Those Snow White Notes

Start: 2. April 2021 – 18. Juni 2021
Episoden: 12
Genre: Romanze
Regie: Hiroaki Akagi
Studio: Shin-Ei Animation

Inhaltsangabe:

Das Shamisen ist ein traditionelles japanisches Musikinstrument, das einer Gitarre nicht unähnlich sieht. Der Großvater des Teenagers Sawamura Setsu, der ihn und seinen älteren Bruder Wakana aufgezogen hat, ist kürzlich verstorben und war einst einer der besten Shamisen-Spieler der Welt. Seine Zöglinge wuchsen mit den Melodien des Instruments auf, lauschten aber nicht nur dabei, wenn er spielte, sondern begannen es auch selbst zu lernen. Seit dem Tod seines Großvaters hat Setsu aufgehört zur Schule zu gehen, ist nach Tokio gezogen und tingelt ziellos umher, nicht wissend, was er mit sich anfangen soll, außer die Shamisen zu spielen. Eines Tages tritt unverhofft seine erfolgreiche und reiche Mutter, Umeko, in sein Leben und versucht es wieder Form zu geben. Sie schickt ihn zurück auf eine High-School, wo sich seine Leidenschaft für die Shamisen noch weit mehr entfachen wird.

Folge 1: Einsam

Der 16-jährige Setsu hat von seinem Großvater gelernt, auf der Shamisen zu spielen, aber es ist ihm nie gelungen, den Stil des Meisters einzufangen. Die letzten Worte des alten Shamisen-Virtuosen an seinen Enkel lauten: “Hör auf, Shamisen zu spielen, bis du deinen eigenen Klang gefunden hast!” Vor den Kopf gestoßen, bricht Setsu die Schule ab, verlässt sein verschneites Heimatdorf und geht nach Tokio. Als das verwirrte Landei durch die grellbunt erleuchteten Großstadt-Straßen stolpert, nimmt ihn Yuna bei sich auf. Sie arbeitet hart an einer Schauspielkarriere und bekommt doch nur Absagen oder Angebote für Porno-Produktionen. Ihr Freund, der mit seiner Band ganz groß rauskommen möchte, ist ein arrogantes, untreues Ekel. Als Yuna ihn unmittelbar vor einem Konzert für seine Untreue ein paar Karatekicks verpasst, muss Setsu dann doch mit seiner Shamisen auf die Bühne …

Eine Anime-Serie über jugendliche Selbstfindung und künstlerische Entfaltung. Für den westlichen Japan-Fan eine Nachhilfestunde über traditionelle Musik. Also möglicherweise eine Serie der eher leisen, unspektakulären Sorte, wenn nicht im alltäglichen Geschehen um den Musiker vom Land und die jungen Großstädter auf dem steinigen Weg in die Unterhaltungsbranche unvermittelt ganz überdrehte Dinge passieren würden. Etwa, dass Yuna Männer, die ihr blöd kommen, eben mal so mit gezielten Kampfkunst-Kicks aus dem Weg räumt. Oder dass plötzlich zwei schwerbewaffnete Kämpfer vor Setsus Tür stehen, bloß weil eine bislang unbekannte Dame mit ihm sprechen will. Und dass ein Popkonzert-Publikum aus Fangirls, die aufgekratzt auf ihr Idol warten, von einem Pausenfüller mit einer Shamisen so völlig in den Bann der Musik gezogen wird, ist wohl auch eher jenseits der Realität anzusiedeln. Mal schauen, wo dieser merkwürdige Mix in Those Snow White Notes hinführt.

Folge 2: Apfelblüten

Yuna hat ihre Schauspielkarriere an den Nagel gehängt und Tokio verlassen. Damit sind auch Setsus Tage in ihrer Wohnung gezählt. Doch die Frau, die zum Ende der letzten Folge so brachial in Setsus Leben eingedrungen ist, stellt sich als seine Mutter Umeko heraus, die das Leben ihres Sohnes kurzerhand umorganisiert: neue Unterkunft, Schulanmeldung. Gegen ein so energisches Vorgehen ist Setsu machtlos, fügt sich Mutters Anordnungen und geht nun wieder regelmäßig zur Schule. Und wie der Zufall es will, gibt es an der Schule einen Shamisen-Klub, der bisher nur ein einziges Mitglied hat: die schüchterne Shuri. Auch Setsus großer Bruder Wakana kommt nach Tokio und die Brüder finden bei einem Shamisen-Duett erneut einen Draht zueinander und ihrer Vergangenheit.

