Veganer schmecken besser – Erst killen, dann grillen
Wer mit dem Rauchen aufhören möchte oder plant, sein Gewicht zu verringern, stößt im Allgemeinen auf hohen Zuspruch. Vegan leben? Da beginnen die plötzlichen Widerstände und Gegenreaktionen, die zum Teil unvorstellbare Ausmaße annehmen. Das ist auch das Stichwort für den Komiker Fabrice Eboué (Wieder von vorne…), der die Alltagsdebatte eskalieren lässt, indem er ein Metzger-Ehepaar auf eine Horde Veganer loslässt – und umgekehrt genauso! Frankreichs Antwort auf Dänische Delikatessen erweist sich als schwarzhumorige Veganer-Jagd, welche die Lachmuskeln beansprucht. Wie man anhand des plakativen deutschen Titels erkennt, nimmt sich Veganer schmecken besser – Erst killen, dann grillen selbst nämlich null ernst. Der knackige englische Titel “Some Like It Rare” bringt das schon ein wenig subtiler zum Ausdruck. Vor der Veröffentlichung auf Blu-ray und DVD am 27. Mai besteht auf den Fantasy Filmfest Nights 2022 die Chance, eingefleischter Fan der irren Produktion zu werden.
Als passionierter Fleischliebhaber lebt man in schweren Zeiten. Vincent (Fabrice Eboué) führt die Familienmetzgerei Pascal, muss aber zunehmend erkennen, dass die Kundschaft ausbleibt. Nicht nur, dass es immer mehr Veganer gibt, auch die Konkurrenz wirbt mit Dumping-Preisen und die Bank bietet keine Unterstützung mehr an. Bei einer Kurzschlussreaktion fährt er einen Veganer über den Haufen. Doch wohin mit der Leiche? Kurzerhand entschließt er sich, den toten Korpus zu zerstückeln und im Laden zu verkaufen. Die Kundschaft ist begeistert von diesem neuartigen Geschmack, den Vincent spontan als “Schweinefleisch aus dem Iran” labelt. Denn wie Fleisch von dort schmeckt, kann schließlich niemand wissen. Plötzlich boomt nicht nur das Geschäft wieder, sondern auch die Ehe mit Sophie (Marina Foïs, Mama gegen Papa) erlebt ein Auf. Doch das Problem liegt auf der Hand: Woher neues Fleisch bekommen? Die eigenen Kunden umzubringen, wäre eine ganz neue Form des (Selbst-)Kannibalismus des eigenen Geschäfts, zumal sie als Fleischesser nicht die besten Voraussetzungen erfüllen. Also kommen nur Veganer in Frage …
Saubere Angelegenheit mit Blut
Originaltitel | Barbaque |
Jahr | 2021 |
Land | Frankreich |
Genre | Horror-Komödie |
Regie | Fabrice Eboué |
Cast | Vincent Pascal: Fabrice Eboué Sophie Pascal: Marina Foïs Stéphanie Brachard: Virginie Hocq Marc Brachard: Jean-François Cayrey Chloé Pascal: Lisa Do Couto Texeira Lucas: Victor Meutelet |
Laufzeit | 87 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 27. Mai 2022 |
Auch wenn es sich anbietet: Regisseur (und Hauptdarsteller) Fabrice Eboué entgeht dem verlockenden Versuch, aus seiner Jagd auf Veganer ein übermäßiges Blutbad anzuzetteln oder gar eine Thriller-Note hinzuzufügen. Das ist erfrischend ungewohnt: Denn wo, wenn nicht beim Metzger, würde man etwas derartiges erwarten? Selbstverständlich gibt es zerstückelte Körper zu sehen. Es geht aber eben nicht darum, ein Schlachtfest für die Gorehounds unter den Zuschauer:innen anzuzetteln. Das ist dem Regisseur wichtig und im Zentrum steht neben dem Humor das Ausschlachten (this!) aller Klischees und Facetten, welche eine Debatte zwischen Veganern und Fleisch(fr)essern eben nur hergeben kann. Deshalb: Splatter bedingt und wohldosiert, aber nie um des Selbstzwecks Willens.
Schweinefleisch, natürlich aus dem Iran
Als schwarzhumorige Komödie leistet Veganer schmecken besser einen ordentlichen Job: Das Drehbuch findet zahlreiche kreative Einfälle und ist gespickt mit vielen (absurden) Ideen zum Thema. Vincent und Sophie könnten sich in eine Hassspirale verrennen, müssen aber immer wieder erkennen, dass die andere Seite doch zum Teil gute Argumente besitzt. Oder aber, dass nicht nur sie Extremisten sein können, sondern auch vegane Aktivisten, die gezielt Anschläge auf Metzgereien ausüben. Zu allem Überfluss liegt ihrem Schwiegersohn in spe auch noch ein veganer Lebensstil am Herzen. Ihm kommt ausschließlich veganer Wein auf den Tisch, bei dessen Produktion keine Mücken ums Leben kamen. Diese Ansätze sind mitunter herrlich absurd, sodass sich der übergeordnete rote Faden, nämlich immer wieder Veganer umzubringen, um die Metzgerei am Leben zu halten, der Kleister zwischen den Szenen ist, den es irgendwann gar nicht mehr bräuchte. Das offenbart allerdings auch ein Problem: Erzählerisch läuft Veganer schmecken besser ins Leere. Schließlich gibt es kein Richtig und kein Falsch in dieser Diskussion und so stand wohl auch Eboué mit seinem Co-Autor Vincent Solignac vor der Frage, wie ein solcher Film stimmig beendet werden kann. Das überstürzte Finale wird den 70 Minuten davor jedenfalls nicht gerecht.
Durchdachte Satire
Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern Fabrice Eboué und Marina Foïs funktioniert wunderbar. Als Ehepaar, das seine besten Zeiten hinter sich hat, im Härtefall aber trotzdem zusammenhält, geben sie ein tolles Gespann ab. Für uns als Zuschauer mögen Vincent und Sophie Freaks abgeben, innerhalb ihrer Welt sind sie jedoch erstaunlich normal und selbst umgeben von Verrückten. Das wirft auch ein interessantes Licht auf den Extremismus, wo immer die andere Seite als die radikalere erscheint, man den eigenen Standpunkt aber nicht reflektiert und gewichtigen Argumenten gekonnt ausweicht. Fabrice Eboués Drehbuch ist dahingehend sehr clever gestrickt, denn er verzichtet auf schwarz-weiß-Malereien und findet auf jeder Seite gute und schlechte Figuren und Argumente. Wenn Pascal und Sophie etwa feststellen, dass sie nur Opfer ohne Stresshormone wählen können, sagt das auch eine Menge darüber aus, welche Ware sie eigentlich anbieten.
Fazit
Veganer schmecken besser ist eine bewusst geschmacklose Komödie mit bissigem Kommentar zu einem der umstrittensten Themen unserer Zeit. Ein bisschen Sweeney Todd schwingt mit im Plot, aber auch ohne die Ambition, dass ständig menschlicher Nachschub benötigt wird, würde der Film funktionieren. Alle Beteiligten vor und hinter der Kamera bringen eine wunderbare Energie mit, die dafür sorgt, dass die Thematik mit dem nötigen Biss aufgezogen wird. Nur erzählerisch kränkelt der Film hier da: Auch wenn viele Einzelszenen richtig gut funktionieren, bleibt das große Ganze stellenweise auf der Strecke, was sich im Finale dann rächt. Als thematischer Leckerbissen sollte der Film so oder so auf dem Menü stehen.
© LEONINE
Veröffentlichung: 27. Mai 2022