Bastard!! Der Gott der Zerstörung
Wenn man als Antwort auf die Frage “Was hast du zuletzt gesehen?” von seinem Gesprächspartner die Antwort “Bastard!!” bekommt, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Beziehung ist an einen Punkt angekommen, an dem bald Haushaltsgegenstände und zufällig herumliegende Holzfälleräxte zweckentfremdet werden oder der gegenüber ist Anhänger von Dark Fantasy-Anime, die eine Tendenz haben, in ihren Titeln etwas ruppig zu werden (Berserk!, Vagabond!, Bastard!!). Unglücklicherweise ist offen, welche der beiden Optionen zu bevorzugen ist. Denn die 2022 auf Netflix erschienene Neu-Adaption von Bastard!!: Gott der Zerstörung, deren erste Staffel im Juni begann und im September beendet wurde, ist zwar eine deutlich ausführlichere Variante des ursprünglichen (Kleiderspreng)Stoffes von Kazushi Hagiwara als die sechsteilige OVA-Serie aus dem antiken Jahr 1992, aber wie so oft ist ‘mehr’ nicht automatisch ‘Mehr gut’. Und nach 24 Folgen drögen Dark Fantasy-Gebummel mit Protagonist Dark Schneider wirkt ein vermutlich beziehungsbeendendes Axtduell fast schon verheißungsvoll.
Vor einem guten Bündel Jahre hatte die Menschheit eine glorreiche Idee: Warum nicht einen unfassbar mächtigen Gott der Zerstörung mit dunkler Magie erschaffen? Gesagt, getan. Ein paar Männer, ein Wort und das lautete Anthrasax. Unglücklicherweise endete der Plan und jedwede Überlegung mit besagtem Schritt, entsprechend kann man sich die leicht hilflose Enttäuschung lebhaft vorstellen, als die neugeborene Inkarnation allen Übels mit vielsagendem Titel eben diesem gerecht zu werden versuchte. Einen Schwung Jahre und eine verlustreiche Versiegelung später, hat sich eine dunkle Armee zusammengerottet. Angeführt von vier mächtigen Miesepetern, die das moderate Monarchentum Metallicana zu massakrieren suchen. Zweck und Ziel: eine zünftige Entsiegelung. Da die Hoffnung schneller schwindet als ein Schneemann mit Zentralheizung muss die Menschheit auf eine alte Weisheit zurückgreifen und Feuer mit Feuer bekämpfen. Oder vielmehr Übel mit noch größerem Übel. Der Name: Dark Schneider. Der einstige Beruf: Anführer dunkler Armeen, mächtiger Magier und blutdürstiger Eroberer. Jetziger Wohnort: Seele eines 14-jährigen Jungen so unbescholten und rein, dass Fliegen sich vermutlich selbst lieber klammheimlich zerklatschen, um ihn nicht zu behelligen. Aber wird es gelingen, den Tyrannen zu bändigen und seine Hilfe zu erringen?
Große Erwartungen
Originaltitel | Bastard!! Ankoku no Hankai Shin |
Jahr | 2022 |
Episoden | 24 |
Genre | Dark Fantasy |
Regie | Takaharu Ozaki |
Studio | Lidenfilms |
Veröffentlichung: 15. September 2022 |
Nach eingehender Betrachtung von Cover und Inhaltsangabe werden vermutlich zwei Schlussfolgerungen über die Synpasen schliddern: Erstens werden aller Voraussicht nach keine intellektuellen Höchstleistungen gefordert und es bewegt sich eher im spaßig brutalen Allerlei-Bereich. Zweitens dürften auch Metal-Unbedarfte spätestens den Namen ‘Metallicana’ mit einem erkennenden Blinzeln nochmal lesen. Tatsächlich vollführt die Serie ein akutes Name-Dropping Deluxe und wuselt sich bunt durch die düster-blutige-glorreiche Welt des ‘Heavy Metal’. Besonders stark ist das im Opening “Bloody Power Fame” von Coldrain zu erkennen, in der gefühlt jede zweite Pose, in die sich der kleidungsscheue Protagonist Dark Schneider wirft, als Plattencover verewigt werden könnte. Oder schlicht eine Anspielung auf ein Existierendes ist. Manch ein schwarz geschminktes Auge könnte verzückt aufleuchten und folgende Erwartung bilden: Eine neue Serie, die sich ausgiebig auf ein mit ‘Heavy Metal’-Einflüssen beworfenes Ursprungswerk aus dem Jahr 1988 stürzt – welches übrigens noch nicht einmal beendet ist (!) –, in der sich ein mahnisch lachender, überheblicher, Bodybuilder in Ohnmacht fallenlassender, zwei leichter als Luft bekleidete Damen an jedem Bizeps behängter Adonis sich mit Feuer, Schwert und Feuerschwert durch Horden ungehobelter Unholde und röhrender Monstren säbelt, während im Hintergrund irgendwo eine Band ihre Instrumente hinrichtet. Das könnte spaßig werden!