Wer sich Those Snow White Notes herausgepickt hat, weil er sich für Shamisen-Musik interessiert, kommt in dieser Folge voll auf seine Kosten. Man erfährt, dass eine Shamisen in Einzelteilen aufbewahrt wird und was ein neuer Lederbezug kostet. Und es gibt gleich zwei lange Musikstücke, die für Freunde traditioneller japanischer Musik an sich schon hörenswert sind, aber auch jede Menge Bedeutung transportieren. Umekos Lied zu Setsus Shamisenbegleitung hat mit ihrem Heimatdorf zu tun, mit Apfelbäumen im Wandel der Jahreszeiten, aber irgendwie auch mit dem Leben einer Frau. Wachsen, erblühen, reifen, altern und so. Und wenn Setsu und Wakana zusammen spielen, fasst das ihre ganze gemeinsame Kindheit zusammen. Schön gemacht und außerdem tolle Musik.

Folge 3: Plötzlicher Regen

Im Unterricht sollte man sich nicht mit Kopfhörern im Ohr erwischen lassen. Doch als Shuris Lehrer ihr das Smartphone wegnimmt, ertönt da nicht angesagte Popmusik, sondern die Stimme ihrer Großmutter, die sich an ein Lied aus ihrer Jugend zu erinnern versucht. Da steckt auch der Grund, warum Shuri den Shamisen-Club gegründet hat: um die Melodie zu finden, an die ihre Großmutter sich nur bruchstückhaft erinnert. Setsu kennt das Lied ganz genau: Es ist die Melodie, zu der sein Großvater über Jahrzehnte hinweg seine Improvisationen perfektioniert hat und die Setsu nie nachspielen konnte. Und darum sträubt sich in ihm alles, als Shuri ihn bittet, das Lied für ihre Großmutter zu spielen. Und dann ist da noch der junge Shamisen-Virtuose aus Setsus Heimatprovinz, vor dessen kritischem Ohr Setsu kaum besser als mittelmäßig spielen kann …

In den ersten beiden Folgen von Those Snow White Notes war Setsu einsam und verloren. Aber das Leben als Oberschüler bringt es mit sich, dass da eher zu viele Menschen um ihn herum sind, die alle etwas von ihm wollen. Shuri, die sich genau das von ihm wünscht, was er auf keinen Fall tun wollte. Ihre energische Freundin Yui, die Setsu in den Shamisen-Club hineindrängeln will. Der Junge, der keinen Erfolg bei Shuri hat und drum umso eifersüchtiger auf den möglichen Konkurrenten ist. Und dann ist da noch die Welt der aufstrebenden Shamisen-Talente, der sich Setsu immer entzogen hat. Da geht es nicht um Selbstfindung, sondern um Wettbewerbe, Ehrgeiz und Konkurrenz. Merkwürdiges Erlebnis für Shamisen-Laien: Wieder gibt es zwei Musikeinlagen. Der eine spielt meisterhaft, heißt es, der andere mittelmäßig. Doch das ungeübte Ohr hört keinen Unterschied und muss sich mit den Reaktionen der Zuhörer zufriedengeben.

Folge 4: Frühlingseinbruch

Setsu vertieft sich noch einmal in Großvaters unnachahmliche Melodie, die klingt wie raue See, schneidender Winterwind und der erste Sonnenstrahl des Frühlings. Dann fasst er einen Entschluss: er wird sie doch für Shuris Großmutter spielen, allerdings in seiner eigenen Version. Großvater war ein Meister der wirbelnd schnellen Improvisation, Setsu vereinfacht das Stück auf das Wesentliche. Die teilnahmslose alte Frau im Rollstuhl blüht bei diesen Klängen auf, denn sie erinnern sie an die Zeit, als sie als Sechsjährige während des Krieges bei lieblosen Verwandten auf dem Land leben musste und ein Junge, der sich mit Straßenmusik und Betteln durchschlug, ihr mit seinem Shamisen-Spiel neuen Lebensmut schenkte. Nach diesem Erfolg will Shuri den Shamisen-Klub unbedingt weiterführen und Setsu kann jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Währenddessen schmiedet Setsus Mutter neue Pläne: Ein Shamisen-Wettbewerb für Schüler wäre doch was für ihren Sohn!

