Cosmetic DNA
Dunkelgöttiliche Hexenzirkel hatten doch den richtigen warzenbesetzten Riecher, was das rituelle Wälzen in fragwürdig beschaffter roter Körpersuppe angeht. Gibt nicht nur Pluspunkte bei eventuell hinlinsenden finstren Meistern, sondern wirkt auch noch Wunder für den Teint. Eine Lektion, die Make-Up-Puschelschwingerin und Protagonistin Ayaka aus dem 2020 uraufgeführten Film Cosmetic DNA, der seine Gesichtsfärberei im August 2021 auf dem 22. Japan Filmfest anpreist, auf zwar weniger kultige dafür gleichfalls fragwürdige Art lernt. Denn Regisseur und Quastenkoryphäe Ken’ya Okubo bringt ihr die blutige Hautpflege mittels Schächtung ihres sexuellen Peinigers bei. Klingt wie der Beginn eines düsteren Rachefeldzugs mit mehr oder minder deutlichen Wimperklimpern, aber das kann man sich, hoho, abschminken.
Drogeninhalator Keisuke, von keinem seiner Freunde auch Rapey genannt, ist hauptberuflicher Regisseur, wobei die Bezeichnung in etwa so lose zu verstehen ist, wie wenn man seinen ausgefransten Wischmob liebevoll als Hygiene-Manager bezeichnet. Zwar hat er einen Film unter seinem Gürtel, aber der Erfolg hat sich nicht in seine Nähe getraut, weder in noch vor die Hose. Ein Umstand, der ihn oft dazu bringt, seinen Freunden etwas über seine filmerischen Träume vorzuwürgen und das Verb ist hier alkoholbedingt mit Bedacht gewählt. Bei einer solchen spirituosen Selbstfindungsphase erblickt seine beschlagene Linse die herausgeputzte Protagonistin Ayaka, was ausreicht, um in allen falschen Regionen ein Feuer in ihm zu entfachen und sie postwendend beschwatzt, in seinem neuesten Filmprojekt eine tragende Rolle einzunehmen. Als praktisches Hilfsmittel zur Anwerbung bekommt er von einer Dating-Schule eine Packung K.O.-Pillen (Tropfen waren leider aus) in die zittrige Patschhand gedrückt. Die Idee dahinter: Steckt er erst einmal in ihr, steckt sie quasi mittendrin im Film oder so. Nicht zu genau darüber nachdenken, Keisuke tut es aus intellektuellen Gründen auch nicht. Das Vorsprechen ala Koitus verläuft so erfolgreich wie eine Zigarettenpause in einem Propangastank. Die in Verzweiflung statt Lippenstift getunkte Ayaka findet aber Hoffnung in Rattenforscherin Satomi und der hauptberuflichen Dummnuss Yumi. Doch dank Date-App droht letzterer bald ebenfalls ein Treffen mit Keisukes Kopulationskünsten, was die drei vorsorglich durch eine ordentliche Portion Selbstjustiz mit anschließendem Gemeinschaftsblutbad umgehen. Dabei tropft Ayaka eine Idee für eine Beauty-Serie ins Denk-Vakuum.
Ein bisschen von nichts
Originaltitel | Cosmetic DNA |
Jahr | 2020 |
Land | Japan |
Genre | Thriller |
Regie | Ken’ya Okubo |
Cast | Ayaka: Itsuki Fujii Keisuke: Tatsuka Seomyeon Yumi: Rina Kawsabi Satomi: Ruka Nakano |
Laufzeit | 120 Minuten |
FSK | unbekannt |
Titel im Programm des Japan Filmfest 2021 |
Direkt zu Beginn müssen einige allzu optimistische Denkansätze in Bezug auf den Film postwendend erdrosselt werden. Cosmetic DNA nimmt sich mit Vergewaltigung, dem Bild der Frau in der japanischen Gesellschaft, sexualisierten Idols etc. ein explosives und wichtiges Thema vor und behandelt es mit der Subtilität und Umsicht eines auf Taschengeldentzug befindlichen Kleinkindes mit Brechstange in einer Sparschwein-Ausstellung. Auf alle Beteiligten warten am Ende nur Scherben und Enttäuschung. Die männlichen Rollen im Film denken alle mit ihrer unteren Hälfte, was zwar Rapeys Spendierfreudigkeit mit seinen lieb gewonnen Tabletten erklärt, aber an das Thema so nuanciert herantritt wie eine Spaltaxt beim Mikado. ‘Pah, unnötig, hauptsache es ist ein launig blutiger Rachefeldzug mit ordenlich Wumms und Wut dahinter’ könnte es aus dem Leserraum tröten, aber der Enthusiasmus gehört ebenfalls stranguliert, denn dafür mangelt es doch zu sehr an Spaß, Wumms und Blut, was einen letztlich nur mit Wut zurücklässt. Die wird zwar von Mascara-Meisterin Ayaka, Rattencupid Satomi und der grinsbereiten Yumi auf die Männer-Gesellschaft ordenlich beschworen, nur wirken sie allesamt so sympathisch wie ein Sargvermesser im örtlichen Rekrutbüro. Sie haben einen Punkt, aber muss es denn auf diese Weise sein?
