Violet Evergarden (Folge 11)

„Es gibt keine Briefe, die es nicht wert sind, gelesen zu werden.“, sagte Violet zu Ann in Folge 10. Briefe an ihren Empfänger zu leiten, wird zunehmend Violets neuer Lebensinhalt und in Folge 11 von Violet Evergarden scheut sie nicht einmal die Gefahren eines Guerilla Gefechts, damit auch die Menschen eines Bürgerkriegs Worte an ihre Liebsten übermitteln können.

Der Krieg zwischen Norden und Süden ist offiziell vorbei, aber nicht alle sind davon angetan. Im Norden nahe Ctriall, gab es ein Kriegsgefangenenlager, dessen Insassen mit Hilfe von Gegnern der sogenannten Moderaten ausbrechen konnten und im ausgebrochenen Bürgerkrieg Guerilla Angriffe durchführen. Aus dem Camp Manace, der letzten Verteidigungslinie bekommt die CH Post einen Auftrag. Doch Hopkins gedenkt den Auftrag aufgrund der gefährlichen Situation abzulehnen, da er es nicht verantworten kann, seine Mitarbeiterinnen dorthin zu schicken. Hätte Violet da nur nicht zufällig heimlich etwas davon mit bekommen…

Violet übernimmt sich

Ohne viele Worte schnappt sich Violet einfach den Auftrag, noch ehe er abgelehnt wird. Kaum hat sie sich aus dem absolut gehorsamen Hündchen hinaus entwickelt, scheint sie auf den ersten Blick in eine leicht rebellische Phase zu kommen, in der sie ihr eigenes Ding durchzieht. Briefe kann sie mittlerweile schreiben. Mit Kunden kommunizieren oder gar deren Wünsche ohne klare Worte ablesen auch. Es fehlen aber wohl noch ein bisschen die kollegiale Rücksicht und das Einverständnis, dass sich andere Sorgen über die Sicherheit ihrer eigenen Person machen könnten. Trotz all ihrer Entwicklung hat Violet bislang wohl vor allem eines behalten, sie ist sich selbst recht egal. Das Trauma, dass sie Menschen getötet hat, sitzt noch immer tief und in dieser Folge versucht sie nicht einfach nur Briefe zu übermitteln, sie will die Menschen im Grunde direkt selbst retten. Und das Zeug dazu hätte sie auch, denn fit auf den Beinen ist sie nach wie vor. Ihr alter Ruf als Kampfmaschine, die alles niedergemetzelt hat, steht ihr auch noch für viele Soldaten ins Gesicht geschrieben, was mit gewisser Ironie des Schicksals noch mehr Blutvergießen Einhalt gebietet. Aber sie ist trotzdem nicht allmächtig.

Das Kriegsszenario weitet sich aus

Folge 5 hatte es schon angeteast. Nicht alle sind begeistert vom Ende des Krieges. Prinzessin Charlotte und Damians Heirat setzt ein Symbol, aber das hält andere nicht davon ab, für ihre kriegerischen Absichten zu den Waffen zu greifen. Selbst dem eigentlichen Feind aus dem Süden geben die Extremisten des Norden Waffen in die Hand, damit sie ihr blutiges Werk fortsetzen können. Das Militär aus dem Süden – zu dem Violet ehemals auch gehörte – wird einmal mehr in ein unmenschliches Licht gestellt: Hinterhältig greifen sie die Soldaten des Camps Menace an, die gerade dabei sind es aufzugeben. Mit Schadenfreude ergötzen sich sich daran, die Menschen bei ihrer Flucht zu jagen. Aidan ist ein wahrer Pechvogel, als er und seine Kameraden Opfer dieses Hinterhalts werden. Violet ist zwar unterwegs in die Richtung, kommt aber nicht zeitig genug, um einen Unterschied im Schlachtfeld zu machen. Ihr Eingreifen erlaubt es lediglich, dem Todgeweihtem Aidan seine letzten Worte abzunehmen. Violet versucht ihr Bestes, aber das Beste macht auf dem Schlachtfeld kaum einen Unterschied. Das ist ihr wohl bewusst, als sie gefasst die Briefe ihren Empfängern übergibt, die so viele Tränen auslösen. Aber so viel Kummer das auch verursacht, es ist doch eine dankenswerte Arbeit mit viel Bedeutung. Dass das einen großen Unterschied macht, ist ihr noch nicht voll eingesickert, da sie es unter Tränen noch leugnet.