Wieder stehen zwei Musikeinlagen im Vordergrund, diesmal zwei Versionen des gleichen Stücks. Die erste bekommt jede Menge Naturbilder als Illustration, winterlicher Strand, ziehende Vögel, knorrige Bäume und rote Sonnenstrahlen am Bergesrand. Das ist das, was sich Setsu und dem völlig unbedarften Zuhörer Kaito mitteilt. Die zweite untermalt die Erinnerungen der alten Frau an eine Zeit, als zwei Kinder in schweren Zeiten einander trösten konnten. Da geht es eher um eine dunkle Scheune, eine gebackene Kartoffel und die Frühlingssonne als Strahl der Hoffnung. So richtig was für’s Herz! An den Rändern der Episode neue Figuren: ein Mädchen, das Setsu heimlich Onigiri vor die Zimmertür stellt, der etwas rätselhafte weißhaarige Nachbar Rai, der Setsu auf das Konzept Vereinfachung bringt.

Folge 5: Gemeinsames Spiel

Umekos Kosmetikfirma hat einen Schulwettbewerb für Shamisen-Musik gestiftet, natürlich nur mit dem einzigen Zweck, damit Muttis Goldjunge glänzen soll. Aber der meldet sich für den Einzelwettbewerb gar nicht erst an. Dafür ist der frischgebackene Shamisen-Club in der Gruppenwertung mit dabei. Das einzige Problem: von mittlerweile fünf Mitgliedern sind vier blutige Anfänger und der fünfte ein Genie mit Identitätsproblemen. Und dazu hat Setsu wirklich keine pädagogische Ader. Da wird wieder der junge Shamisen-Star Seiryuu ins Boot geholt. Der hatte schon bei Setsus missglücktem Vorspiel Verständnis für Setsus stark schwankende Leistungen gehabt. Nun hört er ein bisschen zu und stimmt dann einfach in Setsus Spiel mit ein. Und verhilft so den Anfängern zu einem Gefühl für ihr Vorspielstück und Setsu zu einem überraschend positiven Musik-Erlebnis.

Those Snow White Notes biegt in Folge 5 auf vertrautes Terrain ab. Ein Schüler-Club, ein Wettbewerb, ein Außenseiter-Team, das sich einer kaum zu bewältigenden Herausforderung stellt. Außerdem gibt es, eher unerwartet, einen Grundkurs in Musik-Pädagogik. Was kann ein Könner Anfängern vermitteln, die zum ersten Mal ein Instrument in der Hand haben? Sicher nicht die Grundtechniken, die müssen sie schon selber üben. Aber er kann ihnen der Weg zeigen, wie ihr Stück klingen könnte, sobald sie über das Stadium des dissonanten Geschrammels hinaus sind. Und Setsu, der so sehr von seinen familiären Verstrickungen und seinen Ansprüchen an sich selbst blockiert wird, macht die Erfahrung, wie befreiend es sein kann, mit jemandem zu spielen, den er weder gut kennt noch besonders mag.

Folge 6: Heimatland

Während Umeko die Werbetrommel für ihren Shamisen-Wettbewerb zu Ehren ihres Vaters rührt, probt der Shamisen-Club fleissig und fährt darum für ein Shamisen-Trainingscamp in eine rustikale Herberge in den Bergen. Gelegenheit, viel Shamisen zu spielen, sich besser kennenzulernen, im heißen Bad persönliche Gespräche zu führen und etwas über die Tradition wandernder, blinder Shamisen-Spieler zu erfahren. So langsam wächst bei allen die Nervosität und der Ehrgeiz. Nur Setsu fehlt so recht der Hunger auf den Sieg. Wenn er gedacht hat, er könnte sich durch simple Verweigerung vor dem Einzelwettbewerb drücken, dann war das ein Irrtum. Mama Umeko hat ihn einfach angemeldet, ohne zu fragen. Doch mittlerweile rückt eine Teilnahme für ihn sogar in den Bereich des Möglichen …

