BL Forever vs. No More BL

Boys Love (BL) als Subgenre von Romanzen ist gut ein halbes Jahrhundert alt und hat nach wie vor ein eher anrüchiges Image. Aber vor allem ist es eigentlich eines: notorisch einfach absurd! BL Forever vs. No More BL widmet sich genau diesem Aspekt im Speziellen und spendiert dem Genre die überfällige herrlich systematische Parodie. Als A Man Who Defies the World of BL ist die Live-Action-Adaption schon seit einiger Zeit auf globalen Streaming-Plattformen verfügbar. Am 6. August 2022 hat es auch die Manga-Vorlage BL Forever vs. No More BL auf den deutschen Markt geschafft.

     

Der unscheinbare studentische Protagonist hat etwas begriffen: Er lebt in einer Manga-Welt. Das Genre ganz konkret? Boys Love. Kerle, die sich in Kerle verlieben. In der Regel gut aussehende Kerle. Mädchen währenddessen haben bis auf wenige Ausnahmen nur verschwommene Gesichter. Alles Erdenkliche kann zu einer BL-Romanze führen, an der unser Protagonist aber überhaupt kein Interesse hat. Für sich selbst hatte er sich eigentlich auch keine Sorgen gemacht, denn er und seine Familie sehen ausgesprochen gewöhnlich aus und sind damit bloß Statisten-Material. Aber dann erwischt es seinen kleinen Bruder! Und so liest er sich erst einmal in die Materie ein, um mit dem Wissen gegenüber all den typischen Auslösern für BL-Romanzen gewappnet zu sein. Das erklärte Ziel: unauffällig bleiben! Schließlich gilt es dieser Welt zu trotzen, seinen Eltern die Hoffnung auf Enkel zu erhalten und er steht einfach auf Brüste. Oder Katzen, besonders die eigene mag er wirklich sehr.

Wenn man in einer BL-Welt festsitzt

Originaltitel Zettai BL ni Naru Sekai VS Zettai BL ni Naritakunai Otokoi
Jahr 2018
Genre Komödie, Parodie, Boys’ Love
Band 1 / ?
Mangaka Konkici
Verlag Egmont Manga (2022)
Veröffentlichung: 6. August 2022

Ganz getreu seinem Vorhaben unscheinbar zu bleiben, hat unser Held nicht einmal einen Namen in seiner eigenen Geschichte, in der er erklärt niemals ein Protagonist sein will, aber ironischerweise genau das ist. Vermutlich ist Kommentator eher treffend, da er für (fast) alles stets eine spitzfindige Anmerkung parat hat. Denn ganz offensichtlich missfällt ihm persönlich diese Welt mit ihren Verkupplungsallüren eher. Mit Homophobie hat das aber auch nichts zu tun. Die Pärchen, von denen er unweigerlich umringt wird, lehnt er nicht ab, noch ist er von ihnen angewidert (solange sie es mit ihren peinlichen Verliebtsein nicht absolut übertreiben). Er hat für sich selbst nur absolut kein Interesse daran und eher nur ein Problem mit der Zwanghaftigkeit der Weltnorm. Die nimmt er aber auch recht resigniert-stoisch so an, es ist halt wie es ist. Nur sich ihr ergeben will er nun auch nicht und so arrangiert sich einfach damit den Tücken aus dem Weg zu gehen (Was bleibt ihm auch anderes übrig? Die Gefahren einer Romanze sind allgegenwärtig, immer und überall!).

Beiläufige BL Tropes-Enzyklopädie gefällig?

So richtig “BL” ist dieser Manga selbst eigentlich nicht, da keine Romanze, sondern die Parodie im Vordergrund steht. Quantitativ wird aber definitiv mit mehr BL aufgewartet, als jeder reguläre Eintrag aus dem Genre. Als Parodie zündet BL Forever vs. No More BL naturgemäß umso mehr, je mehr man davon schon ausprobiert (und sich dabei verbrannt) hat. Denn die Serie hält mit schonungslosem Zynismus vor, welch abenteuerliche erzählerische Absurditäten in dem Genre durchaus die Norm sind. Und das sogar nur in einem modernen, urbanen, alltäglichen Setting wie seinem eigenen; ein bisschen Eingrenzung (und Erbarmen für den Geldbeutel des Protagonisten bzgl. Recherchematerialkosten) muss für dann auch sein. Aber auch für Neulinge im Genre ist die Serie vielleicht gar nicht so ungeeignet. Man kann ein Bild von den inhaltlichen Notorietäten bekommen, ohne sich gleich die volle Ladung mit allen Details geben zu müssen. Denn wie der Protagonist beim sich Aufschlauen selbst schnell feststellen musste: Bei BLs geht es recht oft sehr flott wie heftig zu. Da er aber gekonnt allem aus dem Weg geht, bleibt allen klaren Referenzen zum Trotz alles immer noch recht kindersicher – jedenfalls was den Teil vor den Kulissen angeht.

Erster Eindruck

Der erste Band ist zugegebenermaßen ziemlich dünn für seinen Preis (125 Seiten; die Erstauflage hat zumindest einen Stickerbogen als Extra beiliegen). Ich wurde aber dennoch herrlich unterhalten. Selbst bin ich wohl offensichtlich schon zu belesen, da mir zu mehr als jedem zweiten vorstellten Trope ein Beispiel einfiel. Aber schmunzeln muss ich vor allem darüber, dass es mir ziemlich wie dem Protagonisten geht: Eigentlich bin ich überhaupt nicht Fan des Genres, ich lese es trotzdem andauernd, wenn auch aus anderen Gründen. Daher sind seine Gesichter, wenn er sich mit der Materie abgibt, absolut erste Sahne. Das BL-Genre ertrinkt immer noch in seinem Sammelsurium von oft Mülleimer-würdigem Schnulz und Porn. Die Suche nach den seltenen Juwelen abseits der üblichen Klischees ist meist eine dornige Angelegenheit. Aber mit diesem Goldstück lässt sich durchaus sagen: Selbst all der Trash hatte doch noch seinen Nutzen! Und wer ihn mag, bekommt ein Schnupper-Buffet davon serviert.

© Egmont Manga


Veröffentlichung: 6. August 2022

Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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