Continuum
Zum Thema des Monats Zeitreisen muss man zeitlich für eine gute und passende Serie gar nicht so weit zurückgehen. Es reicht schon, den Serien-Fluxkompensator nur auf das Jahr 2012 einzustellen. Von da an bis 2015 lief nämlich vier Staffeln lang die Science-Fiction-Serie Continuum auf dem Sender Showcase. Diese ist hierzulande nicht nur auf DVD und Blu-ray erhältlich, sondern auch ziemlich sehenswert.
Im Jahr 2077 haben Nationalstaaten weitestgehend ausgedient. Anstatt den USA und Kanada gibt es nun die Nordamerikanische Union. Diese wird von einem Firmenkongress einflussreicher Großunternehmen geleitet, welche – so zumindest die Geschichtsschreibung – wieder Recht und Ordnung hergestellt haben, nachdem ein blutiger Konflikt die Menschheit fast ausgelöscht hätte. Diese unabdingbare Ordnung wird vom CPS, dem City Protective Service, nicht gerade zimperlich durchgesetzt. Auch die in Vancouver arbeitende Polizistin Kiera Cameron gehört dieser Privatexekutive an. Das Leben für sie, ihren im Großunternehmen SadTech angestellten Ehemann und dem gemeinsamen Sohn scheint gerade etwas sicherer geworden zu sein. Die Anführer der gegen das autokratische Firmenregime kämpfenden Terroristengruppe Liber8 (gesprochen Libereight im Gleichklang mit Liberate) wurden nach langen Fahndungen endlich gefasst und sollen nun hingerichtet werden. Doch bei der Vollstreckung des Urteils, die auch Kiera überwacht, fügen die acht Todgeweihten eine kugelförmige Gerätschaft zusammen und verschwinden in einem plötzlich entstehenden Energiefeld. Sie wurden jedoch nicht an einen anderen Ort, sondern in eine andere Zeit teleportiert: das Jahr 2012. Dort wollen die Widerstandskämpfer das feindliche Regime nun vernichten, bevor es überhaupt entsteht, und eine Zukunft nach ihren eigenen Vorstellungen schaffen. Womit sie jedoch nicht gerechnet haben ist, dass Kiera ebenfalls im Energiefeld mit in die Vergangenheit gezogen wurde und die macht da weiter, wo sie in 65 Jahren aufgehört hat. Um Liber8 auszuschalten, holt sich Kiera Hilfe beim Polizei-Ermittler Carlos Fonnegra sowie einem jungen Computer-Genie namens Alec Sadler, dem zukünftigen Gründer von SadTec und Führer des Firmenkongresses. Doch die Jagd nach Liber8 ist nicht Kieras einziger Fokus, denn gleichzeitig sucht sie einen Weg zurück in die Zukunft, zurück zu ihrer Familie.
Temporaler Actionkrimi mit einer Spur Gesellschaftsthriller
Continuum folgt mit der Kombination aus Zeitreisen und Verbrecherjagd einem sehr beliebten Prinzip, dass man auch in anderen Serien wie Time Trax und Alcatraz oder Filmen wie Timecop findet. Dementsprechend werden auch beliebte Kniffe angewandt, wie die Vorteile von Zukunftswissen und der Einsatz fortgeschrittener Technologie, die sowohl Kiera – besonders in Form eines kugelsicheren Tarnanzugs – als auch ihre Gegner von Liber8 verwenden. Sogar Taktiken, seinen Gegner auszuschalten, indem man einfach dessen Eltern tötet, werden verfolgt. Abgesehen von diesen Zeitreise-Gimmicks enthält Continuum jedoch auch durchaus gesellschaftskritische Facetten, denn Gut und Böse sind nicht scharf trennbar. Liber8, wenn auch verurteilte Verbrecher, sind tatsächlich Widerstandskämpfer, die größtenteils einer nachvollziehbaren Ideologie folgen und beispielsweise für persönliche Freiheitsrechte oder Demokratie eintreten. Kiera dagegen ist zwar Gesetzeshüterin, diese Gesetze werden aber von einem alles überwachenden Unternehmensregime erlassen, das die Privilegien seiner Angestellten schützt, während die Armen ausgebeutet werden.
Mit diesen unterschiedlich radikalisierten Polen ist es leicht, Parallelen zur realen Welt zu ziehen und sich manche Frage zu stellen: Inwieweit ist Lobbyarbeit von Unternehmen in staatlichen Apparaten und wiederum staatliche Einflussnahme auf private Gewerbe vertretbar? Wo sind die Grenzen von gerechtfertigtem Widerstand und Terrorismus? Wo hört das Hüten der Ordnung auf und wo fängt die Unterdrückung an? Wenn auch Action und Unterhaltung den Kern der Serie ausmachen, greift die Serie viele gesellschaftsmoralische Themen auf und spielt geschickt genug mit den Sympathien der Zuschauer, um diese Fragen in einen grauen Sumpf zu verwandeln, in dem ein Richtig und Falsch nicht mehr im Grundsatz, sondern nur noch im Handeln der Einzelnen zu finden ist. Worin sich die beiden Seiten nämlich unterscheiden, sind ihre Methoden. Auch wenn Kiera die Propaganda ihres zweifelhaften Arbeitgebers zu sehr verinnerlicht hat, trifft sie meist die moralische Wahl und versucht unschuldige Leben zu schützen. Liber8 nimmt dagegen für das Erreichen ihrer Ziele auch Kollateralschäden gerne in Kauf, denn wer nicht für die Gruppe ist, ist automatisch gegen sie. Doch auch, wenn es eigentlich Kieras oberste Pflicht ist, die Terroristen auszuschalten und die Zeitlinie vor Änderungen zu schützen, wird sie gleichzeitig von ihrem Eigeninteresse geleitet. Da sie in der Zukunft unfreiwillig ihren Ehemann und kleinen Sohn zurücklassen musste, wird das Verlangen diese wiederzusehen immer stärker. Umso mehr das quälende Heimweh an ihr nagt, werden auch die nötigen selbstlosen Entscheidungen letztlich immer schwieriger.