In einer japanischen Serie über einen Wettbewerb müssen wohl irgendwann Sätze fallen wie: “Wir MÜSSEN gewinnen!” Oder: “Ich werde NICHT gegen X verlieren!” Oder: “Ich muss BESSER werden!” Diese Verbissenheit angesichts von Konkurrenz-Situationen, die in einem anderen kulturellen Kontext so merkwürdig wirkt, gibt es für jede Figur maßgeschneidert: Yui hat eine Kumpeline in einem Online-Spiel, die nicht nur beim Zocken eine ernstzunehmende Konkurrenz ist, sondern auch noch im echten Leben Shamisen spielt. Kaito hat zur Enttäuschung seiner Eltern schon in jungen Jahren eine mögliche Profi-Fussballer-Laufbahn abbrechen müssen, diesmal muss es also klappen. Und Shuri tut sich schwer mit der Shamisen und will die anderen nicht mit ihrer Unfähigkeit belasten. Nur Setsu ist nach wie vor von jeglichem Ehrgeiz ungeküsst. Aber so langsam wächst auch er in seine Rolle hinein.

Folge 7: Wind

Der Tag des Wettbewerbs ist gekommen, der Wettbewerbsort ist voller aufgeregter Shamisen-Spieler und all ihren Freunden und Angehörigen. Alle, alle sind sie da, die Klassenlehrerin, der Shamisen-Bauer und Workshopleiter, Mama Umeko, der große Bruder Wakana. Und da die Welt der Shamisen-Spieler klein ist, stellt sich Yuis Online-Konkurrentin Mai als Setsus Mitschülerin aus Aomori heraus, deren Bruder Souichi ebenfalls als Nachwuchstalent gilt. Umeko tauscht mit der Mutter der beiden gepflegte Giftigkeiten aus. Setsu macht es seinem Mitstreitern wahrlich nicht leicht. Erst ist er nicht da, dann will er nicht proben, aber gewinnen will er doch irgendwie. Der große Bruder muss erklären, was mit Setsu los ist: Je nach Stimmung spielt er genial oder jämmerlich und über seine Stimmungen hat er keine Kontrolle. Deshalb braucht er dringend die Unterstützung seiner Mitspieler.

Wieder bietet Those Snow White Notes viel Musik. Da es ein Wettbewerb ist, gibt es das Vorspielstück in vielerlei Varianten: Ganz sauber und präzise. Oder in Richtung Rockmusik gebürstet. Oder von einer Mädchentruppe, bei denen das Publikum selbst einen Patzer sooo niedlich findet. Auch nach sechs Folgen über Shamisen-Musik muss sich der ungeübte Zuhörer auf die Publikumsreaktion verlassen, um einordnen zu können, was er da hört. Es sei denn, die Musik ruft Gedankenbilder von Natur, etwa im Wind schwankenden Grashalmen hervor, dann müssen die Spieler wohl genau den Geist des Stückes erfasst haben. Beim Shamisen-Club, im Auftrittskostüm wie die Power Rangers jeder in einer Grundfarbe, steigt die Nervosität. Hübsch gemacht, wie sie dann doch zueinander finden, einander ihren Siegeswillen beteuern und Setsu all das mit einer ungeschickt gewählten Bitte um Unterstützung beinah wieder kaputtmacht. War er gerade besonders kooperativ oder besonders arrogant?

Folge 8: Stimmgabel

Es nähert sich der erste Tag des Shamisen-Wettbewerbs seinem Höhepunkt und die Nervosität steigt, denn Setsus Shamisen-Club ist demnächst an der Reihe. Shuri gerät in Panik und kann sich kaum noch an die Melodie des Stücks erinnern, Yui versucht zwar, Shuri zu beruhigen, hat aber selber mit Schuldgefühlen und Selbstzweifeln zu kämpfen. Während Rai, der sich bisher eher im Hintergrund gehalten hat, einen plötzlich aufbrodelnden Moment von Tatendrang und Siegeswillen hat. Nur Setsu hält sich nach all den Komplikationen jetzt eher bedeckt. Auf der Bühne kommt Mais großer Moment. Auch wenn sie nur in der Gruppenwertung antritt.