Mit Krachen und Zwinkern
So könnte man denken, aber der dramatische Absatz lässt anderes vermuten. Tatsächlich schafft Bastard!! etwas, das mit dieser Aufstellung und Ausgangslage nahezu unmöglich scheint: Stachelhalsband abstumpfend langweilig zu sein. Dabei fängt es in den ersten Folgen zunächst vielversprechend an. Nach leicht langwieriger Einleitung wird alsbald durch einen dunklen Nekromanten der dubios keckernd lachenden Sorte zum Angriff auf Metallicana geblasen, bei der die versammelte Wachmannschaft schnell zu unansehnlichen Breiflecken verarbeitet wird. Währenddessen ziert sich Yoko, eine Priestertochter und Babysitterin des Bösen, noch zum letzten Mittel zu greifen und aus dem 14-jährigen Buben per Jungfrauenschmatzer Dark Schneider herauszulocken. Ah, wird man denken: Trotz all der brutalen Gewalt direkt vor ihren Augen, zögert sie, dieses Übel auf die Welt loszulassen, unwissend welch schreckliche Konsequenzen es haben könnte und ob der Tod dem nicht vorzuziehen sei! Wahrlich nobel. Pustekuchen. Sie lässt quasi die Hälfte des Königreichs verwitwern und verwaisen, weil ein Kuss ja schon dolle peinlich ist. Klares Signal: Über die Handlung selbst möglichst wenig nachdenken, da sie sich nicht allzu ernst nimmt, was auch an einer immer wiederkehrendem Hang zur Parodie erkennbar ist, in der recht platt die vierte Wand zertrümmert wird. Aber wen kümmert es, denn nun steht endlich der Protagonist in all seiner muskulösen Glorie vor der versammlten Mann- und Frauenschaft, um mit wirren Zauberspruchformeln, die wie ein Spickzettel eines Scrabble-Spielers wirken, die heranpreschenden Horden zu vaporisieren. So kann’s gerne weitergehen!
Und täglich grüßt das Schneiderlein
Tut’s aber nicht. Wie angemerkt: Der Anfang ist durchaus launig und da die Geschichte mit einem deutlich Augenzwinkern daher kommt, kann man problemlos verzeihen, wenn die Handlung selbst dünner ist als die Stofffetzen, der der weiblichen Belegschaft im Umkleideraum zur Verfügung gestellt wurde. Dummerweise beginnt dann sehr schnell ein sich ewig wiederholender Trott in ‘Bad Guy of the Day’-Manier, die von Dark Schneider in wortreichen Gefechten zu Kleinholz verarbeitet werden. ‘Wortreich’ muss dabei übrigens von einem gequälten Gitarrenriff unterlegt werden, denn mitunter werden die Kämpfe zu einer regelrechten Farce. Natürlich ist die Obererklärung von Geschehnissen ein altbekanntes Trope im Anime-Bereich, aber Bastard!! springt auf den Thron und wirft mit Wörterbüchern um sich. Eine kurze beispielhafte Abfolge soll illustrieren, was gemeint ist: Dark Schneider und Knochenkalle 754 donnern sich Feuerbälle um die Ohren. Schnitt auf seine dösig am Rande stehende Erklärtruppe: ‘Dark Schneider und Knochenkalle 754 haben gerade zwei mächtige Zaubersprüche verwendet, die ganz doll mächtig sind!’. Dark Schneider und Knochenkalle 754 muhahaha’en ein wenig um die Wette. Schnitt auf Erklärtruppe: ‘Sie sind sich beide ihres Sieges sicher, warum nur?!’. Knochenkalle 754 vollführt ultrapompösen Zaubermove. Schnitt auf Erklärtruppe: ‘Knochenkalle 754 hat gerade einen richtig mächtigen Supermove gemacht!’. Dark Schneider scheint aus dem Leben gepustet, obwohl bereits mehrfach etabliert wurde, dass der Mann vermutlich taktische Atombomben mit den Zähnen fängt, um Karies zu entfernen. Schnitt auf Erklärtruppe: ‘Oh nein, alles ist verloren! Er ist tatsächlich tot!’ Dark Schneider tritt mit Anlauf in das Gesäß von Knochenkalle 754. Schnitt auf jubelnde Erklärtruppe, die ‘Was für ein Typ!’ brüllen, während die Frauen errötend nackt vor sich hindenken.
