In Memoriam Steve Ditko: Der erste Auftritt von Spider-Man
Nur wenige Namen in der Comicwelt dürfen von sich behaupten, einen Charakter erschaffen zu haben, der jahrzehntelang die Massen begeistert und zu einer der bekanntesten Figuren auch außerhalb der Hardcore-Comic-Szene wurde. Der am 29. Juni 2018 verstorbene Steve Ditko ist einer dieser wenigen Menschen und war vor allem als Mitschöpfer von Spider-Man bekannt. Zwar war er im Laufe seiner Karriere noch an der Entstehung anderer bekannter Namen wie Dr. Strange oder Squirrel Girl beteiligt, doch die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft bleibt sein größtes Vermächtnis. Aus diesem Grund widmen wir uns noch einmal dem ersten Auftritt von Peter Parker und gedenken so einer wahren Zeichnerlegende.
Wenige Comicausgaben sind wahre Wendepunkte in der Geschichte des Mediums. Action Comics #1 (erster Auftritt von Superman) oder Fantastic Four #1 (erster Auftritt der Fantastic Four und Beginn des Marvel-Universums) sind Beispiele für solch historische Ausgaben. Nicht minder wichtig ist aber auch Amazing Fantasy #15, beinhaltet es doch den Erstauftritt des Aushängeschildes des Marvel-Universums. Zum damaligen Zeitpunkt eigentlich nur genehmigt, weil der Comic sowieso eingestampft werden sollte, wurde mit Spider-Man der erste jugendliche Superheld eingeführt, der kein Sidekick w+ar. Durch sein jugendliches Alter sollte auch eine Verbindung zu den Lesern aufgebaut werden und ihre Ängste und Probleme auchein Teil des Titelhelden sein. Doch wie gelang das?
Der legendäre Anfang
Jeder, der auch nur tangential mit Comics oder ihren Verfilmungen zu tun hat, kennt diese Geschichte: Ein Junge wird von einer radioaktiv verseuchten Spinne gebissen und bekommt dadurch Superkräfte. Doch was ist die Essenz der Geschichte, die hier von Steve Ditko zeichnerisch in Szene gesetzt wurde, die so sehr bei Lesern Anklang fand, dass nur kurze Zeit später eine eigene Serie des Wandkrabblers begann? Sicherlich trug Stan Lees (Fantastic Four) Idee, den Helden einen Teenager und Außenseiter sein zu lassen, dazu bei. Gleich zu Beginn sehen wir einen Jungen, der versucht, ein hübsches Mädchen zu einer Wissenschaftsshow einzuladen, nur um von den Footballern und anderen beliebten Schülern ausgelacht zu werden. Das war relativ neu und ungewohnt im Jahre 1962, waren doch unsere Helden bis dato immer angesehene Wissenschaftler, Erfinder oder Übermenschen in anderer Form. Zwar sind ähnliche Geschichten heute überall zu finden – der Underdog wird zum Held – doch damals war es neu und erfrischend. Dazu kommt dann noch, dass Peter mit all seiner Naivität und jugendlichen Übermut seine Kräfte zuerst für sein eigenes Wohl nutzt. Seine Peiniger lässt er geschickt seine Rache spüren und durch den Auftritt in einer Kampfshow verdient er auch noch ordentlich Geld. Noch weit entfernt von dem Helden, der er werden sollte, folgt bald ein Erlebnis, das, ähnlich wie die Ermordung von Batmans Eltern, ins Allgemeinwissen einfließen sollte.
Aus großer Kraft…
Gemeint ist natürlich der Tod von Peters geliebten Onkel Ben. Wie viel bitterer dieser Tod ist, wird aber erst am Ende der Geschichte klar, doch greifen wir nicht vor. Peter ging es bis zu dem Teil des Comics ziemlich gut: Superkräfte, etwas Ansehen in der Schule und gutes Geld als Spider-Man verdienen. Als er allerdings vom Veranstalter übers Ohr gezogen wird, verlässt er die Halle. Auf dem Weg nach draußen hat er die Chance, einen Dieb aufzuhalten, aber keine Lust, da er findet, dass der Veranstalter es verdient hätte. Nach den Erlebnissen geht er nach Hause, nur um die Polizei vor seiner Haustüre zu finden und die tragische Nachricht von Onkel Bens Tod zu erfahren. Überwältigt von Wut und Trauer, schwört er auf Rache und begibt sich auf die Jagd nach dem Verbrecher. Dies soll schließlich zum prägendsten Augenblick und wahren Anfangspunkt des Helden Spider-Man werden, stellt sich doch in dem Moment heraus, als Peter den Schurken stellt, dass es sich um den Dieb handelt, den er wenige Stunden zuvor hätte aufhalten können. Eine Welt bricht nun für Peter zusammen und nachdem er den Verbrecher gefesselt und für die Polizei abholbereit zurücklässt, sieht man ihn mit hängenden Schultern die Straße entlang gehen. Es ist auch dieses Panel, das den durch die erste Verfilmung berühmt gewordenen Satz enthält: “Aus großer Kraft, folgt große Verantwortung.” Das durfte Peter auf die harte Tour lernen.
Mit Blick auf heute
Steve Ditko und Stan Lee waren eindeutig ihrer Zeit voraus. Sie haben erkannt, dass die Leser auch einen Helden wollen, mit dem sie sich identifizieren können und dies mit Spider-Man geschafft. Aus heutiger Sicht mag die Geschichte nicht mehr außergewöhnlich sein, doch damals hat sie ganz neue Möglichkeiten für Comics geöffnet. Außerdem sind Ditkos Zeichnungen ausdrucksstark und müssen sich nicht vor modernen Zeichnungen verstecken. Hier wurden Maßstäbe gesetzt, die Zeichner für Generation beeinflusst haben. Steve Ditko hat in den letzten Jahren zwar seine Privatsphäre genossen und war auch sonst eher scheu, was Interviews und Auftritte angeht, doch nur weil er meinte, dass seine Arbeit für ihn sprechen sollte. Was sie vor über 50 Jahren schon tat, heute noch immer tut und auch in Zukunft immer wird. Stan Lee wird zwar oft, vor allem wegen seiner Omnipräsenz in den Filmen, als das Genie hinter all den Superhelden gesehen, doch Zeichner wie Steve Ditko waren es, die die Worte zum Leben erweckten. Man sagt oft, das Ziel im Leben ist es, etwas zu erschaffen, das einen selbst überdauert und den Menschen noch nach dem Tod in Erinnerung bleibt. Man weiß zwar nicht, wie Steve Ditko das gesehen hat, doch Spider-Man und seine Entstehungsgeschichte werden uns noch lange erhalten bleiben und die grundlegenden Themen werden wohl auch in Zukunft wenig von ihrer Stärke verlieren. Dies mag vielleicht ein Abschied von einem Ausnahmetalent sein, aber wie Onkel Ben wird er nie vergessen werden.