Wieder kommen zwischen den Auftritten sehr viele Figuren zu ihrem jeweiligen kleinen Moment im Rampenlicht, und das hinter der Bühne wie im Publikum. Ein Blick in die Vergangenheit beleuchtet Yui und ihre Freundschaft zu Shuri, Rai, der sonst eher skurril und leise wirkt, zeigt eine ganz unerwartete Facette. Mama Umeko schaut streng durch den Saal. Mais Bruder bewertet die Teilnehmer, indem er ihnen seine Lieblings-Snacks zuweist: ein Vorspiel wie Bonbons oder Tintenfisch. Exzentrisch, aber anschaulich. Die Erzählung wählt den schon etablierten Weg: Mag sein, dass die besondere Tonlage der dritten Saite etwas ganz Außergewöhnliches ist, das muss der Laie einfach glauben. Doch wenn bei Mais Vorspiel Blumen um sie herumschweben, dann ist das ein sicheres Zeichen, dass wir es mit einer meisterhaften Darbietung zu tun.

Folge 9: Schneetreiben

Jetzt steht der Shamisen-Club auf der Bühne und muss zeigen, was all das Proben und all die Dramen gebracht haben. Nachdem Setsu die meiste Zeit so eigenbrötlerisch und ohne Ehrgeiz war, zeigt sich nun, dass er durchaus in der Lage ist, aus dieser gemischten Truppe das Beste hervorzukitzeln. Kaito hat dank Setsu genau das richtige Instrument, das seine Spielweise ergänzt. Mit dem Könner Rai hat Setsu den Einsatz einer ganz besonderen, aus dem Kabuki-Theater stammenden Technik verabredet, die Kenner der Materie entzückt. Die Anfängerinnen Shuri und Yui werden so elegant mitgezogen. Und da auch Setsu keinen stimmungsbedingten Durchhänger hat, sondern einen genialen Moment, gibt es jede Menge Applaus und den dritten Platz. Mai holt mit ihrer Truppe den zweiten Platz. Doch konkurrenzversessene junge Japaner kann das einfach nicht freuen, es hätte der erste sein müssen!

Neun Folgen hat Those Snow White Notes gebraucht, um den Einzelgänger Setsu in der Welt der Wettbewerbe und des Konkurrenzkampfes ankommen zu lassen. Und siehe da, er hat es drauf. Nicht nur, dass er die Fähigkeiten seiner Mitspieler genau im Blick hat und gezielt einsetzt. Er spielt auch selber meisterhaft. Dass großartige Musik durch Visionen von Naturbildern dargestellt wird, kennen wir ja schon. Aber diesmal flattern nicht nur Schneeflocken durchs Bild und damit durch die Seelen der Zuhörer, der Moment ist so magisch, dass nicht einmal mehr Setsus Shamisen erklingt. Stattdessen verträumte Geigentöne. Ein sehr merkwürdiger Moment, nachdem man so viel Gelegenheit hatte, sich in Shamisen-Musik hineinzuhören.

Folge 10: Wind aus den Bergen

Es geht in den Einzelwettkampf des Shamisen-Wettbewerbs. Die ersten beiden Kandidaten haben sich schon in der Gruppenwertung profiliert, jetzt stehen sie mit ihren sehr unterschiedlichen Stilen allein im Rampenlicht. Aber die wirkliche Überraschung der Folge passiert am Rand. Der streng wirkende Herr, den wir als den Vater von Mai und Souichi kennengelernt haben, ist nur deren Stiefvater, dafür aber Setsus leiblicher Vater, der hören will, wie das Talent seines Sohnes sich entwickelt hat und Setsu als Erbe der unnachahmlichen Klänge des genialen Großvaters für seine Shamisen-Schule vereinnahmen will. Was weder Mutter Umeko noch Bruder Wakana erfreut.

Neun Folgen lang wirkte Setsus Verweigerungshaltung einfach wie spätpubertärer Trotz und mühselige Selbstfindung im turmhohen Schatten des legendären Großvaters. Jetzt sieht man noch viel mehr massive familiäre Verknotungen dahinter stecken, die selbst den fügsamsten Teenager in die Verzweiflung treiben können. Wie es kommt, dass Kamiki Ryuugen einen Sohn mit Umeko hat, nun aber als Vater der Tanuma-Geschwister auftritt und wie Wakana und Kamiki Seiryuu, der aufstrebende Shamisen-Virtuose, mit ins Bild passen, ist nicht so recht klar. Aber nun ist fast jeder mit jedem verwandt und alle zerren an Setsu, der doch eigentlich seine eigenen Klänge finden wollte, anstatt als Nachfolger des Großvaters gehandelt zu werden. Kein Wunder, dass er das Leben und das Shamisen-Spiel so kompliziert findet.

