The Woman in the House Across the Street from the Girl in the Window
Was ist das für ein grotesker Titel? Was sich im ersten Moment liest wie eine absurde Idee Hollywoods, einen Serientitel so geheimnisvoll und vielversprechend wie nur möglich zu gestalten, erklärt sich beim näheren Hinsehen: The Woman in the House Across the Street from the Girl in the Window (abgekürzt nun „The Woman in the House“) ist eine Persiflage aller Thriller-Romane, die in den letzten Jahren zu Bestsellern avancierten und dabei alle ähnlich gelagert sind: Labile Frauenfiguren, deren trister Alltag durch die Beobachtung eines Verbrechens aufgerüttelt wird und ihrem Leben durch die Verfolgung eigener Ermittlungen zu neuem Schwung verhilft. Die Miniserie im Programm von Netflix bezieht sich damit auf Titel wie Paula Hawkins‘ The Girl on the Train oder A.J. Finns The Woman in the Window. Mit Comedy-Talent Kristen Bell (The Good Place) in der Hauptrolle verspricht die am 28. Januar 2022 veröffentlichte Serie launige Unterhaltung.
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Anna (Kristen Bell) hat einige Schicksalsschläge hinter sich und ist im Grunde genommen froh, nun ein unspektakuläres Leben in ihrem für sie viel zu großen Haus zu leben. Ihre Abende werden von randvoll gefüllten Rotweingläsern begleitet und von Krimiromanen versüßt, ab und an wird sehnsüchtig aus dem Fenster gesehen. Als gegenüber ein neuer, attraktiver Nachbar namens Neil (Tom Riley, Zwei Hochzeiten und ein Liebesfall) einzieht, ist Annas Interesse geweckt. Schnell freundet sie sich mit seiner Tochter Emma (Samsara Leela Yett) an. Ein Hoffnungsschimmer, denn die Nachbarschaft rund um Anna hat sie bereits als geisteskrank abgestempelt. Als Anna eines Nachts einen Mord im gegenüberliegenden Haus beobachtet und panisch den Notruf wählt, muss die Polizei im Anschluss feststellen, dass es keinen Mord gegeben zu haben scheint. Liegt es am Rotwein? Oder an Annas Tabletten? Sie beginnt auf eigene Faust zu ermitteln …
Die Frau im gegenüberliegenden Haus des Mädchens im Fenster
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Originaltitel | The Woman in the House Across the Street from the Girl in the Window |
Jahr | 2022 |
Land | USA |
Episoden | 8 |
Genre | Krimi, Mystery, Komödie |
Cast |
Anna Whitaker: Kristen Bell
Michael Ealy: Douglas Whitaker Neil: Tom Riley Emma: Samsara Leela Yett Sloane: Mary Holland |
Veröffentlichung: 28. Januar 2022 |
Es gehört in Thrillern zu den am meisten etablierten Momenten, wenn die Hauptfigur unfreiwillig Zeuge eines Mordes wird. Das brachte in der Filmhistorie denkwürdige Momente hervor, wie etwa in Miss Marple Kultfilm 16 Uhr 50 ab Paddington oder auch Alfred Hitchcocks Das Fenster zum Hof. Die noch relativ junge Form des Psycho-Thrillers für ein weibliches Publikum hat innerhalb ihrer kurzen Existenz bereits einige Klischees zu Tage befördert: Der attraktive Single-Daddy mit scheinbar weißer Weste, die plötzlich auftauchende bissige Konkurrentin, einsetzender Realitätsverlust dank ein paar Gläschen Wein. Sich wiederholende Muster, die das Showrunner-Trio Rachel Ramras, Hugh Davidson und Larry Dorf mit dem Holzhammer an vorderste Front befördert. Dass es sich um pure Satire handelt, ist nicht direkt erkennbar: Die Miniserie verfolgt diese Klischees mit einer Ernsthaftigkeit, dass man sie durchaus auch für voll nehmen könnte. Denn genau so spielen sich ähnlich gehaltene Serien nun einmal ab und The Woman in the House ist zwar sichtlich um Übertreibung bemüht, allerdings in einem Sub-Genre, welches bereits aus solchen besteht. Ein schwieriges Unterfangen, das auch ein wenig das Echo in sozialen Medien erklärt. Nicht bei allen Zuschauer:innen kam die Intention der Serie, beginnend mit dem Titel, an. Und so wurde Kritik laut, die Serie bestehe nur aus Klischees …
Tonal verhoben
Während die Geschichte sichtlich bemüht ist, den Mindfuck um Anna herum nach und nach zu aufzudecken, bleibt oftmals unklar, was nun Verballhornung ist und in welchen Punkten es das Serienschöpfer-Trio wirklich ernst meint. Beispielsweise leidet Anna an einer Pluviophobie (Angst vor Regen). Eine ernstzunehmende Krankheit, welche sie auch immer wieder in Schwierigkeiten bringt, innerhalb der Serie aber als schlechter Witz abgetan wird und Anna am Überqueren der Straße hindert. Auch ist dieselbe stets zu Bruch gehende Porzellanschale zwar vorhanden, aber eben ohne Pointe versehen. Sie steht exemplarisch für viele Elemente, die alleine ihrer Existenz wegen vorhanden sind, aber nicht in den richtigen Witz verpackt werden, um auch zünden zu können. Oder es bleibt unklar, was die Intention dahinter ist.
Erfolgreich am Haken
Was The Woman in the House mit Fug und Recht von sich behaupten kann: Die Spannung wird über acht Folgen hinweg aufrecht gehalten. Damit eignet sich die Miniserie also perfekt dazu, um am Stück gesehen zu werden. Jede Folge bringt neue Erkenntnisse hervor und setzt einen Cliffhanger nach dem nächsten. Es fällt schwer, irgendwo hier direkt aufzuhören, da einerseits die Erkenntnisse aus Annas Ermittlungen immer dichter werden, man andererseits irgendwann auch für alle Absurditäten gewappnet ist. Das ist eine wichtige Voraussetzung für das an Irrwitz kaum zu überbietende Finale. In dem Kontext muss vor allem Kristen Bells vielschichtige Darstellung gelobt werden. Wie immer gelingt es ihr, eine sehr nahbare Protagonistin mit Profil zu formen. Anna ist wankelmütig und wird immer wieder von ihrer Umwelt gefordert, vor allem aber von allen suspekten Personen um sie herum. Das setzt viel Flexibilität voraus, denn wie schon häufig in Filmen erlebt, versuchen gerade psychisch angeschlagene Figuren möglichst normal und unauffällig zu wirken. Was daran scheitert, dass es am Ende zu gewollt ist und gerade deshalb aufgesetzt wirkt. Aus diesem Momenten zieht auch die Miniserie einen Großteil ihrer Energie.
Fazit
The Woman in the House bringt ein erfrischendes Storytelling und eine wie immer bestens aufgelegte Kristen Bell mit, birgt tonal allerdings große Herausforderungen: Den überspitzten Momenten folgen vertraute Formeln. Am Ende mangelt es am richtigen Biss, um klar zu machen, dass in dieser Serie nun wirklich gar nichts ernst gemeint ist. Die Komik ist immer vorhanden, doch am Ende fehlt es am Mut, die Extrameile zu gehen. So bleibt vieles dann eben doch wieder sehr gewöhnlich und anstatt über den klischeehaften Romanen und Serien zu stehen, mischt The Woman in the House am Ende selbst als solcher mit. Kann man damit leben, dass die Persiflage nur stellenweise funktioniert, bietet die Serie mit ihren absurden Schlenkern jedoch großes Unterhaltungspotenzial.
© Netflix