All das: Ad infinitum. 24 Episoden lang. In einem besonders wagemutigen Moment “stirbt” Dark Schneider gar doppelt. Ein gemurmeltes ‘Bleib bitte tot’ mag da dem ein oder anderen über die Lippen kommen.
Aber … Brüste!
Diese Art der gnadenlosen Bewortung der Kämpfe macht es schlicht unmöglich, eine ordentliche Dynamik zu genießen. Meist prallen nur Energiestrahlen und Erklärungen aufeinander. Ja, die Zaubereffekte sind wuchtig und die generelle Bildqualität vorhanden, aber die Begegnungen mit all den Monstrositäten mit ihren zusammengestoppelten Namen sind nicht befriedigend, sondern vielmehr ermüdend. Was bleibt denn dann, wenn Plot und Kämpfe mehr oder weniger flach fallen? Möglicherweise der ganz und gar nicht flache “Plot”. Zwinker Zwinker. Bastard!! hat einige glasklare Aufgaben für seine weiblichen Figuren: Punkt 1: Sich möglichst schnell und ohne Umschweife in Dark Schneider zu verlieben, so dass selbst James Bond ein wenig die Augen verdreht. Punkt 2: Möglichst schnell und oft die ohnehin allgemeinen Fantasy-Reich-Sparmaßnahmen zum Opfer gefallenen Kleider gänzlich an die Luft setzen. Insbesondere wenn sie sich in gedanklichen Monologen ergehen, denn wie jeder bestätigen kann, stellt man sich selbst grundsätzlich nackt vor, wenn man gedankliche Zwiesprache hält. Ist einfach so. Natürlich geht Bastard!! hier nie die ganze Strecke und jeder Nippel musste an der Studiotür abgegeben werden, aber dennoch wird ECCHI hier in glänzenden und BH-behangenen Großbuchstaben geschrieben. Kein Hauch, sondern ein erotisches Laubgebläse, das den ein oder anderen vermutlich unwirsch blinzeln lassen wird. Wieder andere werden sich Augenbrauen wackelnd freuen, wobei wohl selbst der gestandenste Busenfreund irgendwann erschlaffen dürfte.
Fazit
Vorweg sei gesagt, dass ich die Vorlage oder die ältere OVA-Reihe nicht kenne und nur ein vages Metal-Verständnis habe. Eventuell rührt es daher, dass ich beim besten Willen nicht erkennen kann, warum man sich Bastard!! Der Gott der Zerstörung anschauen sollte. Vom Setup her hatte ich mich auf eine düster blutige nicht immer ganz ernste und zwinkernde Dark-Fantasy-Action-Einlage eingestellt, aber davon bietet die Serie schlicht viel zu wenig. Die Kämpfe sind weder spannend noch dynamisch und werden in einer Weise zerredet, die mir so noch nie aufgefallen ist. Die Handlung selbst ist denkbar simpel ohne große Schnörkel, was ich an sich begrüße, aber es bedeutet auch, dass ich etwas anderes brauche, an dem ich mich festhalten kann. Und nein, der Vorbau von Darkelfe eins, zwei oder drei reicht da nicht. Nichts gegen Erotik. Nichts gegen Ecchi, aber da braucht es ein bisschen mehr. Irgendwann hatte ich mir die Frage gestellt, ob schlicht alles ironisch gemeint sein soll, nicht nur die expliziteren parodistischen Elemente. Das quasi absichtsvoll all die Erklärungen in den Kämpfen und die endlosen Monologe und Todes-Fake-Outs aufeinanderfolgen, um Augenbrauen wiggelnd und lächelnd darauf hinzuweisen, wie es im Genre funktioniert. Das Problem wäre dann nur, dass es auch bitte irgendeine verflixte Punchline geben muss. Ja, Übererklärungen sind ein Trope. Ja, weibliche Charaktere in Fantasy sind meist leicht ummantelte Sexbomben etc. Gut erkannt, aber was dann? Was ist der Witz? Lediglich darauf hinzuweisen, ist noch kein Gag, es ist das, was danach kommt, was lustig oder clever sein könnte. Kurzum: Wer kreative und mit ganz eigenem Humor versehene Dark Fantasy sehen will, schaut Dorohedoro, wer auf einen visuell beeindruckenden Gore-Trip gehen will, zappt zu Devilman: Crybaby. Wer großartige Action, Witz und Figuren haben will, schaut Castlevania. Wer alles schon kennt, schaut Opening und Ending von Bastard!!, hat damit das beste mitgenommen und widmet sich vielleicht einer kleinen Deckchenhäkelei. Oder einem Axtduell. Je nach Laune.
© Netflix