Fresh

Man kann es nicht oft genug sagen: Augen auf beim Dating! Mit Fresh von Mimi Cave produzierte Searchlight Pictures einen Film, der sich augenscheinlich den Schattenseiten modernen Datings widmet, dann aber eine Abbiegung in abgründige Horrorgefilde nimmt. Welche das sind, sollte man sich nicht vorwegnehmen, weshalb wir uns dahingehend bei der Besprechung dieses Films auch vage halten. Erschreckenderweise ist das Marketing nämlich wieder einmal sehr selbstverräterisch unterwegs: Selbst das US-Poster des Films nimmt etwas Wichtiges vorweg! Soviel darf aber gesagt sein: Die “Verpackung” verspricht mit edlen Locations, Sebastian Stan (Falcon and the Winter Soldier) und Daisy Edgar-Jones (Krieg der Welten) eine charmante Rom-Com, die es dann aber in sich hat. Nicht umsonst landete Fresh im Programm der Fantasy Filmfest Nights 2022 (dort übrigens als Abschlussfilm). Am 17. April 2022 hat der Film seine feste Streaming-Heimat im Star-Bereich auf Disney+ gefunden. 

 

Noa (Daisy Edgar-Jones) ist auf der Suche nach einem Partner. Gerade hat sie ein schreckliches Tinder-Match hinter sich, als sie im Supermarkt von dem charmanten Steve (Sebastian Stan) angesprochen wird. Dessen Charme verfällt sie schnell, denn mit Empathie und Witz erobert er bei den folgenden Dates ihr Herz. Wie Noa mag auch Steve keine langen Kennenlernphasen und da beide ohnehin auf einer Wellenlänge zu liegen scheinen, sagt Noa einem gemeinsamen Wochenendtrip zu. Der erste Abend verläuft schließlich ganz anders als geplant und Noa muss erkennen, dass Steve ganz besondere Vorlieben hat …

Psychopath mit Charme

Originaltitel Fresh
Jahr 2022
Land USA
Genre Horror-Thriller, Romanze
Regie Mimi Cave
Cast Noa: Daisy Edgar-Jones
Steve: Sebastian Stan
Mollie: Jojo Gibbs
Penny: Andrea Bang
Paul: Dayo Okeniyi
Ann: Charlotte Le Bon
Laufzeit 114 Minuten
FSK unbekannt
Veröffentlichung: 17. April 2022 auf Disney+

Die größte Stärke von Fresh stellt sich schon im Prolog heraus: Die Chemie zwischen Daisy Edgar-Jons und Sebastian Stan funktioniert wunderbar. Während es für die Britin Edgar-Jones die erste große Rolle ist, ist Stan dank seiner Tätigkeit als Marvel-Held längst ein erfahrener Disney-Star. Das Drehbuch stammt von Lauryn Kahn (Ibiza), deren Ziel es war, einen Horrorfilm für ein Publikum zu schreiben, das sonst wenig mit dem Genre zu tun hat. Auf den ersten Blick sieht nämlich auch alles nach einer romantischen Komödie aus, sodass sich mit Sicherheit nicht wenige Nutzer:innen auf Disney+ einfach mal verirren könnten … Den spürbar größten Einfluss auf das Geschehen hat allerdings Regisseurin Mimi Cave, deren erster Langfilm Fresh ist. Sie bringt eine spürbar feministische Perspektive auf die Dinge mit und füllt die Dialoge mit viel Leben, nimm sich Zeit für Ästhetik und das Befinden ihrer Figuren. Wie in der Netflix-Serie You – Du wirst mich lieben erleben wir einen nahbaren Psychopathen, der seine Manieren auch nach seiner Demaskierung beibehält. Sebastian Stan verkörpert seinen Steve mit ebenso viel Charme wie Wahnsinn. Seine Rolle ist so angelegt, dass er ein breites Spektrum seiner schauspielerischen Fähigkeiten zum Besten geben darf. Die Chemie der beiden Hauptfiguren profitiert vom Gespür der Regisseurin für zwischenmenschliche Momente.

Mehr Kopfkino als Herausforderung für die Augen

Angesichts der Thematik, die der Film nach dem Prolog aufgreift, geht es ziemlich brutal zu. Nicht aber unbedingt grafisch. Heißt: man kann über alles reden, muss aber nicht alles zeigen. Das Kopfkino erledigt dabei mehr als die Kamera. Manchem Horror-Fan mag das zu wenig sein, während das einem zartbesaiteten Publikum schon wieder zu viel sein kann. Die richtige Mischung für eine solche Mainstream-Produktion zu finden, ist schwierig. Die eingestreuten Spitzen des Dialogs ziehen der perfiden Situation immer wieder den Stachel. Der Fokus bleibt dabei stets auf den Spannungen zwischen Noa und Steve, während die Hintergrundgeschichte durchaus noch ein wenig Fleisch verdient hätte. So werden vor allem die Nebenfiguren eher zweckmäßig durch die Geschichte manövriert, werfen aber auch manche handlungsrelevanten Fragen auf, die nur unzulässig beantwortet werden. Auch hier muss das Kopfkino wieder restliche Arbeit übernehmen.

Schweres mit Leichtigkeit inszeniert

Cave lässt sich viel Zeit. Mit 114 Minuten ist die Handlung relativ ausgedehnt und die Regisseurin nimmt sich die Freiheit, die Geschichte mit extralangem Prolog und nicht-chronologischer Reihenfolge der Szenen zu erzählen. Fresh ist trotz seiner Thematik nicht nur angenehm erzählt, sondern auch inszeniert: Immer wieder entsteht dank der entsprechenden Videoclip-Ästhetik das Gefühl, als würde man es mit einem Musikvideo zu tun haben. Das alles ist aufwendig produziert und hebt sich aus Genre-Perspektive deutlich von dem hervor, was die Kernthematik sonst so zu Tage befördert. Auch der coole Soundtrack trägt einen Großteil dazu bei, dass Fresh ganz weit davon entfernt ist, in Richtung Düsternis einzuschlagen. Das erinnert an den Klassenprimus Promising Young Woman: schwere Thematik bei lockerer und leicht zugänglicher Inszenierung.

Fazit

Mimi Cave legt ein Regie-Debüt hin, das Eindruck hinterlässt: Fresh bringt eine moderne Perspektive auf alle beteiligten Genres mit und ist mit viel Leben gefüllt. Sebastian Stan und Daisy Edgar-Jones stehen in Sachen Präsenz ihren Kollegen starbesetzter Rom-Coms oder auch dem einen oder anderen erotischen Thriller in nichts nach. Über die zwei Stunden Laufzeit sind einige Wendungen verstreut, die für Kurzweile sorgen. Schade ist nur, dass nicht jede Idee zu Ende gedacht wird und vieles schließlich dem eigenen Kopfkino überlassen wird, was auch für einige abstoßende Momente gilt. Dass der Titel so massentauglich produziert und vermarktet wird, ist ebenso verwunderlich, wie gleichzeitig auch nicht. Filme wie Fresh sind für Disney+ auch ein wichtiges Prestige-Objekt, da sie verdeutlichen wollen, dass die Star-Sparte mit  erwachsenen Genre-Produktionen überzeugen kann. Dazu zählen etwa auch die Comic-Adaption Y – The Last Man und der Thriller No Exit.

© Disney

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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