Schmetterlingseffekt
Originaltitel | Continuum |
Jahr | 2012 – 2015 |
Land | USA |
Episoden | 42 (4 Staffeln) |
Genre | Science-Fiction, Action |
Cast | Kiera Cameron: Rachel Nichols Alec Sadler: Erik Knudsen Carlos Fonnegra: Victor Webster Matthew Kellog: Stephen Lobo Sonya Valentine: Lexa Doig Travis Verta: Roger Cross Jasmine Garza: Luvia Petersen Jack Dillon: Brian Markinson Julian Randol: Richard Harmon Edouard Kagame: Tony Amendola |
Der anfängliche Zweiparteienkrieg zwischen Kiera und den Liber8-Terroristen eskaliert im Laufe der Serie immer weiter und wird schwerer zu durchschauen. Während Kiera sich als staatliche Agentin ausgibt und die Vancouver Polizeibehörde für die Jagd nach den Mitzeitreisenden instrumentalisiert, verstärken ihre Gegenspieler ebenfalls ihre Ränge mit kriminellen Organisationen und leicht beinflussbaren Aktivisten. Die einzelnen Mitglieder von Liber8 sind sich selbst dabei aber nicht immer einig. So finden sich in ihren Reihen wahre Gläubige, aber auch Egoisten und Leute, die einfach nur Zerstörung anrichten wollen. Wie die Gegenwart in den aus der Zukunft mitgebrachten Konflikt hineingezogen wird und sich unter diesem Einfluss immer mehr radikalisiert, spiegelt sich auch an den Stiefbrüdern Alec und Julian wieder. Der eine ist Kieras zukünftiger Boss und Unternehmensvorsitzender der unfreien Welt, der andere prädestinierter ideologischer Gründer von Liber8 und Alecs Widersacher, der nach Kieras Informationen für einen blutigen Widerstand und unzählige Tote verantwortlich sein wird. Für beide stellt sich die Frage, ob sie ihr Schicksal erfüllen können und überhaupt wollen? Gerade für die Zeitreisenden ist dies jedoch von allergrößter Wichtigkeit. Jede Einmischung birgt aber auch Folgen und so bilden sich schnell alternative Zeitlinien. Mit mehr als einer möglichen Zukunft kämpfen diese bald ebenfalls um ihren Erhalt und es kommen noch mehr Zeitreisende ins Spiel.
Cast und Drehort: Der Kampf um die Zukunft tobt in Kanada
Man merkt zwar, dass Continuum mit keinem allzu hohen Budget ausgekommen ist, daraus wird aber das Bestmögliche gemacht. Interessant ist, dass sich das Schicksal der Welt ausnahmsweise mal nicht in den USA entscheidet, sondern in Kanada. Dies mag für eine in Kanada produzierte Serie logisch erscheinen, allerdings sieht man überraschend oft Serien, deren Handlung in New York spielt, aber aus Kostengründen tatsächlich in Kanada gedreht werden (beispielsweise die in New York situierte Anwaltsserie Suits, in der New York eigentlich Toronto ist). Vancouver tatsächlich als Vancouver und nicht als eine US-amerikanische Metropole schauspielern zu sehen, ist dementsprechend erfrischend. Dies geht meist mit einem grau-winterlichen Setting einher, gegen das sich Szenen aus der leuchtenden Zukunft aber umso mehr abheben.
Im Cast finden sich besonders für Science-Fiction-Fans viele interessante und bekannt Namen, wie Richard Harmon (The 100), Roger Cross (Dark Matter), Tony Amendola (Stargate: Kommando SG-1), Terry Chen (The Expanse) oder Lexa Doig (Andromeda). Die Leistungen befinden sich dabei auf einem soliden, wenn auch nicht beeindruckenden Niveau, sind der Serie aber angemessen. Lediglich Rachel Nichols (Uhuras grüne Mitbewohnerin im 2009er Star Trek) weiß als Kiera gelegentlich wirklich zu bewegen und zeigt – entgegen der Suggestionen auf den DVD-Covern –, dass sie definitiv mehr kann als nur einen engen Tech-Anzug zu tragen.
Fazit
Continuum ist eine gute und unterhaltsame Serie, die ihre Geschichte auch meist mit straffem Spannungsbogen erzählt. Besonders anfangs kommt es allerdings noch gelegentlich zu ein paar Ausfällen, die eher wie überflüssiges Füllmaterial wirken (ich erinnere mich an eine sehr unterirdische Folge, in der ein Tarnanzug, wie Kiera ihn trägt, in die Hände eines nichtahnenden Zivilisten fällt), doch ziehen Tempo und Spannung im weiteren Verlauf so stark an, dass dafür kein Platz mehr bleibt. Insgesamt hat die Serie bestimmt ihre Schwächen: einige Wendungen ergeben nicht so viel Sinn, andere verlieren sich im Nirgendwo oder werden unter ihrem Potential ausgespielt. Am Ende des Tages stimmt aber die Kerngeschichte rund um Kiera, Alec und Liber8 und findet auch zu einem einer Zeitreiseserie gerechtem Ende.