Evil Eye

Regisseur Isaac Ezban (The Similars) steht für liebevoll gemachten und oldschooligen Grusel. Der mexikanische Regisseur verwebt in seinem Film Evil Eye mexikanischen Folk-Horror mit einer Geschichte über das Erwachsenwerden und über die Gefahren, die lauern, wenn wir beginnen, Dinge zu hinterfragen oder auch das anzweifeln, was andere uns als vertraut vorleben. Dabei herausgekommen ist ein kleiner Geheimtipp für alle Horror-Fans, die sich vor allem von dem fantastischen Horror aus Kinderaugen faszinieren lassen können oder Freude an Horrormärchen à la Guillermo del Toro haben. Im Programm der Fantasy Filmfest White Nights 2023 war der Titel damit prima aufgehoben, eine deutsche Veröffentlichung steht momentan allerdings noch in den Sternen. 

Die 13-jährige Nala (Paola Miguel) liebt ihre kleine Schwester Luna (Ivanna Sofia Ferro) zwar, leidet aber darunter, dass die Familie ihr gesamtes Leben auf die Krankheit ihrer Schwester ausrichtet. Ein weiterer verzweifelter Versuch liegt auf dem Besuch der Großmutter Josefa (Ofelia Medina, Rina), die auf dem Land lebt. Doch die Eltern müssen abrupt abreisen, denn es ergeben sich neue Behandlungsmöglichkeiten. Sie lassen ihre beiden Töchter in der Obhut der schroffen Abuela. Zunächst ist Nala vor allem von Langeweile geplagt, denn es gibt auf dem Land kein Wifi. Doch dann zeigt die strenge Oma ihr wahres Gesicht und verdonnert Nala zur Reinigung des Pools. Die einzige Ablenkung stellen die Gruselgeschichten der Bediensteten Abigail (Paloma Alvamar) dar. Diese bringen Nala auf einen Verdacht: Ist ihre Abuela eine Hexe?

Schauermär durch Kinderaugen

Originaltitel Mal de Ojo
Jahr 2022
Land Mexiko
Genre Horror
Regie Isaac Ezban
Cast Nala: Paola Miguel
Luna: Ivanna Sofia Ferro
Josefa: Ofelia Medina
Abigail: Paloma Alvamar
Pedro: Mauro González
Rebecca: Samantha Castillo
Laufzeit 100 Minuten
FSK unbekannt
Titel im Programm der Fantasy Filmfest White Nights 2023

Isaac Ezban erzählt eine folkloristisch angehauchte Horror-Geschichte über Hexerei und Flüche, die ihren Ursprung in früheren Jahrhunderten hat und diese Thematik in die heutige Zeit verlegt. Das macht er in aller Ausführlichkeit, was zur Folge hat, dass einige Inhalte seiner Geschichte bereits in den ersten 20 Minuten vorweggegriffen werden. An der Stelle wäre es nicht verkehrt gewesen, zumindest ein paar Details auszusparen. Gleichzeitig wachsen Nalas Paranoia-Momente gegenüber Josefa an und gemeinsam mit den Zuschauer:innen hinterfragt sie die wahre Person ihrer Abuela. Ist etwas dran an Abigails ekeligen Geschichten? Welche Rolle spielt die stets freundliche Angestellte Abigail selbst? Das Entdecken durch die Kinderaugen ist äußerst faszinierend und birgt den Grusel, den wir in der Kindheit erlebt haben, als wir zum ersten Mal mit Übernatürlichem konfrontiert wurden. Das Inventar des Hauses (mitsamt verschließbarem Festnetz-Telefon) birgt schon einiges an morbider Atmosphäre. Hier kann man sich als Kind einfach nur unwohl fühlen, gleichzeitig ist das in die Jahre gekommene Haus auch im Besitz einer Person, die einige Jahrzehnte mehr auf dem Buckel hat. Welche Rolle spielt Moderne noch im Alter? Und was sind die wirklich wichtigen Dinge im Leben? Darüber herrschen geteilte Ansichten. Für Nala ist es schlimmer, kein Wifi zu haben, als kein Abendessen zu bekommen. Generationenkonflikte kommen zum Tragen und immer wieder muss hinterfragt werden, ob die alte Dame einfach nur aus einer anderen Zeit stammt und damit eine andere Schule genossen hat oder wirklich bösartig ist.

Klassischer Horror klassisch aufbereitet

Evil Eye kämpft ein wenig mit seiner Spannungskurve, ist aber durchgehend unterhaltsam. Das liegt an den sympathischen Schwestern und der gelungenen Regie, die viele Beobachtungen einfängt. Immer wieder versucht Ezban für Desorientierung zu sorgen und greift dafür auf beliebte Stilmittel wie Träume innerhalb von Träumen zu, um uns aufs Glatteis zu führen. Für das Ende hält das Drehbuch auch noch ein paar tolle Ideen bereit, die vielleicht nicht das Rad neu erfinden, aber für einen runden Abschluss sorgen.

Liebe zum Detail

Ezban arbeitet mit praktischen Effekten, die im CGI-Zeitalter wohltuend ins Auge springen und von der Liebe zum Handgemachten zeugen. Auch der dezent an Geschichten aus der Gruft erinnernde Score trägt diesen alten Retro-Grusel-Charme, nach dem sich manch einer sehnt. Angenehm ist in dem Zusammenhang auch, dass sich Evil Eye selbst gar nicht so furchtbar ernst nimmt und einige Lacher bietet, ohne je ins Lächerliche abzudriften. Der schmale Grat zwischen pointiertem Humor und Bewahrung des Ernstes der Lage ist perfekt getroffen. Audio-visuell wie tonal ist das alles eine runde Sache.

Fazit

Es lässt sich kaum von der Hand weisen: Evil Eye orientiert sich augenscheinlich an den Werken Guillermo del Toros, macht dann aber doch als düsteres Märchen sein eigenes Ding, nur eben im kleinen Rahmen. Das mexikanische Folk-Horror-Flair besitzt das gewisse Etwas, um selbst häufig erzählte Themen wie Hexerei, Flüche, Generationenkonflikte, Rebellion und Pubertät nicht angestaubt aussehen zu lassen.  Auch wenn der Film wenig Innovatives mit sich bringt, macht das Resultat dank sympathischen Figuren und Darstellern, tollem Kreaturendesign und klassischer Horroratmosphäre viel Spaß.

© Cinépolis Distribución

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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