Syberia 3
Kates Reise geht weiter! Acht Jahre nach Ankündigung des Titels und satte 13 Jahre nach dem letzten Teil erschien Syberia 3 im Frühjahr 2017 für alle gängigen Systeme. Die aus dem Koma erwachte Kate Walker muss nicht nur den Weg aus einer Irrenanstalt finden, sondern auch den Fortbestand eines ganzen Naturvolks sichern. Als wäre das nicht schon abenteuerlich genug, wird sie auch noch von der Technik des unausgereiften Gameplays gehörig an ihrem Vorhaben gehindert.
Die New Yorker Rechtsanwältin Kate erwacht in einer Psychiatrie. Sie ahnt sofort, dass hier etwas nicht stimmt: Die Türen sind verschlossen, die Ärzte verhalten sich mehr als nur seltsam und dann wird sie auch noch an einen Lügendetektor angeschlossen. Spätestens jetzt ist ein Fluchtplan gefragt – und obendrein soll der Stamm der Youkol bei seiner Überreise in die Sicherheit begleitet werden. Die Designs von Syberia 3 stammen erneut vom beglischen Steampunk-Autor Benoit Sokal und können sich sowohl bei der Gestaltung der Figuren als auch in den ausgefallenen Settings mehr als nur sehen lassen.
Technischer Totalausfall
Es stellen sich im Fall von Syberia 3 eine Menge Fragen. Wieso müssen erst 13 Jahre vergehen, damit die Geschichte fortgesetzt wird? Und wieso überhaupt, immerhin fand Teil 2 doch ein stimmiges Ende? Obendrein: Wieso wurden die klassischen Point’n’Click-Einlagen abgeschafft? Vor allem aber: Wieso sieht das Spiel aus wie ein besserer Playstation 2-Titel und ist meilenweit vom grafischen Status Quo entfernt? Das alles ist irgendwo noch verschmerzbar mit guter Miene zum bösen Spiel. Doch alles andere als entschuldbar ist die Katastrophe, durch die Kate sich bewegt. Erst ein paar Schritte vor, dann ein paar Schritte zurück. Dann bleibt die Gute an unsichtbaren Wänden hängen. Mal prallt sie gegen die Wand und mal stehen irgendwelche Gegenstände im Weg, um die sie partout nicht herumlaufen kann. Endgültig wird der Vogel durch die antike Kameraführung der Marke Resident Evil abgeschossen, denn die starren Kameraperspektiven drehen sich nur zu gerne mal im 180° Winkel, wodurch sich – gelerntes Verhalten – die Richtung des Analogsticks mitdrehen müsste. Passiert jedoch nicht, was zu viel Herumgeeier führt. Eine Tatsache, die ob der sowieso schon nervigen Laufwege unverzeihbar ist. Zähe Erkundungstouren mit viel Geduld müssen vorab eingeplant werden und sind in der Regel mit massiven Rucklern verbunden. Verlässt einen dann doch die Lust und man will sein Spiel zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen, sollte der entsprechende Save-Point gut gewählt sein, denn das Spiel entscheidet, wo gespeichert wird und an welcher Stelle man unter Umständen bereits erledigte Aktionen wiederholen muss. Wenn das alles nicht bereits genug Gründe zum Haare raufen waren, dann sind es spätestens die Ladezeiten zwischen den einzelnen Szenen.
Originaltitel | Syberia 3 |
Erscheinungsjahr | 2017 |
Plattform | Windows, Playstation 4, Xbox One, Nintendo Switch |
Genre | Adventure |
Entwickler | Microïds |
Publisher (D) | Microïds |
Spieler | 1 |
USK |
Lokalisierungsabsturz
Der galante Sprung vom einen Totalausfall zum nächsten ergibt sich durch die deutsche Lokalisierung. Zunächst einmal ist es löblich, dass die Mühe einer deutschen Synchronisation nicht gescheut wurde. Diese ist in Hinblick auf die Sprecher eher durchwachsen ausgefallen, doch die Hauptrollen wurden stimmig besetzt. Kates Sprecherin wurde zwischen Teil 2 und Teil 3 ausgetauscht, womit sich Fans der Reihe auf eine neue Stimme einstellen müssen. Ihre Sprecherin spricht ruhig, was nicht in jeder Situation angemessen ist, doch mit der Zeit gewöhnt man sich an diese ein wenig unterkühlte Kate Walker. Damit fällt sie im direkten Vergleich zu vielen hölzernen Charakteren noch immer positiv auf. Leider beginnt der wahre Schreck bei der Lippensynchronität: Einzig in der französischen Sprachfassung stimmt das Timing. Im Deutschen wird man nur zu oft zum Lippenleser. Getoppt wird das noch durch die abgebrochenen Dialoge: Kaum ein Satz wird vollständig zu Ende gesprochen, die Sprachausgabe bricht einfach ab. Gott sei Dank gibt es alle Texte zum Mitlesen, doch im Jahr 2017 kann man hier nur von einem absoluten Notstand sprechen.
