Star Trek Discovery (Folge 5×06)

Und weiter geht die Schatzsuche bei Star Trek: Discovery Staffel 5. Folge 6, Puzzleteil 4. Diesmal mit einem guten alten Star Trek-Klassiker: dem moralischen Konflikt. Außer dem mit einem friedlichen, allzu frommen Volk, dass durch Pfeifen kommuniziert und ganz viel Screentime für Tilly, die rothaarige Quasselstrippe mit dem Herz aus Gold.

Inhaltsangabe

Moll und L’ak sind entwischt, mit der Verfolgung wird zu Michael Burnhams Ärger ein anderes Raumschiff beauftragt. Doch die Discovery hat eine andere Aufgabe: Entschlüssele das Geheimnis auf der Phiole, finde den nächsten Hinweis. Dazu ist allerlei Detektivarbeit nötig, denn die verkratzte Phiole enthält nichts weiter als destilliertes Wasser. Vielleicht ein Verweis auf einen Planeten, auf dem Wasser knapp und kostbar ist? Kovich kann Details beisteuern: Der Wissenschaftler, der die Phiole hinterließ, errichtete einst fünf Wettertürme, die den trockenen Planeten Halem’no mit Wasser versorgen. Einer dieser Türme arbeitet noch, mangels Wartung wird er jedoch bald aufhören zu funktionieren.

Auf nach Halem’no! Michael und Tilly beamen sich in die Nähe des Turms und treffen auf die frreundlichen Bewohner, die im Laufe der jahrhunderte in eine präindustrielle Kultur zurückgefallen sind, die Funktion der Wettertürme nicht mehr kennen und darum glauben, dass ihre Götter ihnen den lebensnotwendigen Regen bringen. Ihr Heiligtum ist auf der Spitze des als Berg getarnten Wetterturms, da, wo Michael und Tilly den nächsten Hinweis vermuten. Betreten darf das Heiligtum nur, wer an einem religiösen Ritual, einem Wettlauf den Berg hinaus, teilnimmt und als erster ins Ziel geht. Michael und Tilly beschließen, teilzunehmen.

Culber hat seitdem er auf Trill für kurze Zeit das Bewusstsein eines anderen in sich trug, ein Gefühl, das ihn in Verwirrung stürzt. Ein Gefühl der Nähe und Zugehörigkeit zu etwas, das größer ist als er selbst. Ein spiritueller Moment? Eine Fehlfunktion des Gehirns? Er versteht es nicht, das Hologramm seiner Großmutter versteht es nicht und sein Lebensgefährte Stamets, der vor allem an die Wissenschaft glaubt, versteht es auch nicht. Book, der sich unnütz fühlt, weil er nicht mit auf die Mission durfte, versteht es zwar auch nicht, kann aber bei Beziehungsproblemen mitreden. Adira zweifelt seit dem Zeitspinnen-Zwischenfall an ihren Fähigkeiten, Rayner gibt sich alle Mühe, ihr Selbstvertrauen wieder aufzubauen.

Auf dem Weg zum Gipfel des Berges entdeckt Michael verfärbtes Moos, ein Hinweis auf das verborgene Kontrollpanel des Turms. Um es neu zu starten, holt sie sich Unterstützung von Adira, die ihr von der Brücke der Discovery aus Tipps gibt. Tilly setzt den Wettlauf fort und geht zusammen mit Teenager Ravah ins Ziel. Es stellt sich heraus, dass auf den Wettlauf ein Menschenopfer folgt. Die Gewinner werden in eine luftdichte Kammer gesperrt, wo sie ersticken, ihr Tod soll die Götter gnädig stimmen und Regen bringen. Michael ist entschlossen, Tilly und Ravah zu retten, auch wenn das der ersten Direktive widerspricht. Denn eigentlich sollen sich Angehörige der Sternenflotte sich in Prä-Warp-Kulturen nicht zu erkennen geben und nicht eingreifen. Doch Michael beamt sich ins Heiligtum und macht dem Priester, Ravahs Vater klar, dass das Opfer sinnlos ist, weil Technologie und nicht die Gnade der Götter den Regen bringt. Nach einer Diskussion um das Verhältnis von Technologie und Religion gibt der Priester nach. Ravah ist bewusstlos und wird vom medizinischen Team der Discovery verarztet. Tilly weiß jetzt, wo das nächste Artefakt ist. Nicht auf diesem Turm, sondern auf Turm Nummer 5. Der Hinweis deutet nach Betazoid.

