Baby Driver

Was braucht man, um ein guter Fluchtwagenfahrer zu sein? Wenn man Baby Driver glauben darf, dann reicht ein guter Song und die Flucht vor der Polizei wird zum Kinderspiel. Mit Filmen wie Shaun of the Dead und  Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt hat sich Regisseur Edgar Wright bereits einen Namen gemacht, zu Baby Driver schrieb er nun erstmals das Drehbuch komplett selbst. Heraus kam die Geschichte des jungen Fluchtwagenfahrers Baby, der die Welt durch Musik sieht, indem er immer Kopfhörer trägt und wir als Zuschauer dürfen an seiner Musikauswahl teilhaben, während der Film die Bilder dazu liefert.

 

Baby hat ein großes Talent, er ist ein begnadeter Fluchtwagenfahrer. Von diesem Talent macht der Gangsterboss Doc häufiger gebrauch und da Baby ihm – seit einem Autodiebstahl – eine Menge Geld schuldet, hat er auch keine andere Wahl, als die aufgetragenen Jobs anzunehmen. Neben seinem jungen Aussehen, das ihm den Spitznamen Baby einbrachte, hat er ein weiteres Merkmal: er hört ununterbrochen Musik, um das Pfeifen eines Tinnitus, den er seit einem Autounfall in seiner Kindheit hat, zu übertönen. Als seine Schulden fast abbezahlt sind, sieht er endlich eine Chance, seine kriminelle Karriere hinter sich zu lassen. Er lernt in einem Diner die Kellnerin Debora kennen und verliebt sich in sie. Als auch sie sich in den schweigsamen Musikfan verliebt scheint alles perfekt, aber Doc ist nicht bereit, seinen besten Fahrer und Glücksbringer einfach so fahren zu lassen…

Weil es einfach Spaß macht

Die Eröffnungsszene gibt dem Zuschauer einen sehr guten Ausblick darauf, wohin die Fahrt in den nächsten 110 Minuten gehen wird. Ein Auto steht vor einer Bank, in ihm sitzen vier Personen, auf der Rückbank ein Gangsterpärchen aller Bonnie und Clyde, auf dem Beifahrersitz ein zwielichtiger Typ und am Steuer sitzt Baby ein halbes Kind. Die drei Personen auf der Rückbank und dem Beifahrersitz steigen aus, bekleidet mit Trenchcoat und Sonnenbrille, und begeben sich in die Bank. Das seit Beginn der Szene laufende Lied nimmt langsam Fahrt auf, Baby beginnt zum Lied zu gestikulieren und mitzusingen, dem Zuschauer wird nun klar, dass er dieses über seine Kopfhörer hört und wir somit die Einzigen sind, die mithören. Die drei kommen aus der Bank, steigen wieder in das Auto und es beginnt eine rasante Flucht vor der Polizei, während das Lied “Bellbottoms von The Jon Spencer Blues Explosion spielt. Die Szene endet damit, dass sie in ein Parkhaus fahren, aussteigen und das Auto wechseln.
In den sechs Minuten der Szene wird kein einziges Wort gesprochen, es geht nur um die gespielte Musik und den Spaß, welchen man als Zuschauern beim Schauen der Szene unweigerlich empfindet. Für diesen Spaß und zum Wohl der Coolness der Charaktere wird etwas die Logik außer Acht gelassen. So tauchen auf dem Highway plötzlich rein zufällig zwei genauso wie das Fluchtauto aussehende Autos auf, mit denen man die Polizei letztendlich austrickst oder es wird das Fluchtauto mit geöffneten Türen und einer Menge Fingerabdrücke im Parkhaus stehen gelassen, da es offenbar der Coolness abträglich wäre, wenn man die Türen schließt.

Die große Liebe

Originaltitel Baby Driver
Jahr 2017
Land USA
Genre Action, Musik
Regisseur Edgar Wright
Cast „Baby“ / Miles: Ansel Elgort
Debora: Lily James
„Doc“: Kevin Spacey
„Griff“: Jon Bernthal
„Buddy“ / Jason van Horn: Jon Hamm
„Bats“ / Leon Jefferson III: Jamie Foxx
„Darling“ / Monica Costello: Eiza González
Laufzeit 112 Minuten
FSK

