
Jahr 2021
Episoden 8 (in Staffel 1)
Genre Fantasy, Action, Drama
Cast Alina Starkov: Jessie Mei Li
Malyen Oretsev : Archie Renaux
General Kirigan: Ben Barnes
Kaz Brekker: Freddy Carter
Inej Ghafa : Amita Suman
Jesper Fahey: Kit Young
Nina Zenik: Danielle Galligan
Matthias Helvar: Calahan Skogman
Baghra: Zoë Wanamaker
Zoya Nazyalensky: Sujaya Dasgupta
Veröffentlichung: 23. April 2021

Ein junges Mädchen mit einer besonderen Gabe, wodurch es zur Auserwählten wird, um die Welt zu retten. Klingt erst einmal nach einem sehr ausgelutschten Konzept. Allerdings holt Heisserer aus dem groben Konzept einiges heraus, was vor allem an der etwas anderen Fantasy-Welt von Bardugo liegt. Schneebedeckte, karge Landstriche, die durch Kriegshandlungen eher an die Zeiten des Zweiten Weltkrieges erinnern und dann mittendrin Menschen, die mit Feuerbällen schießen oder das Herz ihrer Gegner mit einer einfachen Handbewegung stillstehen lassen. Alleine der Anblick der meterhohen dunklen Nebelwand, in dem schon die Geräusche der Monster reichen, um einem die Nackenhaare aufstellen zulassen, weckt schnell die Neugier, was für ein Reich Ravka ist. Und genau dieser Wissensdurst prägte die Geschichte in den weiteren Folgen.

Heldin wider Willen

Mittendrin in dieser interessanten Welt: die einfache Kartografin Alina. Aufgrund ihres Aussehens setzt ihre Umgebung die Heldin heftigen rassistischen Kommentaren aus. Jedoch teilt sie selbst aus, was ihr von Anfang an Empathie- und Sympathiepunkte einbringt. Jessie Mei Li verkörpert die junge Dame mit einem facettenreichen Schauspiel, so dass man ihr die mit der ungewollten Reise und neuen Aufgaben zusammenhängenden Emotionen abkauft. Wobei gerade in der deutschen Vertonung ein großes Lob an Magdalena Höfner geht, deren Stimme Netflix-Zuschauer als Lila aus der zweiten Staffel von The Umbrella Academia kennen. Natürlich muss Alina im Laufe der Geschichte einige Entscheidungen treffen. Und ja, sie wählt dabei nicht immer die richtigen, allerdings bleibt es packend, welchen Weg sie einschlagen wird und ob ihre Gefühle für ihren Freund Mal ankommen werden. Denn gerade die Liebe nimmt hier ein wichtiges Element ein, ohne dabei zu kitschig zu werden.

Heist-Action mit den Krähen

Während sich also Alina ihrem Schicksal stellen muss, begleiten wir auch eine ganz andere Truppe. In den verregneten Straßen von Ketterdam – das verruchte Amsterdam lässt grüßen – bekommt Clubbesitzer Kaz Brekker (Freddy Carter, Pennyworth) einen ganz besonderen Auftrag: Er soll die angebliche Sonnenkriegerin stehlen. Das waghalsige Unterfangen geht er mit seinen zwei Gefährten an: der Phandomdiebin Inej (Amita Suman, The Outpost) und dem Meisterschützen Jesper (Kit Young). Gerade diese Krähen-Truppe sorgt für eine feine Prise Humor, eine Portion Nervenkitzel und einen Sack voll Charme. Die Figuren, die allesamt anregende Geschichten mitbringen, erzählen jedoch in diesen acht Folgen noch nicht alles. So sehen wir einige Andeutungen oder hören das eine oder andere Interessante, müssen uns jedoch gedulden, denn einiges bleibt hinter einem Regenvorhang verborgen. Trotzdem fällt es nicht schwer, diese lebendigen Figuren ins Herz zu schließen. Selbst Schlaufuchs Kaz, der seine Emotionen unter seinen Handschuhen versteckt.

Werden Vorlagenkennende ihre Freude haben?

Diese Frage ist schnell beantwortet: Ja, auch wenn Shadow and Bone – Legenden der Grisha keine adäquate Serienumsetzung ist. Viel eher erweiterte Heisserer die Geschichte mit passenden Versatzstücken, um somit etwas noch viel Größeres zu schaffen. Etwa fügte er mehr politische Konflikte ein, denn so will zum Beispiel West-Ravka seine Unabhängigkeit. Die Diebestruppe gehört eigentlich in eine ganz andere Geschichte (Das Lied der Krähen) und viele Figuren bekommen viel mehr Präsenz zugesprochen. Da Alina in der Romanreihe die Geschichte erzählt, kommen gerade dort einige Charaktere etwas zu kurz. In der Serie dürfen wir diese hingegen auf ihren spannenden Abenteuern begleiten. Zum Beispiel bei Mal, der damit mehr als nur Alinas Love Interest ist. Selbst der Dunkle wird zu einem noch undurchschaubareren Wesen. Abzuwarten ist nur, wie sich die Geschichte entwickeln wird, da es Änderungen gibt und der Autor einige überraschende Informationen schon vorzog.

Zwiebeltürme, Pelzmütze und eine Ziege

Bardugos GrishaVerse lebt von einer kulturell vielfältigen Welt. Diese spiegelte sich viel in ihren Figuren wider, in Wesenszügen wie Aussehen. Und genau das fängt der diverse Cast von Anfang an ein! Verstärkt wird dies noch durch die wunderbare Ausstattung der Figuren, bei der es Hobby-Schneider*innen in den Fingern jucken wird. Gerade die aufwändigen Kefkas der Grisha sind ein Hingucker. Doch auch bei den Landschaften, Gebäuden und Set Pieces scheute das Produktionsteam keine Mühen. Ob nun das Zeltlager der Armee oder der Zarenpalast mit Zwiebeltürmchen – visuelle angenehme unterschiedliche Eindrücke präsentieren sich. Der CGI-Einsatz hält sich dabei auch in Grenzen. Nebenbei sind es die kleinen Dinge, die hier auch für Spaß sorgen. Oder wer hat die kleine Ziege gleich wieder erkannt? Passend dazu steuert Tron: Legacy-Komponist Joseph Trapanese einen epochalen Soundtrack bei, der vor allem die dunklen Töne der Schattenflur  heraufbeschwört.

Fazit

Es ist das russisch angehauchte Land mit seiner dunklen Nebelwand und den Elementarnutzern, welches von der ersten Minute in den Bann zieht. Die lebensnahen Figuren halten jedoch fest, weswegen wir gar nicht mehr weg möchten; allen voran die (für mich geniale) Krähengang. Doch Shadow and Bone – Legenden der Grisha lockt auch mit einer komplexen Geschichte. Spektakuläre Einbrüche, politische Wirren, die Kriegsfronten und Mal, der sich auf die Suche nach einem magischen Hirsch begibt sowie eine Grisha namens Nina, die auf einem Sklavenschiff landet. Bei all den Story-Fäden verliert Heisserer nie den Überblick. Er liefert in acht Folgen beste Unterhaltung mit einem perfekt gewählten Cast, visuellen Lockmitteln und passender musikalischer Begleitung. Für mich schaffte er es sogar aus dem durchwachsenen Bucherlebnis Goldene Flammen eine packende Serie zu schaffen. Bitte schnell mehr!

© Netflix

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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