Star Trek: Picard (Folge 3×07)
Der eine in den Händen des Feindes, der andere eine gespaltene Persönlichkeit, der Dritte kann plötzlich Gedanken lesen. Und die Zeit läuft ab: Nur noch 40 Stunden, bis die Sternenflotte sich selber feiert und ihre Gegner den großen Coup planen. Da kann Star Trek: Picard Staffel 3 ja mit Warp-Geschwindigkeit Kurs aufs Staffelfinale nehmen.
Inhaltsangabe
Die Titan versteckt sich in einer Weltraum-Müllhalde und Seven kontaktiert ihren alten Freund von der Voyager, den Vulkanier Tuvok, um zu erfahren, wo Riker ist und vor der Wechselbalg-Unterwanderung zu warnen. Doch der vermeintliche Tuvok stellt sich als Wechselbalg heraus, der echte Tuvok ist, ebenso wie Riker, Gefangener der Wechselbälger.
Picard rätselt, ob der Diebstahl seiner sterblichen Überreste und die Jagd der Wechselbälger nach seinem Sohn Jack bedeuten könnte, dass sie beide brauchen, um einen perfekten Picard-Doppelgänger zu schaffen. Aber noch fehlen dieser Theorie entscheidende Puzzleteile. Er such Rat bei Data, doch der wechselt abrupt zwischen zwei Persönlichkeiten, dem kooperativen Data und dem feindseligen Lore.
Jack stellt bei einem kleinen Flirtversuch mit Sidney La Forge fest, dass er Gedanken lesen kann. Irgendwo da draußen lauert Vadic und Picard stellt ihr eine Falle. Vadic findet die scheinbar havarierte Titan und begibt sich an Bord, um Jack Crusher zu finden, doch sie wird zwischen Kraftfeldern gefangen gesetzt. Picard und Beverly verhören sie, sie schildert ihren Standpunkt des Wechselbalg/Menschheits-Konflikts und ihre Zeit als Gefangene in der Daystrom Station, wo sie qualvollen Experimenten ausgesetzt war, die ihre Verwandlungsfähigkeit veränderten. Auch Jack und Sidney sind zwischen Kraftfeldern gefangen. Geordi versucht, sie herauszubeamen, doch Lore hat die Kontrolle über das Schiff an sich gerissen. Vadic kann entkommen und zur Brücke gelangen, wo sie sich in den Kommandantensessel plumpsen lässt und eine große Enthüllung über Jack Crusher ankündigt.
Alte und neue Verwicklungen
Eigentlich hatten sich die Rätsel der ersten Folgen ganz gut sortiert und der Kurs schien klar: Die Wechselbälger in den höchsten Rängen enttarnen, den Anschlag zum Tag der Grenze vereiteln. Aber es bleibt spannend und es bleibt undurchsichtig. Was ist mit Riker? Ein Gefangener der Wechselbälger, aber die angedrohte Erpressung mit Hinweis auf seine Ex-Frau Deanna kommt zumindest in dieser Folge noch nicht vor. Wenn Jacks Augen rot erglühen, hat das offenbar nichts mit der von Papa Jean-Luc geerbten Krankheit zu tun. Vielmehr mit einer ungeahnten Fähigkeit zur Gedankenkontrolle, die auch die Augen der Zielperson erglühen lassen. Ein Rätsel, das die ganze Folge hindurch ausgemalt wird, um dann in einem Cliffhanger der Doppelrahmstufe zu gipfeln. Vadic hat einen großen Moment als Märtyrerin und Rebellin gegen die Wechselbalg-verachtenden Praktiken der Monoformen, also der Menschheit, aber sie ist durchaus nicht Führerin einer Rebellenarmee. Eher Befehlsempfängerin eines Wesens, das nach Belieben bedroht, demütigt und herumkommandiert. Offenbar gibt es solche und solche Wechselbälger und einiges an Informationsbedarf. Und was hat Dr. Soong sich dabei gedacht, als er Data und Lore in einem Körper vereint, aber ihre Persönlichkeiten im steten Kampf um die Vorherrschaft belassen hat? Zwei Seelen, ach, in einer Brust, das hat schon in Staffel 2 einige sehenswerte Szenen zwischen Agnes Jurati und der Borg-Königin generiert. Hier kann man Data/Lore als Joker ausspielen, je nachdem, ob man gerade einen Helfer oder einen Bösewicht braucht. Ein Appell an die Freundschaft wirkt Wunder – aber schön gemacht, dass diese Strategie erst mit Verzögerung wirkt. Sonst wäre es selbst für Star Trek gar zu kitschlastig.
Sympathy for the Devil
Staffel 3 gönnt sich in dieser Folge gleich zwei große Schurkenmomente. Wo Schauspieler mal so richtig loslegen können. Böse sein, sarkastisch, wortgewandt. Der Held muss gut aussehen, aber der Bösewicht bekommt die guten Textzeilen. Alte Hollywood-Weisheit. Vadic tappt in einer Falle, die ihr kaum Sorgen zu bereiten scheint, so überlegen witzelt sie angesichts des bevorstehenden Good Cop/Bad Cop-Verhörs durch Crusher und und Picard. Als hätte sie das Drehbuch gelesen und darauf vertraut, dass Data/Lore dazwischenfunken und ihr den Weg auf den Kommandantenstuhl ebnen würde. Dabei wissen sie gar nichts von einander. Oder doch? Und dann holt sie ganz weit aus. Für solche Szenen lohnt es sich, für die Schurkenrolle vorzusprechen. Wut, Rebellion, Schmerz, Anklage, jede Menge Backstory. Ein Dasein als Versuchsobjekt in einem Reagenzglas auf der Daystrom Station. Da will man fast Verständnis für sie entwickeln. Anderswo läuft Lore zu Höchstform auf. Im neuen Data hausen eigentlich bis zu fünf Persönlichkeiten, dominant sind aber nur die beiden gegensätzlichen, der freundliche Data und der fiese Lore. Auch er darf seine Boshaftigkeit mit sarkastischem Witz garnieren und sich der Demontage alter Helden widmen. Damit steht er wahrlich nicht allein, dieses Thema geistert in mannigfachen Formen durch alle Staffeln Star Trek: Picard, Lore ist nur besonders aggressiv in seiner Wortwahl. Klar, alle wollen den ursprünglichen Data zurück, aber auch ein Unsympath möchte weiter existieren. Und wollte Data nicht immer menschlich sein und gehört dazu nicht auch eine dunkle Seite? Gelöst wird das Problem erst einmal zugunsten der “Wir wollen Data zurück”-Fraktion durch eine gefühlstriefende Szene mit Geordi La Forge, aber da ist die letzte Messe wohl noch nicht gesungen.
Fazit
Große Momente für Amanda Plummer und Brent Spiner machen Folge 7 zu einem Schmuckstück für Zuschauer, die sich gern mit den Antagonisten identifizieren. Auch ansonsten bietet Star Trek: Picard in dieser Folge Spannung, Rätsel, Geheimnisse und lässt einen alten Handlungsbogen aus den Tagen von Star Trek: Deep Space Nine in einem ganz neuen Licht erscheinen. Leider eine Folge ohne Worf und Raffi und fast ohne Riker. Aber wenn die Schurken ihre großen Momente im Rampenlicht haben, können nicht alle anderen auch noch dran kommen.
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