Tropes erklärt: Ich bin dein Vater
“Luke, ich bin dein Vater” ist das wohl berühmteste (angebliche) Zitat der Medienwelt. Selbst wer noch nie selbst Star Wars gesehen hat, weiß vermutlich etwas mit dem Spruch anzufangen. Das Trope “Ich bin dein Vater” beschreibt genau solche Enthüllungen, bei denen zwei Charaktere sich plötzlich als Elternteil und Kind herausstellen – mit allerhand Folgen, abhängig davon, wer denn der plötzliche Vater oder die plötzliche Mutter ist. In unserem Format “Tropes erklärt” nehmen wir die Klischees der Medienkultur genauer unter die Lupe. Diesmal geht es um das Trope “Ich bin dein Vater”.
»Trope« ist der englische Begriff für »Tropus«, eine Bezeichnung, welche ursprünglich aus der Literatur kommt und eine bestimmte Klasse sprachlicher Stilmittel meint. Im modernen Verständnis wird das »Trope« mittlerweile als allgemeines Synonym für »Klischee« benutzt. Ein Trope bezeichnet demnach konventionelle Erzählungselemente, bei denen es sich um stereotype Motive, Storywendungen, Dialogabläufe oder Rollenbilder handeln kann. Die Liste dieser Tropes ist ellenlang und manchmal wird man sich erst nach Sichtung eines Trope-Lexikons bewusst, dass man just im Film XY auf ein solches gestoßen ist. Wir nehmen das zum Anlass, den Tropes auf den Grund zu gehen und allmonatlich eines vorzustellen.
Unter der Lupe
Ich bin dein Vater
Die überraschende Verwandtschaft, besser gesagt ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen zweier Figuren, bei denen man zuvor annahm, sie seien nicht blutsverwandt. Meist wird dies in einem epischen oder dramatischen Moment offenbart, was danach zu allerhand Krisen für die betroffenen Figuren führt. Famos wurde das Trope durch Star Wars, was vermutlich auch der Grund dafür ist, dass die bekannteste und auch beliebteste Variante des Tropes die ist, bei der der Bösewicht sich als Elternteil des Helden oder der Heldin herausstellt. Allerdings muss dem nicht so sein: Auch Verbündete, ein Mentor (welcher der Hauptcharakter ohnehin schon als eine Elternfigur empfindet) oder ein mysteriöser Beschützer können sich als plötzlicher Elternteil herausstellen. Dadurch muss die Offenbarung nicht negativ sein, doch ist sie positiv, stehen die Chancen schlecht, dass der Verbündete/Mentor/Beschützer noch lange lebt. Immerhin ist es noch dramatischer, wenn man gerade erst seinen Vater oder seine Mutter wiedergefunden hat, er oder sie aber kurz darauf stirbt. Ist der Elternteil hingegen der Bösewicht, wird es mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Handlungsbogen kommen, bei dem sich der Held oder die Heldin die Frage stellt, ob er oder sie wie der böse Elternteil enden wird. Schließlich ist Blut dicker als Wasser, noch dazu kann es die Figur in eine Krise stürzen, wenn man zwar letzten Endes gewinnt, dabei aber eben nicht nur einen herzlosen Bösewicht, sondern das eigene Elternteil auf dem Gewissen hat. In Titeln, die keine Fantasy- und Abenteuer-Elemente haben, ist das Trope meist weniger spektakulär, führt jedoch zu dramatischen Handlungen darum, wie die betroffenen Charaktere mit der Verwandtschaft umgehen (meist entweder durch Distanzierung oder den Versuch, eine richtige Eltern-Kind-Bindung aufzubauen).
Star Wars Episode IV-VI (Film-Trilogie, 1977–1983)
Worum geht es?
Seit 19 Jahren regiert der Diktator Darth Vader mit seinem Imperium die Galaxie, einzig die Rebellen leisten ihm Widerstand. Prinzessin Leia schafft es, die geheimen Pläne für ein Projekt namens “Todesstern” zu stehlen, wird kurz darauf aber gefangen genommen. Luke Skywalker lebt als Farmer bei seinem Onkel auf dem Wüstenplaneten Tattooine. Eines Tages findet er in einem Roboter eine Botschaft von Prinzessin Leia, die sich mit einem Hilfegesuch an einen Mann namens Obi-Wan Kenobi richtet. Luke macht sich auf die Suche nach dem Empfänger und wird fündig: als Ben Kenobi lebt er ganz in der Nähe. Nach einigem Hin und Her begleitet Luke Obi-Wan zur Rettung von Prinzessin Leia. Luke wird von Obi-Wan ausgebildet und findet sich bald darauf an der Seite der Rebellen im Kampf gegen das Imperium und speziell Darth Vader wieder.
Wie wird das Trope umgesetzt?