Folge 11: Erinnerungen

Nachdem der vorletzte Kandidat mit dem Drama einer gerissenen Saite mitten im Vorspiel zu kämpfen hatte, kommt pünktlich zur vorletzten Folge von Those Snow White Notes Setsus großer Moment. Vorher bekommt er noch ein zuckersüß liebgemeintes Bento von der Vermieterstochter, jede Menge Zuspruch von allen Mitgliedern des Shamisen-Clubs, die beteuern, wieviel ihnen Setsus Klänge bedeutet haben. Und eine Gardinenpredigt von Mama, die will, dass Setsu die Tradition des Großvaters fortsetzt, denn der alte Mann hat niemandem außer Setsu seinen besonderen Stil beigebracht. Ohne Setsu wäre der Klang von Opas Shamisen für immer verloren. Aber Opa wollte doch gerade, dass Setsu nicht nur nachahmt? Unter den kritischen Augen all der Shamisen-Kenner im Publikum und angefeuert von Umekos Leibwächtertruppe geht Setsu auf die Bühne und spielt …

Umeko fährt in Those Snow White Notes alle schweren Mama-Geschütze auf: Du hast mich so enttäuscht. Nur wegen dir habe ich… Du bist schuld, wenn… Und soll Opas Erbe in Vergessenheit geraten, nur weil du…? Richtig starker Tobak. Und so spielt Setsu also Opas Stil. Und das Publikum kommentiert, interpretiert und weiß es zu schätzen. Schlicht und unprätentiös spielt er, ohne die Effekthascherei der anderen Kandidaten. Aber es ist der Klang des großen Meisters. Setsu spielt Wassertropfen und einen kühlen Hauch, der Zuhörer zum Strickjäckchen greifen lässt. Und dann ist vor lauter Emotion die Shamisen wieder weg, um gefühligen Geigen- und Klavierklängen Platz zu machen. Aber was ist denn nun mit der Kernfrage der ersten zehn Folgen: Wie finde ich meinen eigenen Klang? Die muss gelöst werden, also ändert Setsu mitten im Stück seinen Vortragsstil. Was dann wohl passiert? Auflösung in der nächsten Folge.

Folge 12: Schneeweiß

Setsu hat nun seinen eigenen Stil gefunden und weckt damit beim Publikum Erinnerungen an glückliche Kindheitstage. Das Publikum ist gerührt, doch dann sind da noch weitere Kandidaten. Unter anderem Souichi Tanuma, der das Publikum mit einem makellosen Vortrag beeindruckt. Der wird schließlich auch Sieger, während Setsu auf dem dritten Platz landet. Das ist für alle kein Grund zum Jubeln, sondern eine herbe Enttäuschung. Umeko nimmt das so übel, dass sie bei der Siegereehrung zufällig-absichtich Setsus Trophäe fallen lässt und ihm ins Ohr raunt, wie sehr er sie blamiert hat. Auch von Papa Ryuugen bekommt Setsu nur abfällige Worte zu hören und selbst Seiryuu hat eine Menge Kritik anzubringen. Sodass Setsu, statt sich über seine Selbstfindung zu freuen, wieder in einen Anfall von Verzweiflung abgleitet. Doch zum Schluss greift er doch wieder zur Shamisen …

Die ganze Staffel hindurch hat Those Snow White Notes das Thema “Künstlerische Selbstfindung” beackert und nun ist Setsu mit seinem Bekenntnis zum eigenen Stil auf jeden Fall Sieger der Herzen. Dass er in der Wertung nur Dritter wird, wirkt realistisch. Ohne Turniererfahrung und ohne systematische Vorbereitung, noch dazu mit einem schroffen Stilbruch mitten im Vortrag ist er gegen die alten Turnier-Hasen mit ihrer technischen Perfektion wie Souichi deutlich im Nachteil. Bezeichnenderweise ruft Souichis Spiel beim Publikum jede Menge lobende Kommentare hervor, aber kein einziges Gedankenbild, während Setsu Sonnenschein nach Opas Regentropfen spielt und seine Zuhörer in Kindheitserinnerungen schwelgen lässt. Doch im harten Konkurrenzdenken des Wettbewerbs ist ein dritter Platz kein Grund zur Freude, eher peinliches Versagen. Und ein Gefühlsausbruch noch peinlichere Schwäche. Ein Wunder, dass Setsu überhaupt zu seiner Shamisen zurückfindet.