Thor: Love and Thunder
Thor hatte schon immer eine Sonderstellung im Marvel-Universum. Denn der blonde Hüne mit dem Streithammer ist kein Mensch mit Superkräften, sondern ein waschechter nordischer Gott. Seit 2011 von Chris Hemsworth (Snow White and the Huntsman) verkörpert, tobte Thor bereits hammerschwingend durch zehn Marvel-Filme. Mit Thor: Love and Thunder, dem mittlerweile vierten Solo-Film um den Weltraum-Wikinger, lässt Regisseur und Autor Taika Waititi nach Thor: Tag der Entscheidung erneut sein komödiantisches Talent spielen, um einen Marvel-Film der ganz besonderen Art abzuliefern: eine knallbunte Komödie zwischen Parodie und Liebeserklärung an das Genre. Am 13. Oktober 2022 erschien der Film als Handelsversion.
Ein Gott hat es nicht leicht. Hammer: in Stücken. Asgard: untergegangen, Neu-Asgard ist ein Touristenattraktion mit Kreuzfahrt-Terminal. Vater, Bruder, Schwester: alle tot. Liebe: futsch. Da zieht sich Thor zur Selbstfindung zurück und landet schließlich bei der bunten Truppe der Guardians of the Galaxy, um zu altem Heldenformat zurückzufinden. Andernorts macht ein frommer Mann (Christian Bale, The Dark Knight) eine existenzumkrempelnde Erfahrung. Nachdem er Haus, Hof, Heimat und seine kleine Tochter verloren und dennoch sein Gottvertrauen bewahrt hat, muss er feststellen, dass sein Gott ein zynischer Mistkerl ist, der sich einen Dreck um seine Anhänger schert. Aus Gorr, dem Gläubigen wird Gorr, der Götterschlächter. Bewaffnet mit einem magischen Schwert der Vernichtung macht er sich auf, alle Götter des Universums zu meucheln. Von Lady Sif (Jaimie Alexander) zu Hilfe gerufen, stellt Thor sich dem göttermordenden Schwertkämpfer. Doch der entkommt und nimmt eine Gruppe Kinder aus Asgard als Geiseln. Und Gott Zeus (Russell Crowe, Gladiator), bei dem Thor um Unterstützung bittet, ist keine Hilfe. Dafür hat Jane Foster (Natalie Portman, Star Wars Episode I-III), Thors Ex-Freundin, auf der Suche nach einem Heilmittel für ihre Krebs-Erkrankung in Neu-Asgard den zerstörten Hammer Mjölnir gefunden, der nun ihrem Ruf folgt und ihr die gleichen Kräfte verleiht wie Thor. Gemeinsam mit der letzten Walküre (Tessa Thomson, Westworld) und dem geschwätzigen Steinwesen Korg (Taika Waititi, Jojo Rabbit) machen Thor und “Mighty Thor” Jane sich auf, die entführten Kinder zu befreien und Gorr daran zu hindern, sich vom wunscherfüllenden Wesen Eternity den Untergang aller Götter zu wünschen.