In der ersten Hälfte des Films steht Spaß klar im Vordergrund, aber spätestens mit dem Auftreten von Debora, gespielt von Lily James (Downton Abbey), in die sich Baby, gespielt von Ansel Elgort (Das Schicksal ist ein mieser Verräter), direkt verliebt, wird dem Zuschauer klar, dass der Spaß bald ein Ende hat, denn Baby hat nun etwas zu verlieren. So entwickelt sich die zweite Hälfte in eine eher weniger spaßige Richtung, bei der die Schraube der Gewalt etwas zu fest angezogen wird. Der Kontrast zwischen der sehr unterhaltsamen ersten Hälfte und der ernsteren zweiten Hälfte ist etwas zu gravierend. Zwar spielt die Musik immer noch eine wichtige Rolle, aber sie wird zunehmend von der Brutalität der Realität überstimmt. Es mag eine tolle Art sein, die Geschichte eines in der Musik lebenden Menschen zu erzählen, welcher von der Realität eingeholt wird und dessen Musik zunehmend verstummt, nur scheint man anstelle des Tons hier die Tonleiter zu ändern.
Seine Motivation ist dabei nachvollziehbar, er möchte aus dem Gangstermilieu heraus und mit seiner neu gefundenen Liebe ein neues Leben anfangen. Die Geschichte ist nicht neu, aber wir erfahren genug über ihn, dass uns seine Ambitionen glaubhaft erscheinen. Nur leider erfahren wir zu wenig über Debora, sie ist bereit für Baby alles aufzugeben, dabei hat sie ihn erst wenige Tage vorher kennengelernt. Während wir von Baby zumindest wissen, dass er einen tauben Ziehvater hat, um den er sich kümmern muss, wissen wir von Debora gar nichts.

Die Musik macht den Film

Bereits 1995 hatte Edgar Wright die Idee zu einem Verfolgungsjagd-Jukebox-Filmmusical. Bei einem Jukebox-Musical werden primär bereits existierende Lieder verwendet und in eine Geschichte eingewoben, worauf letztendlich ein Musical entsteht. Baby Driver ist kein Jukebox-Musical geworben, jedoch spielt die Musik eine wesentlich wichtigere Rolle als in einem herkömmlichen Film, denn sie ist immer präsent und der Film nimmt öfters Bezug auf die Musik. Zum Beispiel wird in dem laufenden Lied das Wort „Soul“ gesungen, so rückt ein Aufkleber mit der Aufschrift „Soul“, welcher an einer Laterne klebt, kurz in den Fokus, da Baby gerade daran vorbei geht. Manchmal ist nicht ganz klar, was war zuerst da, die Musik oder der Film. Die Antwort ist, es entstand erst die Musik von Filmkomponist und Oscar-Preisträger Steven Price (Gravity), denn das Drehbuch bestand aus einer App, bei der man zur entsprechenden Szene den jeweiligen Song hören konnte, während man das Drehbuch las. Doch die Musik ist nicht das Einzige, was den Film sehenswert macht, denn auch die Actionszenen, welche komplett ohne CGI auskommen, sind nicht zu verachten, dabei werden Verfolgungsjagden zwar nicht neu erfunden, aber sehr actionreich und spaßig in Szene gesetzt. Mit Schauspielern wie Jamie Foxx (Django Unchained), Jon Hamm (Mad Men) und Kevin Spacey (House of Cards) hat der Film auch in der zweiten Reihe einiges zu bieten, wenngleich sie zu erwartende Gangsterrollen spielen, welche sicher auch von anderen Schauspielern hätten gespielt werden können.

Fazit

Baby Driver erzählt keine sonderlich neue Geschichte und coole Gangsterfilme gibt es seit Pulp Fiction wie Sand am Meer, aber Fokus auf die Musik gibt dem Film eine ganz eigene Note. Außerdem hat man mit Baby eine Hauptfigur, die eindeutig nicht in die Welt passt, in der er sich gerade bewegt, aber sich darin zu behaupten weiß und allen häufig die Show stiehlt. Sicherlich nicht der beste Film des Jahres 2017, aber definitiv mein Film des Jahres, da ich mit keinem anderen so viel Spaß hatte.

Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
guest
1 Kommentar
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
Ayres
Redakteur
20. Dezember 2017 14:06

Danke für die Vorstellung. Bin ja immer interessiert an Filmen, in denen der Soundtrack besonders prominent (andere nennen es aufdringlich) platziert ist. Insofern könnte das etwas für mich sein 😉 Ich werde berichten.