Wenn nicht die Technik, dann vielleicht die Story…
Leider dominiert die schlechte Gameplay Experience, wodurch sich der Spieler auf zahlreiche Frustmomente einstellen darf. Dazu darf man auch manches Rätsel zählen. Die große Stärke der Reihe und auch das entscheidende Verkaufsmerkmal, mit dem sich Syberia zumindest in einem Punkt hervortut, sind die mechanischen Rätsel. Um dem Steampunk-Charakter der Reihe gerecht zu werden, gibt es beinahe ausschließlich Maschinen, die in irgendeiner Form zum Laufen gebracht werden müssen. Manches Mechanikpuzzle verlangt allerdings ordentlich Nerven ab, denn gerne wird man für die Besorgung aller Bestandteile quer über die nicht vorhandene Karte geschickt, was wieder zu besagten Problemen des vorletzten Abschnitts führt. Hinzu kommen ein paar fragwürdige “Kram-Rätsel”, in denen man einfach nur Kisten oder Kartons nach irgendwelchen Gegenständen durchwühlt.
Besonders positiv zu erwähnen ist die Geschichte. Hier gibt es keinen Bösewicht zu bekämpfen und auch nicht die Welt vor dem sich anbahnenden Untergang zu retten. Kate macht einfach nur den Weg für eine Horde urzeitlicher Fantasywesen frei, damit der Stamm von A nach B kommt. Als wäre das nicht außergewöhnlich genug, geht es über stimmungsvolle Schauplätze. Das Highlight bildet hier wohl ein verlassener Jahrmarkt, der erst einmal mit Strom zum Leben erweckt werden muss. Auch muss man dem Skript lassen, dass Kate viele Begegnungen mit speziellen Charakteren erlebt, wobei diese oft auch eher gewollt und dadurch unfreiwillig komisch ausfallen. Zum Beispiel müssen wir einen alten Mann vor dem (Schein-)Tod retten und ihm deshalb möglichst schnell seine Medizin reichen, denn sonst hustet er und kann nicht weitererzählen. Benötigt Kate dafür zuviel Zeit, ist er allerdings durchaus in der Lage, sich darüber zu beschweren. Dass dessen Tochter uns nach zwei kurzen Begegnungen so nahe steht, dass der Abschied von ihr besonders emotional ausfällt und sie uns einen persönlichen Gegenstand überreichen muss, wirkt auch reichtlich konstruiert. Ganz zu schweigen von der unglaublichen Tatsache,
Nett gemeint, aber….
Das Skript ist in der Tat ambitioniert, überzeugt allerdings stellenweise gar nicht, was besonders dann der Fall ist, wenn manche Szene mit viel Pathos beladen wird. Das ist ohnehin ein Punkt, an dem geklotzt wird. Der schöne, aber dramatische Soundtrack des Spiels ist so präsent, dass er viele Dialoge geradezu übertüncht. Kommt der Spieler in einem Rätsel minimal weiter in Richtung Lösung, verrät der Soundtrack es direkt. Das mag mitunter komisch wirken, wenn Kate einfach nur einen Gegenstand aufnimmt, doch das orchestrale Gewitter losstürmt, als würde gleich ein emotionales Feuerwerk abgefackelt werden. Wo wir bereits über gute Ambitionen sprechen: Die Geschichte suggeriert dem Spieler eine Mitbestimmung über den Verlauf von Dialogen. Im Grunde genommen verlängern sich damit nur einzelne Szenen oder man muss umständlicherweise einen Zwischenschritt in die Lösung des nächsten Rätsels einbauen. Doch wirklichen Einfluss darf der Spieler in keiner Form ausüben, womit jegliche Linearität erhalten bleibt.
Die antiquierte Grafik bestätigt ihren Look: Syberia 3 schwächelt an allen Ecken und Enden und ein Quality Management war scheinbar nicht am Werk. Spielerisch gibt es leider nahezu gar keinen Punkt, der für das Spiel spricht, es sei denn, man fährt auf mechanische Rätsel ab. Doch selbst dann stößt man schnell an seine Grenzen. Empfehlen kann ich Syberia 3 wirklich nur hartgesottenen Liebhabern der Reihe oder Menschen mit einem Hang zu epischen Geschichten, die es eher ruhiger angehen. Zwar ist diese Geschichte hier nur zu oft nett gemeint, aber nicht ganz gekonnt erzählt. Doch ich gebe zu, dass mich die melancholische Atmosphäre stellenweise fesseln konnte. Dafür spricht allerdings auch der aufdringliche Soundtrack, dessen Einsatz sicherlich dosierter hätte stattfinden dürfen. Irgendwie hatte ich dann doch meinen Spaß mit Syberia 3 und die rund zehn Stunden waren keine völlige Fehlinvestition, aber Kate Walker hat ihre besten Zeiten ganz offenbar lange hinter sich. Selbst die tollste idyllische Naturkulisse rettet nichts, wenn die Veröffentlichung ein unvollständiger Alptraum ist.
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