Die Götter müssen verrückt sein
Originaltitel | Thor: Love and Thunder |
Jahr | 2022 |
Land | USA |
Genre | Fantasy, Komödie |
Regie | Taika Waititi |
Cast | Thor: Chris Hemsworth Jane Foster: Natalie Portman Gorr: Christian Bale Korg: Taika Waititi König Walküre: Tessa Thompson Zeus: Russell Crowe Lady Sif: Jaimie Alexander Star-Lord: Chris Pratt |
Laufzeit | 119 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 13. Oktober 2022 |
Diesmal also ein Marvel-Film ohne Superhelden. Dafür mit Göttern. Bisher kannte das MCU die Marvel-Version der nordischen Götterwelt, doch die ist in mittlerweile abgearbeitet. Wer das alles nicht mehr auf dem Schirm hat, der kriegt es von Korg, dem dauernquasselnden Stein-Alien mit der Stimme von Taika Waititi himself erklärt. Schön, mal so einen Schnelldurchlauf durch die MCU-Lore zu kriegen, denn nicht jeder kann ein ganzes Universum im Kopf haben, bloß weil er mal Spaß im Kino haben will. Aber offenbar ist die Götterwelt des MCU viel größer als Asgard. Thor: Love and Thunder zeigt uns viele verschiedene, allerdings mit einem deutlichen Drall Richtung griechische Mythologie. So etwas hat man eigentlich zum letzten Mal bei den Filmen von Ray Harryhausen gesehen, mit ihren Stop Motion-Monstern und ihren antiken Göttern in Bettlaken-Gewändern. Waititi zitiert diesem mittlerweile unfreiwillig komisch wirkenden Stil, nur, dass er die CGI der 2020er Jahre zur Verfügung hat und schafft bombastische Welten für göttliche Witzfiguren, denn Sympathieträger sind sie wahrlich nicht. Eher verschroben und skurril, mit einem Hang zu barocker Kostümpracht und grandiosem Selbstdarstellertum. Dabei egozentrisch, arrogant und scheinheilig. Russell Crowe gibt einen herrlich unsympathischen Gott Zeus, der nur auf die nächste Orgie wartet, mit Bäuchlein in goldener Rüstung, Lockenperücke und merkwürdigem Akzent, der wohl griechisch sein soll. Da tut sich eine riesige Spielwiese für künftige Filme auf und die Mid-Credit-Szene triggert schon einen an.
Marvel mal in lustig
MCU-Filme sind nie völlig humorfrei. An den Rändern, zwischen all dem Kampfgetümmel, geht es schon komödiantisch zu. Aber wenn Akteure in überdrehten Kostümen vorgeben, mit übermenschlichen Kräften die Welt zu retten, dann muss man das schon ernst nehmen und eine ordentliche Pathos-Höhe generieren, damit das Publikum seinen Sinn für Realität zeitweise abschaltet und mitgeht, anstatt im falschen Moment zu kichern. Muss man? Regisseur und Autor Waititi lotet aus, wie weit man das Prinzip durch die Mangel drehen und trotzdem einen Superheldenfilm machen kann. Er zieht seinen Protagonisten durch den Kakao, wo es nur geht. Thor mit Bierbauch und mit nacktem Hintern, mit einer eifersüchtigen Streitaxt und einer Liebsten, die selber den Hammer schwingt. Jede Menge epische Momente, die sofort durch einen Gag zum Einsturz gebracht werden. Markige Sprüche, die sofort als hohle Phrasen enttarnt werden. Und trotzdem bleibt Thor ein Held. Sogar ein besonders liebenswerter. Denn wer so epische Schlachten schlagen kann, dem kann kein Kalauer etwas anhaben, man mag ihn dafür umso mehr. Ja, das funktioniert wirklich.
Und wenn mal was ernst gemeint ist?
