Sebastian Fitzek – Soundtrack-Leseshow
Sebastian Fitzek tourt von Oktober bis Anfang Dezember mit seinem neuen Buch Das Geschenk durch Deutschland. Begleitet wird er dabei von einem klassischen Ensemble und einer Elektroband. Erfahrene Fitzek-Leser, die um die Kreativität und den fragwürdigen Verstand des Autors wissen, sollte es kaum überraschen, dass er keine normalen Lesungen abhält, sondern ein bild- und tongewaltiges Spektakel daraus macht. So fanden sich am 17. November 2019 in der Kulturhalle Zenith in München rund 2.500 gespannte Menschen ein und überraschten den Autor mit der bis dato größten Lesung Münchens.
Wer Bücher von Sebastian Fitzek liest, hat sich vielleicht schon das eine oder andere Mal gefragt, ob er nicht selbst psychopathische Gene in sich trägt. Falls Sebastian in seiner Show vorgehabt hätte, mit dieser Mutmaßung aufzuräumen, wäre es ihm schlicht misslungen. So machte er sich daraus lieber einen Spaß und spielte ganz im Sinne seiner Leser den Psychopathen, der mit einer irren Idee seine Leser überrascht. Oder musste er den Psychopathen überhaupt spielen? Zu Beginn der Show wurde dem Publikum zunächst nämlich ein Film gezeigt, in dem er drei Fans mit einem Geschenk, ganz wie in seinem neuen Roman, überrascht hatte, das sie jeweils (getrennt voneinander) an einen einsamen Parkplatz führte, an dem sie ein verlassenes Auto und ein blutverschmiertes Toilettenhäuschen vorfanden. Mutig wagten sich die Kandidaten hinein und fanden in einer der Kabinen Sebastian in Folie eingewickelt vor. Die Aktion sorgte für einige Lacher des Publikums, aber man fragt sich nach wie vor, was so in seinem Kopf vorgeht.
Sebastian, wie kommst du auf deine Romanideen?
So dürfte wohl auch die meistgestellte Frage an Sebastian Fitzek sein, wie er denn auf die Ideen für seine Bücher kommt. Die Standardantwort des Autors ist darauf eigentlich stets: Aus Alltagssituationen. In der Show erzählte Sebastian auch prompt von zwei dieser vermeintlichen Alltagssituationen. In der einen saß er in einem Taxi, das der Fahrer plötzlich stoppte, ausstieg und davon rannte. Herr Fitzek stieg nicht einfach aus und nahm sich ein anderes Taxi. Er blieb sitzen und stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn eine Stimme ihm sagen würde, er müsse jetzt eine Bombe entschärfen, die im Handschuhfach liegt. In der nächsten Situation fuhr er mit seinem Fahrrad neben einer Limousine, aus der ihm ein kleines Mädchen lächelnd zuwinkte. Herr Fitzek fuhr nicht einfach nach Hause und freute sich über diese nette Begegnung, sondern stellte sich vor, was wäre, wenn das Mädchen etwas älter gewesen wäre, geweint und einen Zettel mit „Hilfe“ an das Fenster gehalten hätte. Schön und gut, Sebastian. Alltagssituationen. Aber man muss in diesen Situationen erst einmal deine Gedanken haben, um auf deine Ideen zu kommen! Damit räumst du bei keinem die Vermutung aus, du wärst ein Psychopath. Letztere Geschichte war unter anderem auch die Idee für sein neues Buch Das Geschenk. Da sein Hauptprotagonist Milan Berg Analphabet ist, erzählte Sebastian noch ein wenig von seiner Recherchearbeit und wie er Vieles, das ihm erzählt wird, auch in seine Romane einarbeitet. So dürfte Milan Berg einen sehr authentischen Protagonisten abgeben, der viele Dinge tut, die einem als Nicht-Analphabet überhaupt nicht bewusst sind.
Mehr Show als Lesung
Wer bei Sebastian Fitzek eine gewöhnliche Lesung erwartet hat, bei der er hauptsächlich sein neues Buch vorstellen würde, hat sich getäuscht. Zwar wurde aus dem Buch vorgelesen, jedoch nur zu geringen Anteilen. Diese hatten es allerdings in sich. Denn die Show wurde begleitet von einem klassischen Ensemble unter der Leitung von Leon Gurvitch, einem guten Freund Fitzeks sowie der elektronischen Liveband BUFFER UNDERRUN, die einen eigens für die Show komponierten Soundtrack spielte. Insbesondere das klassische Ensemble war herausragend und sorgte für das akustische Highlight der Show. Nicht unerwähnt bleiben darf jedoch Sebastians eigene Stimme, die wie gemacht dafür ist vorzulesen. Tief und wohlklingend erfüllte sie die Halle und zog das Publikum in seinen Bann. Hätte er Zeit, sollte er auch die Hörbücher selbst lesen. Doch nicht nur für die Ohren bot die Show einiges. Sie wurde zudem von Licht und zur vorgelesen Szenerie mit passenden Hintergründen begleitet. So erstrahlte mal ein Diner im Schneeflockentanz, ein andermal eine vorbeiziehende Straße, während der Hauptprotagonist auf seinem Fahrrad fährt.
Sebastian Fitzek als Showmaster
So imposant und beeindruckend die ganze Show auch gestaltet war; nimmt man die von Musik und Bild verblendete Brille ab, so bleibt eigentlich wenig Persönliches übrig. Wahrscheinlich ist es ab einer gewissen Publikumsgröße auch schwierig, wirklich publikumsnah zu bleiben. Sebastian ist ein Autor, dem viel an persönlichen Kontakt zu seinen Fans liegt. Das erkennt man in jedem seiner Nachworte und dass er sich lange selbst um seine Fanmails gekümmert hat, die er nicht nur mit einem Satz beantwortet hat. Auch in der Show hat er sich Mühe gegeben, die Nähe zu seinem Publikum zu suchen. So sang beispielsweise der ganze Saal bei Handylicht für jemanden zum Geburtstag. Doch Orchester, Beamer und Elektroband lenkten ein wenig von dem eigentlichen Anlass ab: Sebastian Fitzek und sein neues Buch. Die Vermarktung für Das Geschenk ist dennoch rundum gelungen. Doch die wirklich schönsten Momente der Show waren dann nicht die Musik, die Anekdoten und die Bilder, sondern die, in denen Sebastian gelesen hat. Eine Bühnenshow auf die Beine stellen, die den Zuschauer audiovisuell bei Laune hält, ist einfach. Einen Saal mit 2.500 Menschen gebannt und still zuhörend zu bekommen, nur indem man liest, ist eine Kunst für sich. Die Show war großartig, keine Frage. Doch eigentlich braucht es nur Sebastian Fitzek und ein Buch, um zufrieden zu sein.