Star Trek-Klassiker: der moralische Konflikt

Die Sternenflotte düst durchs All, entdeckt fremde Welten, begegnet den Bewohnern mit Respekt und Toleranz, lädt die technisch versierten Völker ein, an den Segnungen der Föderation teilzuhaben und lässt die anderen in Ruhe, um keinen zu heftigen Kulturschock zu bewirken. Ein Schuft, wer Schlechtes dabei denkt. Nur in der ersten Staffel von Star Trek: Picard bekam des schöne Bild Risse, ansonsten nimmt Star Trek sich da immer ganz ernst und Staffel für Staffel gibt es Folgen, wo durchgespielt wird, wie weit die Toleranz gegenüber anderen Kulturen gehen darf. Was, wenn manche Traditionen tödlich sind? Und die Betroffenen freiwillig und in Einklang mit ihrer Kultur den Tod wählen? Dann lässt man sie gewähren, ohne sich einzumischen, auch, wenn es schwer fällt. Das ist so schön tragisch und Anlass für große, bedeutungsvolle Dialogsätze. Folge 6 greift genau so ein Szenario auf. Die erste Hürde ist noch leicht zu nehmen. Eine schwerkranke Frau mit moderner Medizin retten oder auf traditionelle Heilkunst vertrauen? Kann man machen, die Klangtherapie der Halemniten funktioniert. Dann geht es allerdings eine Umdrehung weiter, ganz genau das Gleiche wäre allzu repetitiv. Ja, die freundlichen Halemniten vollziehen Menschenopfer. Ja, Ravah will das so. Ja, das Opfer ist kulturell von großer Bedeutung. Aber Tilly ist da nur zufällig hineingestolpert und weiß gar nichts von dem Opfer. Ravah wolle eigentlich nur den Papa beeindrucken. Und Regen kommt durch Technik, nicht durch Menschenopfer. Also beschreitet Michael Burnham, durch viele Staffeln als Regelbrecherin bekannt, den anderen Weg, knackt die erste Direktive (Nicht eingreifen, sich nicht zu erkennen geben), rettet Menschenleben und beschert den Halemniten einen Schnellkurs in Religionsphilosophie. Nein, Religion und Wissenschaft schließen sich nicht aus. Schön gesagt, aber leider nicht sehr überzeugend gebaut. Zu wortreich am Schluss, zu schlampig konstruiert am Anfang. Wie oft bekommen Ravah, Tilly und Michael nahegelegt, nicht an dem Wettlauf teilzunehmen, ohne das jemand erwähnt, dass das tödlich endet? So viel Dialogmaterial, das sich um das einzig wichtige Detail herumschlängelt, muss man erstmal geschrieben kriegen! Und, nur so nebenbei, die Spezialisten haben die Kratzer auf der Phiole nicht als Symbol erkannt? Als althalemnitische Zahl? Da hätte ihnen die Star Trek-Version der Google-Bildersuche im Nu helfen können, ganz ohne Ausflug zu den Wandmalereien der Todeskammer.

Und an Bord?

Da wartet ein überraschendes Zuckerl auf die Zuschauer. Wie oft hat Culber in den vergangenen Folgen die Lebensweisheiten seiner Abuela zitiert? Nun lernen wir sie endlich kennen, wenn auch nur als noch unvollkommenes Hologramm. Ein Star Trek-Moment, der Spaß macht. Culbers Problem jedoch, dieses spirituelle Gefühl der Nähe zu Höherem, das keiner versteht, will irgendwie keine Wirkung entfalten. Stamets versteht ihn nicht? Nun ja, wenn Liebende einander nicht verstehen, zieht das die Beziehung schon herunter. Aber da er das Gefühl dem Fernsehpublikum so knapp und verständlich erklärt, drängt sich die Frage auf, warum er das Stamets nicht ebenso kurz und verständlich erklärt, anstatt auf Stamets’ gutgemeinte Aufforderung, sich doch zu freuen, dass medizinisch alles in Ordnung ist, nur enttäuscht resignieren. Rayner hingegen ist schon wieder sowohl knurrig-schroff als auch einfühlsam und baut Adiras Selbstbewusstsein auf, wo man ein gebelltes “Heulen Sie nicht rum und machen Sie Ihren verdammten Job, Ensign!” erwartet hätte. Der Mann kann einem richtig ans Herz wachsen.

Adira ist kein Einzelfall

Adira Tal, die erste nicht-binäre Figur im Fernseh-Weltraum. Adiras Selbstfindung und Coming Out als Person, die sich gleichermaßen männlich wie weiblich fühlt, zog sich durch so einige Folgen von Star Trek: Discovery Staffel 3. Die Adoptiveltern Culber und Stamets nahmen das voller Verständnis auf und benutzten augenblicklich und mühelos das geschlechtsneutrale Personalpronomen “they”. Star Trek steht halt für Akzeptanz und Menschlichkeit. In dieser Folge huscht ganz unvermutet noch eine nicht binäre Figur durchs Bild und das wird so gut wie gar nicht thematisiert. Ravahs Problem ist die Beziehung zum Vater, dass außerdem alle “they” sagen, wenn sie von Ravah sprechen, ist einfach so und für den Grundkonflikt völlig ohne Bedeutung. Man muss schon sehr die Ohren spitzen und bei Michael Burnhams begeistertem Vortrag über die Sprache von Halemno das Detail, dass es auf Halemnitisch drei Geschlechter gibt, im Kopf behalten, um Ravahs Existenz einzuordnen. Eine bemerkenswert selbstverständliche Umgangsweise mit diesem Thema.

Fazit

Ethisch-weltanschauliche Grundsatzdiskussionen auf dem Niveau von Ratgeberliteratur und Kalenderweisheiten haben zwar Tradition bei Star Trek, aber das macht sie nicht genießbarer. Ein so unbeholfen dahergeschriebener Konflikt und eine langwierige Diskussion ziehen die Folge leider ziemlich herunter. Und auch das Spiegelbild in der B-Handlung, Culbers von keinem verstandenes spirituelles Erlebnis, generiert zwar den einen oder anderen liebenswerten Moment, will aber auch nicht so recht zünden. Dafür ist es eine Tilly-Folge. Ein echter Pluspunkt, auch wenn sie nun gereifter wirkt und nicht mehr so lustig unsicher-turboquasselnd daherkommt. Und es gibt wunderbare Details, wie etwa Michaels Begeisterung für Xenolinguistik oder Kovichs Vorliebe für liniertes Schreibpapier aus dem 21ten Jahrhundert. Also insgesamt ein eher gemischtes Fernseh-Erlebnis.

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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