Dann knarrt es leider im Gebälk. Wer gern Anime und Manga konsumiert, der kennt Geschichten und Figuren, wo größtmögliche Albernheit neben tiefgefühlter Tragödie steht und beides funktioniert. Waititi versucht sich auf diesem Terrain, aber glücken will es nicht. Schön, dass Jane Foster auch mal Thors Hammer schwingen und damit zu Mighty Thor wird, das freut alle. Dass sie außerdem Krebs hat und kein magisches Artefakt dagegen hilft, bleibt ein Fremdkörper in der Geschichte. Der Antagonist, Gorr der Götterschlächter, könnte ein durchaus eindrucksvoller Schurke sein, mit seinem weißen Tüchergewand, seinem magischen Schwert und seinem schwarzweißen Reich der Schatten, aus denen spinnenbeinige Monster kriechen. Und das Skript liefert Christian Bale einige wortreiche Szenen, die Schauspieler lieben, weil sie da alles hervorkramen können, was sie auf der Schauspielschule gelernt haben. Und trotzdem funktioniert es nicht. Weil er in einer Welt, in der nichts ernst gemeint ist und jeder Anflug von Pathos nur zum nächsten Gag führt, einen ernsthaften Handlungsmotor hat, den man nicht durch einen selbstreferenziellen Scherz wegschubsen kann. Das Finale, auf das Waititi und Drehbuchautorin Jennifer Kaytin Robinson sicher jede Menge Gehirnschmalz verwendeten, weil es eben nicht in einem knackigen Kampf endet, sondern mit viel Worten und viel Emotion, will einfach nicht zünden. Erst als Thor
Fazit
Die knalligen Farbverlaufsbuchstaben des Film-Logos zwischen Rummelplatz und Billig-Heavy Metal auf dem offiziellen Key Visual. Das sieht so richtig nach Spaß und völlig unernster Herangehensweise aus. Und es ist Nutella drin, wo Nutella draufsteht. Genauso ist Thor: Love and Thunder. Taika Waititi liefert als 29. Film des Marvel Cinematic Universe eine kunterbunte Tüte Gags und Eye Candy ab, die sowohl den kindlichen Seelen im Publikum glänzende Augen beschert als auch den Zuschauern mit der Ironie-Brille jede Menge egostreichelnde Lacher, wenn immer wieder großes Pathos aufgebaut und sofort wieder zum Platzen gebracht wird. Schade, dass Schauspieler wie Christian Bale und Natalie Portman in ihren ernsten Momenten all ihr Talent einsetzen müssen um gegen dieses allumfassende Spaßkonzept anzukämpfen und dann doch eher glanzlos dazustehen, anstatt Energien daraus ziehen zu können. Trotzdem ein fast rundum gelungener Sommer-Popcornfilm der pfiffigen Sorte. Noch mehr wunderbar geschmacklose Schriftzüge gibt es im Abspann übrigens zuhauf. Sowie zwei nachgeschobene Szenen, für die man unbedingt sitzen bleiben sollte.
Zweite Meinung
Wie Moon Knight setzt auch Thor: Love and Thunder das Worldbuilding rund um Götter fort und das in einem visuell so aufregenden Mix wie man ihn vielleicht von Doctor Strange in the Multiverse of Madness erwartet hätte. Im Wesentlichen funktionieren die einzelnen Bestandteile trotz Klamauk-Überdosis. Wenn die Meta-Sketch-Ziegenparade erst einmal losdonnert, sind das die besten Momente des Films. Sobald es an die erzählerischen Eckpfeiler geht, fällt dem Film genau das auf die Füße: Der fehlende Ernst und ausbleibende Pathos sorgen dafür, dass die Geschichte um Jane Foster wenig berührt. Taika Waititi hebelt nahezu jede Fallhöhe mit sofortiger Wirkung aus, wodurch nie wirklich Dramatik entsteht. Schade ist, dass ausgerechnet der an sich brillant spielende Christian Bale, der das Maximum aus seiner interessanten Rolle herausholt, als Gorr wenig Profil bekommt und seine Geschichte nur nebenher mitläuft, ohne aber wirklich bedeutsam zu sein. Seine Figur ist viel zu tragisch und wesentlich zu düster für so einen bunten Film angelegt, dessen gesamte Tonalität der Figur nicht gerecht wird. Fünf Minuten Prolog sind eben kein Garant für eine glaubhafte Motivation und somit wird wieder einmal ein spannender Bösewicht für eine Comedy-Show verbraten. Etwas, das sich wie ein roter Faden durch das MCU zieht, bedauerlich. Achja: Um LGBTQ+-Figuren zu selbstverständlichen Bestandteilen zu machen, müssen die Verantwortlichen noch etwas Strecke zurücklegen.
Veröffentlichung: 13. Oktober 2022