Der Ur-Vater des Tropes und Ursprungsmaterial des berühmten Spruches “Luke, ich bin dein Vater” (der tatsächlich kein exaktes Zitat aus dem Film ist), wird der Trope ganz klassisch umgesetzt. Luke hört immer wieder Heldengeschichten von seinem Vater als Jedi-Ritter, der angeblich im Kampf gegen das Imperium gefallen ist. Darth Vader, der Anführer des Imperiums, ist der eindeutige Antagonist der Trilogie. Er entführt Prinzessin Leia, herrscht mit Schrecken über die Galaxis und plant, mit dem Todesstern noch mehr Zerstörung zu verbreiten. Luke hasst Darth Vader und möchte ihn bezwingen, doch in einem epischen Kampf eröffnet Darth Vader ihm, dass er sein Vater sei. Für Luke bricht eine Welt zusammen, hat er sich seinen Vater doch stets zum Vorbild genommen. Ganz typisch für das Trope ist also der Antagonist und große Bösewicht der Vater der heldenhaften Hauptfigur, was dazu führt, dass Luke Angst bekommt, wie sein Vater zu werden. Im letzten Teil der Trilogie erfährt Luke noch dazu, dass Prinzessin Leia seine Zwillingsschwester und damit ebenfalls ein Kind von Darth Vader ist.
Terminator (Film, 1984)
Worum geht es?
Eine Killermaschine namens “Terminator” wird aus der Zukunft ins Jahr 1984 geschickt, um die ahnungslose Kellnerin Sarah Connor zu töten. Zu ihrer Rettung reist der Freiheitskämpfer Kyle Reese in die Vergangenheit, denn Sarahs Überleben sichert auch das Überleben der Menschheit. Sie wird nämlich John Connor zur Welt bringen, der im Jahr 2029 der Anführer der Freiheitskämpfer und einzige Hoffnung der Menschheit gegen die Herrschaft der Maschinen ist.
Wie wird das Trope umgesetzt?
Eine sehr untypische, aber dafür umso abenteuerlichere Variation des Tropes. Kyle Reese, der aus der Zukunft kommt, sieht in John Connor einen guten Freund, einen Helden und Mentor. Um die Zukunft zu retten, muss er verhindern, dass Johns zukünftige Mutter, Sarah Connor, getötet wird. Deshalb beschützt er sie mit seinem Leben und wird quasi ihr Beschützer. Während dem Versuch, dem Terminator zu entkommen, kommen sich Kyle und Sarah näher. In einer gemeinsamen Nacht zeugen sie dann letzten Endes das Kind, das zum Helden John Connor werden wird – bevor Kyle in einer Explosion seinen Tod findet. Somit ist also durch einen Zeitreise-Twist tatsächlich der Mentor der Sohn und der Schüler der Vater, doch wissen wohl beide von dieser Verwandtschaft nichts, der Twist bleibt also Sarah Connor und den Zuschauenden vorbehalten.
Chroniken der Unterwelt (Buch-Reihe, 2007–2014)
Worum geht es?
Die junge Clary lebt zusammen mit ihrer Mutter in Brooklyn und glaubt, ein ganz normales Mädchen zu sein. Doch eines Tages wird ihr Zuhause von einem Dämon angegriffen und Clary erfährt, dass sie zu den sogenannten “Schattenjägern” gehört und die Welt vor allerhand übernatürlicher Wesen, wie Werwölfen, Vampiren und Dämonen schützen muss. Gemeinsam mit neu gefundenen Freunden muss sie sich nun ihrem Schicksal stellen, denn der böse Valentin plant, die mächtigste Waffe der Welt, den “Engelskelch”, an sich zu bringen.
Wie wird das Trope umgesetzt?
Eine weitere Variante des Tropes, bei dem sich der Bösewicht als Vater der Hauptfigur herausstellt. Clary dachte durch die Erzählungen (oder besser: Lügen) ihrer Mutter, dass ein Soldat namens Jonathan Clark, der noch vor ihrer Geburt verstarb, ihr Vater sei. Tatsächlich ist jedoch Valentin Morgenstern ihr Vater. Besonders ist, dass die Buchreihe stark mit dem Trope spielt: Nicht nur ist Valentin Clarys Vater, sondern angeblich auch der Vater von Jace, was Letzteren zum totgeglaubten Bruder von Clary machen würde. Eine schockierende Enthüllung, da Clary und Jace ein Paar sind, was eine Blutsverwandtschaft problematisch macht. Tatsächlich stellt sich jedoch heraus, dass Valentin Jace zwar unter einem falschen Namen aufgezogen hat, er aber nicht sein Vater ist. Während Jace denkt, dass Valentin sein Vater sei, kommt es zum typischen “Ich bin wie er”-Plot, der bei Clary nicht genutzt wird, was damit begründet wird, dass Jace bei Valentin aufwuchs, Clary hingegen nicht. Später taucht Clarys tatsächlicher Bruder, ebenfalls ein Schurke, doch noch auf, während Jace schon wieder mit einer neuen Verwandtschaft konfrontiert wird, diesmal allerdings zu keinem Schurken.
Kill la Kill (Anime-Serie, 2013–2014)
Worum geht es?