Diese Folge verursacht irgendwie gemischte Gefühle bei mir. Sie ist einerseits stark und doch fehlt mir irgendetwas. Stark ist sie definitiv in der emotionalen Darstellung des universellen Themas und dass Krieg eine ziemlich furchtbare Angelegenheit ist. Sei es für die Opfer selbst oder deren Angehörige. Dass der junge Soldat Aidan zwar einen Namen und eine Freundin bekommt, aber sonst weitestgehend schablonenhaft ist, gibt ihm eine gewisse Platzhalterrolle, bei der man jedes beliebige Kriegsopfer einfügen könnte. Diesmal ist es kein konkretes Menschenschicksal, das Violet berührt, sondern viel mehr eine Spiegelung zu sich selbst. Die Begegnung mit der Platzhalterrolle passt sehr gut zu ihr, da sie all die Soldaten, die sie tötete, auch nicht kannte. Aber irgendwie gibt es dann doch zu viele Details, die man von den Toten dieser Folge sieht und die mir unwillkürlich Fragen aufgeben. Der Krieg ist doch offiziell zu Ende? Sollte die Wehrpflicht nicht zu Ende sein? Hopkins und Violet sind auch aus dem Militär ausgeschieden. Auch wenn ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist, warum wurde jemand wie Aidan eingezogen? Seine Heimat liegt auf frühlingshaften Feldern, also ist Ctrigall ein gutes Stück weit weg und er wurde nicht eingezogen, weil er ein Einheimischer der Gegend ist. Warum sind junge Männer, die gar nicht am Krieg teilnehmen möchten, hätten sie die Wahl, denen die Verzweiflung ins Gesicht steht und so gar nicht recht dem Tode ins Auge sehen wollen, noch immer Soldaten? Warum mussten diese Leute überhaupt in diesem Kampfgeschehen sein? Und Violet – dass sie noch gute Reflexe hat, sieht man in Folge 7. Aber ein reales Kampfgetümmel ist doch etwas anderes als eine Wache, die nicht ernst macht. Wie schafft es Violet, dermaßen fit und kampfbereit zu bleiben, obwohl sie sich nicht mehr tagtäglich dem militärischen Training unterzieht? Ihre Stärke als Soldatin scheint daher zu kommen, dass sie ihr ganzes Leben einfach nichts anderes gemacht hat. Doch dem ist doch nicht mehr so? Abgesehen davon hat mich die deutsche Übersetzung in der Synchronisation etwas irritiert. Zu Beginn der Versammlung aller Soldaten heißt es, dass sie ausrücken und das Camp aufgeben. Im Original ist von „shutsugeki suru“ die Rede, was „einen Ausfall machen“ bedeutet. Das ist Militärjargon und bezeichnet offensive Aktionen, um eine Belagerungssituation zu beenden. Das macht im Ganzen vermutlich nicht den größten Unterschied, aber für einen Aufbruch, bei dem das Camp aufgegeben wird, also das Ziel ist lebend aus der Situation herauszukommen, wäre eine Flucht bei Nacht wohl sinnvoller gewesen? Im Original ist das Ganze etwas tragischer, die Truppen aus dem Stützpunkt hatten in ihrer Offensive nicht die geringste Chance

Zweite Meinung:

Violet eilt ihr Ruf voraus… Es macht für mich keinen Sinn, dass ein paar Soldaten Violet in ihrem schicken Kleidchen sehen und sich direkt an dieses Mädchen erinnern, welches als Kampfmaschine bekannt ist. Besonders da innerhalb der Handlung schon Monate, wenn nicht Jahre vergangen sind. In Der Light Novel ist dies die dritte Geschichte. Der Krieg ist noch nicht solange her, als macht es schon etwas mehr Sinn, dass Violet erkannt wird, aber nicht viel mehr Sinn. Ich finde auch diese Folge gut. Man könnte ankreiden, dass es ein Leichtes ist, mit der grundsätzlich traurigen Thematik eine Geschichte zu erzählen. Aber Violet darin unterzubringen dürfte nicht jedem gelingen und um ehrlich zu sein, ist es nicht gut gelungen. Die nächste Folge, wird die letzte reguläre sein, denn ich nehme an, dem Finale gibt man zwei Folgen.

Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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