Bitte, wie war das?
Wobei keineswegs der Gedanke aufkommen sollte, dass ein interessanter Umgang mit dem Thema das einzige Problem von Cosmetic DNA sei. Dass wäre eine Frechheit für all die Problemwände, die der Film angestrengt für anrennende Zuschauer hochgeziegelt hat. Zum einen wäre da das simple Verständnis selbst, nicht aufgrund etwaig komplex zu entwirrender Dialogbrocken, sondern weil besagte Brocken gerölllawinenartig über die Ohren hereinbrechen, aber die Tonabmischung so (un-)gnädig war, es schwer mitverfolgen zu lassen, wer gerade redet, was auch daran liegt, dass nicht nur die Figuren andere und sogar sich selbst regelmäßig unterbrechen, sondern der Film ihnen mitunter vermutlich von dem Gemurmel gelangweilt das Wort absäbelt. Ein Sound-Lichtblick ist quasi einer ins Glas, denn aus unerfindlichen Gründen sind die Schluckgeräusche der Figuren, wenn ihnen wieder eine harmlos daher flanierende Bierdose zum Opfer fällt, oftmals deutlich zu hören. Schlicht seltsame Prioritätensetzung oder ein Nicken Richtung Kabinett mit den lustig streng riechenden Flaschen? Your Decision.
M-M-Montage-Time!
Eine andere Wand wäre da noch eine ‘gewisse’ Vorliebe für Montagen der blitzgewittrigen Art. Gewissermaßen als ob ein Eichhörnchen mit Vorliebe für boomende Clubmusik auf einem maroden Diaprojektor sein Wochenende Revue passieren lassen will, nur haben alle Knöpfe unglücklicherweise ein Nussmotiv. Und es ist nicht nur eines, sondern direkt ein gutes Dutzend, die sich vom Projektor schubsen. Und die Analogie funktioniert wirklich überhaupt nicht mehr. Punkt ist: ‘Montage-Time!’ ist die Zauberformel. So würde man vermutlich den Schreiber für verrückt erklären, wenn er behauptet, dass die letzte halbe Stunde des Films ein einziger frenetischer Bilderwechsel ist, in der die drei Rachetorfengel schlecht animiertes Mündungsfeuer auf eine Armee aus Papp-Nerds mit Sex-T-Shirts entladen, die per Copy & Paste-Verfahren auf dem Bildschirm aufmarschieren, nur um letztlich eine gleichgeschlechtliche aus Männerblut gewonnene Baby-Wunderpille in der Welt zu verteilen. Und man würde den Schreiber vollendens wegsperren, würde er behaupten, dass es absolut nicht so interessant ist, wie es klingt, aber gleichzeitig gerade die Montagen der beste Part des Films sind, quasi nach qualitativem Ausschlussverfahren und der Tatsache, dass die Figuren keine Dialoge dazwischenblubbern dürfen, während die Boom Boom-Mucke im Hintergrund das Reden übernimmt. Wer die Vermutung hat, dass an einem gewissen Punkt der Film mit einem ‘Ehh’ die Kohärenz zum Fenster rausscheucht, hat die Zeichen erkannt.
Fazit
Cosmetic DNA klingt auf dem Papier wie ein leicht bis schwer verrückter Rache-Thriller, hatte aber vermutlich ein Budget, mit dem andere Eiscreme kaufen und ist letztlich ein Passionsprojekt des Regisseurs. Werde ich daher aus Achtung vor der dahinterstehenden Arbeit nun doch noch einige Lobeskrumen auswerfen? Nö. Vom Graufilter geplagten Intro, in der einem bereits unsubtil die Botschaft des Films ins Gesicht geschmiert wird, bis zum Bilder-Zick-Zack-Finale ist es ein einziger Tritt in die Kniekehlen. Die Ironie, dank der seltsamen Film-Meta-Ebene über Regisseur Rapey, beißt einen regelrecht in die Nase, wenn die Figuren zu Filmarbeiten nuschelnd verkünden, dass sie ja nicht schauspielern können. Und die Montagen sind nur dahingehend ein Lichtblick, dass selbst die zischendste Schlangengrube beginnt verlockend zu wirken, wenn auf der anderen Seite Magma blubbert. Auch das eigentliche Gimmick, das Blut-Make-Up, bleibt herzlich unverschminkt und zeigt sich nur einmal in ein bisschen Schmiererei, die so aussieht, als hätte ein Clown nicht sofort die eigene Nase im Gesicht gefunden. Wer nach alldem trotzdem Lust hat, macht einen Fehler und stellt es sich definitiv spannender vor als es ist. Alternativvorschlag: Bevorzugten Dubstep-Beat anwerfen, ein Glas Himbeermarmelade entweihen und sich auf die Präsentation eines Eichhörnchens einlassen. Macht mehr Spaß. Versprochen.
© Ken’ya Okubo