Star Trek: Picard (Folge 3×03)

Weltraum-Anomalien und Portale, Vatergefühle, Geheimwaffen und Kamillentee. Mit Folge 3 bietet Star Trek: Picard eine Fülle an Material, um gerade mal 56 Minuten zu füllen. Das könnte man üppig nennen oder auch vollgestopft. So oder so, es gibt von allem ganz viel, ob man nun auf Weltraumschlachten, Charaktermomente oder Detektivarbeit aus ist. Und endlich wird klar, was so unterschiedliche Handlungsstränge verbindet.

Inhaltsangabe

Vor Vadic und ihrem Raumschiff Würger davon zu flitzen hat doch nicht funktioniert. Die USS Titan hängt in einer nebelartigen Anomalie fest, die sie daran hindert, auf volle Geschwindigkeit zu gehen. Und egal wie die Titan versucht, sich zu verstecken, die Würger ist ihr stets auf den Fersen. Bei einer Attacke der Würger wird Captain Shaw schwer verletzt und übergibt das Kommando an Riker, Picard übernimmt die Position des ersten Offiziers. Jack Crusher findet heraus, woran es liegt, dass die Würger die Titan immer wieder aufspüren kann: Jemand hat das Schiff sabotiert, austretendes Gas markiert den Kurs der Titan. Da er nicht zur Brücke vorgelassen wird, sucht er sich Hilfe bei der unter Arrest stehenden Seven of Nine. 

Während die Titan noch versucht, zu entkommen, können Picard und Beverly Crusher die Vergangenheit rekapitulieren. Einst hatten sie einen letzten romantischen Tag miteinander verbracht und ihre Beziehung dann endgültig beendet. Doch just zu dieser Gelegenheit war Beverly schwanger geworden und da Jean-Luc stets von einer lebensgefährlichen Situation in die nächste schlitterte, beschloss sie, ihm die Geburt des kleinen Jack zu verschweigen. Picard ist tief bewegt ob dieser verlorenen Chance Vater sein zu können und Familienmensch Riker kann zwar mitfühlen, aber nur begrenzt raten und helfen.
Andernorts haben Raffi und Worf eine Aussprache: Worf ist Raffis Kontaktmann und er hat einen entscheidenden Wissensvorsprung. Der Waffendiebstahl aus dem Daystrom-Institut und der Anschlag auf das Rekrutierungsgebäude sollen nur von einem weiteren Diebstahl aus dem Institut ablenken. Und es gibt einen weiteren Verdächtigen: Titus Rikka, nur scheinbar ein Mensch. Als Worf und Raffi ihn aufspüren und verhören, stellt er sich als Wechselbalg heraus, eine flüssige Lebensform, die jegliche Gestalt annehmen, aber nicht lange wahren kann. Eine radikale Gruppe unter ihnen steckt hinter den Diebstählen. Worf und Raffi machen sich auf zum Daystrom Institut.
Der Saboteur auf der Titan stellt sich als Wechselbalg heraus, das von ihm verursachte Gasleck kann behoben werden. Doch das Katz- und Maus-Spiel zwischen der Titan und der Würger endet mit einem fatalen Fehler Picards. Von der Titan abgefeuerte Salven werden auf sie zurückgelenkt, das Schiff taumelt navigationsunfähig auf die Gravitationsquelle im Inneren der Anomalie zu. Riker verweist Picard von der Brücke, alle warten auf das nahe Ende.

Großes Kino

Daran versucht sich diese Folge auf jeden Fall. In ihren 56 Minuten bietet sie ansehnliches Raumschiff-CGI in strahlend orange ausgeleuchtetem Weltraumnebel und Momente großen Gefühls, eine immer weiter verschachtelte Verschwörung, die an den Dominion-Krieg aus alten Deep Space 9-Zeiten anknüpft und zu guter Letzt einen Cliffhanger der allerfettesten Sorte. Musste Picard jemals die Brücke verlassen, während sein Raumschiff hilflos ins Verderben stürzte? In Folge 3 kann man zwar davon ausgehen, dass dieses Ende nur angetäuscht ist, aber es zeugt von dem Willen, mal so richtig in die Vollen zu gehen. Apropos CGI. Einst kam Star Trek prima auch mit Minimaltechnik und Pappfelsen aus. Die Enterprise wird beschossen? Da wackelt halt die Kamera und die Schauspieler schwanken hin und her. Das tun sie hier auch, Tradition ist Tradition. Aber das Versteckspiel im Nebel zwischen der riesigen Würger und dem winzigen Gefährt, dass ausgerechnet “Titan” heißt zieht sich in orange glühender Pracht durch die ganz Folge, sieht gut aus, ist detailreich und pfiffig ausgedacht und das dauernde Informationsdefizit von Crew und Zuschauern sorgt solide für Spannung, denn keiner weiß, was da los ist, bis wieder etwas schiefgeht.

Die Kunst des Zwiegesprächs

Neben dem durchaus spannenden Katz- und Maus-Spiel im Weltraumnebel besticht Folge 3 vor allem durch intensive Dialogszenen. Picard und Beverly rekapitulieren ihre Beziehung, Picard muss verdauen, dass er um die Chance gebracht wurde, seinen Sohn aufwachsen zu sehen. Riker und Picard, schon in den vergangenen Folgen ein Team, das für spannungsreiche Dialoge gut ist, im Rollentausch auf der Brücke: Riker als Captain und Picard als Nummer Eins müssen sich auf eine Strategie einigen. Und scheitern. Worf und Raffi, die eine gemeinsame Tonlage finden und in einem Good Cop/BadCop-Verhör ausprobieren. Alles wahre Zuckerl für Drehbuchautoren. Leider funktionieren diese Steilvorlagen unterschiedlich gut. Die Momente zwischen Picard und Beverly haben eine emotionale Tiefe, die das abgedroschene Motiv “bislang unbekannter Sohn taucht auf” auf der Charakterebene akzeptabel macht. Aber wenn die Führungsriege in einer Notlage auf der Brücke allzu viel diskutiert um dann zu scheitern, weil der erste Offizier eigentlich der Alphawolf ist und der Captain dadurch verunsichert wird, wirkt nicht tragisch, sondern eher dilettantisch. Was man von zwei Weltraum-Veteranen dieses Kalibers eigentlich nicht erwartet hätte. Und die Dialoge von Raffi und Word klingen nur fast cool und selbstironisch, eher etwas papieren und bemüht. Auch, wenn die Idee von einem gereiften Worf mit der Weisheit und Gelassenheit eines buddhistisch geprägten Kampfkunstmeisters schon charmant ist.

Fazit

Man kann es mit Mae West halten: Zu viel des Guten ist wundervoll! Oder man kann gezielt nach den Ecken suchen, wo es knarzt. Da hat einer des Rätsels Lösung gefunden und dann darf er nicht auf der Brücke bescheid sagen. Da ist Jack Crusher gerade erst an Bord eines unbekannten Raumschiffs gebeamt worden, kennt keinen an Bord und weiß doch, dass er sich bei Seven of Nine Hilfe holen kann und wo sie zu finden ist. Und jeglicher Arzt in einer Notaufnahme wird sich sehr wundern, wenn eine eben noch bewusstlose Patientin aufsteht und anfängt, Verletzte zu behandeln. Aber was soll’s? Rätselhafte, raumschiffschluckende Gravitationsquellen und flüssige Gestaltwandler machen viel mehr Spaß als Fehlersuche.

© Paramount

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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