Ryuko Matoi kommt als neue Schülerin an die Honnouji-Akademie, die unter der Schreckensherrschaft von Satsuki Kiryuin (und dem Kiryuin-Konzern, an dessen Spitze Ragyo Kiryuin steht) steht und bei der die Schüler nach Rängen sortiert verschiedene Uniformen tragen, die Superkräfte besitzen. Ryuko vermutet, dass Satsuki etwas über den Mord an ihrem Vater Isshin Matoi wissen könnte, der eines Tages von einer Unbekannten mit einer riesigen Schere getötet wurde. Doch Satsuki ist Ryuko haushoch überlegen, sodass sie sich stattdessen umständlich durch die Hierarchie der Schule kämpfen muss. Zum Glück kann sie währenddessen bei der Familie ihrer besten Freundin Mako wohnen.
Wie wird das Trope umgesetzt?
Eine “Ich bin deine Mutter”-Variation des Tropes. Ryuko bekämpft den furchtbaren Kiryuin-Konzern in Form von Ragyo und deren Tochter Satsuki. In einem Gefecht, bei dem sich Satsuki überraschend gegen Ragyo stellt, kommt heraus, dass Ryuko die totgeglaubte jüngere Tochter der Kiryuins ist. Für die Protagonistin führt das zu einer Krise, untypischerweise jedoch nicht aufgrund der plötzlichen Verwandtschaft zu ihren schlimmsten Feinden, sondern dadurch, dass sie erkennt, dass sie kein normaler Mensch ist. Ihre Mutter Ragyo experimentierte mit Lebensfaden (die aus dem Weltall stammenden Fäden oder besser bösartigen Lebensformen, aus denen alle Kleidung gemacht ist) an ihr herum. Ragyo dachte, bei Ryuko hätte diese Prozedur keine Früchte getragen, weswegen sie das Kind herzlos entsorgen wollte. Jedoch rettete Soichiri Kiryuin seine jüngste Tochter und zog sie daraufhin geheim unter seinem neuen Namen “Isshin Matoi” groß. Ein weiterer wichtiger Punkt der Enthüllung ist die Tatsache, dass Ryuko und Satsuki Schwestern sind, was beide zunächst nicht gerne erfahren, später aber zu einer liebevollen Geschwisterbindung wird.
Fire Emblem: Awakening (Game, 2012)
Worum geht es?
Prinz Chrom findet mit seiner Armee einen unbekannten Menschen, der sein Gedächtnis verloren hat. Chrom und der als Taktiker begabte Unbekannte werden Verbündete und verteidigen gemeinsam das Land Ylisse vor der Invasion durch das Königreich Plegia und bösen Mächten, doch ein maskierter Mann, der sich als “Marth” bezeichnet, behauptet, dass der Taktiker Chrom töten wird.
Wie wird das Trope umgesetzt?
Der (wahlweise männlich oder weibliche und selbst benennbare) Avatar leidet unter Amnesie. Über seine/ihre Vergangenheit ist nichts bekannt, doch Chrom und seine Freunde nehmen den Avatar herzlich auf. Im weiteren Verlauf wird der Bösewicht Valldar als Vater des Avatars enthüllt, eine Verwandtschaft, die je nachdem, mit wem man als Avatar eine romantische Bindung eingegangen ist, auch Hauptfigur Lucina betreffen kann. Für den Avatar bedeutet die Enthüllung einen typischen “Bin ich wie er?”-Plot und eine Identitätskrise, was natürlich nur verständlich ist, wenn man durch eine Amnesie ohnehin nicht weiß, wer man denn so wirklich ist. Noch dazu hatte Valldar stets den Plan, den Avatar zur Wiedererweckung des furchtbaren Drachens Grima, der einst fast die Welt zerstörte, zu nutzen. Dies führt zu vielen komplizierten Entscheidungen, schließlich ist der Avatar als Gefäß für Grima quasi eine tickende Zeitbombe, gleichzeitig aber auch ein Verbündeter.
Sollte nicht unerwähnt bleiben:
Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers
Eine abenteuerliche “Ich bin dein Großvater”-Variante des Tropes, nachdem zunächst eine Verwandtschaft zu den Skywalkers angedeutet wurde, um dann zu offenbaren, dass die Eltern von Rey angeblich nur Niemande waren. Dies ist allerdings nur eine Ablenkung davon, dass Rey die Enkelin von Palpatine ist.
Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI
Mulders biologischer Vater ist niemand anderes als der Raucher, was Mulder allerdings erst deutlich später klar wird. In den späteren Staffeln wird erneut damit gespielt, wobei offenbart wird, dass William, angeblich der Sohn von Mulder und Scully, tatsächlich das biologische Kind des Rauchers und damit Mulders Halbbruder ist.
X-Men
Die als Helden agierenden Zwillinge Scarlet Witch (Wanda Maximoff) und Quicksilver (Pietro Maximoff) sind tatsächlich die Kinder des Antagonisten Magneto, was für beide schockierend ist. Tatsächlich wurde dieser Sachverhalt auch nur indirekt enthüllt, nachdem Magneto bestätigt, dass Pietros Tochter Luna sein Enkelkind ist.
American Gods
Shadow erfährt, dass Mr. Wednesday (in Wirklichkeit der nordische Gott Odin), der ihn nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis freundlicherweise als Bodyguard anheuert und ihm eine unfassbare Welt voller real gewordener Götter eröffnet, tatsächlich sein Vater ist.