Violet Evergarden (Folge 9)

“Du hast nichts falsch gemacht.” Nachdem Violet über den ersten Schock von Gilberts offiziellem Tod hinweg ist und die Wucht ihrer posttraumatischen Belastungsstörung durch ihre Kriegserlebnisse über sie einfällt, erinnert sie sich an die Worte des Majors kurz vor der letzten Schlacht. Jetzt versteht sie, auf was genau sie sich bezogen, doch kann sie es auch akzeptieren?

Am Ende ihrer fruchtlosen Flucht vor dem Kummer, findet Violet den Weg zur Ruine der Kathedrale in der die letzte Schlacht stattfand. Dort liest Hopkins sie auf und erinnert sie daran, dass sie auch ohne die Befehle des Majors eine Aufgabe hat. Sie kehrt mit ihm zurück, doch fit für ihre Arbeit ist sie trotzdem noch nicht.

“Wir alle brennen.”

Die Fragen, die Violet aus sich herauspresst, sind ohne Zweifel auch Fragen, die sich alle Beteiligten im Krieg sich selbst auch schon gestellt haben, allen voran auch Hopkins, der im Krieg immer eine sichere Stellung hatte und kaum gefährliche Kämpfe bestritt. Als die Fragen schließlich direkt von einer aufgelösten, ehrlich fragenden Violet an ihn adressiert werden, muss sich nicht nur Violet einen Schritt vorwärts bewegen. Wie üblich zerrt sie dabei ihre Umwelt ein Stück mit, ohne es zu merken. Interessant an der Stelle sind auch die Implikationen, dass Cattleya auch in gleichen Boot sitzt. Wie war sie wohl im Krieg involviert gewesen?

“Die Vergangenheit kann man nicht ungeschehen machen.”

Das gilt sowohl für die schlechten wie die guten Dinge. Letztere hinterlassen in Violets Fall allerdings viele Spuren, die selbst im öffentlichen Leben zu finden sind. So verfolgt die Presse weiterhin interessiert dem königlichem Ehepaar Charlotte und Damian beim öffentlichen Besuch von Schulen. An den Straßen hängen die Poster, die Oscars neues Bühnenwerk bewerben, für das Violet den Text abgetippt hat. Aber richtig ausschlaggebend ist dann doch die Tatsache, dass Erika und Iris ihr einen Brief schreiben und dabei auch mitteilen, dass Luculias Bruder einen Auftrag für sie hat – für sie und nur sie. Das Gefühl, dass andere an einen denken und auch das Gefühl, selbst unersetzlich gebraucht zu werden – das sprach Violet schon in Folge 6 vor Leon aus, dass es etwas unglaublich Schönes ist, doch nagten an ihr die Zweifel, ob das wirklich in Ordnung für jemanden wie sie sei. Diesmal ringt sie sich auf, einfach direkt zu fragen.

Ein Name, in den sie hinein gewachsen ist

Im viktorianischen England sprach man nicht sehr direkt, sondern gab durch Blumen gerne versteckten Nachrichten kund. Violette Veilchen waren die subtile Nachricht, dass man wie ein Kind spreche, allerdings ohne Böswilligkeit oder, dass die Gedanken voll von Liebe an den Empfänger seien. Unabhängig ihrer Farbe stehen Veilchen auch für Bescheidenheit aufgrund ihrer herzförmigen Blütenblätter. Andere Bedeutungen, die man der Blume zuspricht, sind Unschuld, Demut, Jungfräulichkeit und wahre Liebe. In der Antike standen Veilchen aber auch öfters in Verbindung mit Tod (und Wiedergeburt).

Die Folge mit Violets Depression und Katharsis ist ziemlich vorhersehbar. Allerdings hatte ich sie doch eher als Finale der Staffel erwartet, stattdessen ist sie schon nach zwei Dritteln abgeschlossen. Die Einbindung von Violets früheren Kunden gibt dem Ganzen auch eine schöne Kontinuität, die vor allem der eher sehr kitschigen Folge 3 einen Mehrwert gibt. Luculias Bruder war auch Soldat und steckte ebenfalls in einem depressivem Loch, aber nun ist er wieder auf die Beine gekommen und hat eine neue Arbeit gefunden. Er hat damit einen gewissen Modelcharakter, sogar noch mehr als Hopkins, der seine eigenen Kriegsbelastungen nie so offen gezeigt hat. Am interessantesten in der Folge eingebracht ist aber wohl die subtil vorhandene Beziehungsspannung zwischen Cattleya und Benedict. Die beiden hatten sich zuvor schon einmal wegen Kleinigkeiten in der Wolle, fast wie ein streitendes Ehepaar. Diesmal hat Benedict sich den Fuß verstaucht, da er die gleichen hohen Stiefel trägt wie Cattleya. Schaut man genau hin, ist er mit den Schuhen nur marginal größer als Cattleya. Ob da noch Funken sprühen werden? Fünf Folgen verbleiben der Serie noch und zu Violet ist das Wesentlichste bereits abgehakt. Bis auf eine Sache: Gilberts Überleben, von dem sie noch nichts weiß. Diese Katze wurde doch unerwartet früh wieder hinaus gelassen und Hopkins ist erstaunlich redegewandt. Er hat bislang genau genommen nicht ein einziges Mal gelogen, wenn es um Gilbert ging.

Zweite Meinung:

Es ist zwar nicht zum Lachen, wenn jemand seine Arme verliert, aber in dieser Folge hat es schon eine gewisse Komik, wie einfach Violet die Arme abfallen. Ansonsten wirkt die Folge wie ein Finale, wenn da nicht die Anmerkung wäre, dass es bereits wieder Krieg gibt und vielleicht beginnt die nächste Folge, wie auch diese begann, mit den schrecklichen Bildern des Krieges. Etwas kurios finde ich, dass es immer hieß, Leiden sei recht unberührt vom Krieg geblieben und läge weit weg von der Front, weshalb die Menschen alle so unbekümmert sind, aber Violet kann mal eben zu ihren letzten Gefechtplatz laufen und Hopkins fährt auch mal eben hin. Die neuen kriegerischen Handlungen finden auch in der Nachbarschaft statt, die Welt ist wirklich ein Dorf. Auf der einen Seite gewinnt sie an Substanz, aber auf der anderen Seite verliert sie diese auch wieder, wie schnell die Werbung damals war, Violet ist gefühlt keine zwei Wochen von Oscar weg und schon hängen überall die Plakate und das Stück wird bereits aufgeführt.

Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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Ayres
Redakteur
17. März 2018 15:04

Die Serie drückt immer stärker auf die Tränendrüse, sodass einem langsam auch klar wird, weshalb es die ersten Folgen über nur Geplänkel gab. Mir ist es inzwischen sogar schon zuviel Pathos. Ich habe es in etwa so kommen sehen, dass Violets Emotionsspektrum nun nach und nach anwächst. Der einzige Lichtblick sind eigentlich nur die anderen AKORAs, die sich ja auch rührend um Violet kümmern. Als Violet von ihren Gefühlen berichtet, wie es war, ihren ersten eigenen Brief zu bekommen, dachte ich zunächst, sie würde sagen, dass der Brief von ihren Freundinnen ist. Da wurde in der Synchronisation eine kurze Atempause eingelegt. Und dann presst sie “Kolleginnen” raus…. Ist das nur im Deutschen so?