Wir müssen reden: Ein Jahr Disney+ in Deutschland, Zeit für eine Zwischenbilanz
Im November 2019 ist Disney Plus in den USA gestartet. Im März 2021 hat der Streaming-Dienst die Grenze von 100 Millionen zahlenden Abonnenten durchbrochen. Der Weg bis dahin war ein langer. Was war das für ein Rummel im Vorfeld, als Disney verkündete, einen eigenen Streaming-Dienst zu launchen. Endlich eine echte Alternative zu Netflix mit seinen nur zeitweise verfügbaren Lizenzen und wo Serien nach kurzer Zeit einen raschen Tod sterben. Und auch zu Amazon Prime Video, dem es an genügend spannenden Original-Formaten fehlt. Es klang alles erst einmal logisch: Disney in der Rolle des Content-Produzenten und gleichzeitig auch Content-Lieferanten. Macht Sinn, denn so könnte man alles aus einer Hand haben und das sogar dauerhaft. Schließlich fehlt es dem Mäusekonzern nicht an Inhalten dank anderer (über die Jahre hinweg aufgekaufter) Unternehmen wie zuletzt etwa 20th Century Fox. Aber läuft denn wirklich alles rund? Wir nehmen einmal die Nutzer-Perspektive ein.
“Shut up and take all my Money!”
Am 24. März 2021 eröffnete Disney+ auch hierzulande seine Pforten. Der Streaming-Markt war zu diesem Zeitpunkt bereits hart umkämpft, angeführt von dem Platzhirsch Netflix, dem es gelungen war, mit “netflixen” unseren Sprachgebrauch zu beeinflussen und Amazon Prime Video, einem Dienst, den viele alleine deswegen schon beziehen, um Lieferkosten beim größten Versandhaus der Welt einzusparen. Hinzu kommen unzählige weitere Dienste wie TVNOW, Joyn, Mubi, Crunchyroll und viele weitere. Einen Vorteil allerdings besaß Disney von vornerein: Die großen Marken im Gepäck, nach denen andere sich die Finger lechzen. Zudem war klar: Wenn Disney+ kommt, werden eben jene Marken nach und nach auf den anderen Plattformen abgezogen. Das Marvel Cinematic Universe auf Netflix? Damit nun Geschichte. Als Fan von Disneys Eigenproduktionen, Marvels MCU und Star Wars war somit also für Anhänger dieser Reihe schon eine Entscheidung gefallen ehe man darüber wirklich nachdenken konnte. “Shut up and take all my Money!” wäre das Meme, das an an dieser Stelle angebracht wäre.
Ernüchternder Start
Die erste Ernüchterung kam vor dem Start: In deutschsprachigen Ländern mussten wir uns bis März gedulden, während man in den USA bereits ein geschlagenes halbes Jahr zuvor loslegen konnte. Die Vorfreude war dennoch ungebrochen – bis dann der 24. März 2020 schließlich da war. Die ersten Stunden auf Disney+ erkundete man die Benutzeroberfläche, füllte seine Watchlist – und stellte schnell fest, dass zahlreiche Inhalte bereits bekannt waren. Oder “nice to have” sind, aber nicht unbedingt die Beschäftigung für die nächsten Wochen darstellen werden. Daran konnte auch das zu diesen Zeitpunkt in den USA bereits abgeschlossene The Mandalorian wenig rütteln, denn die Folgen erschienen auch bei uns nur wochenweise. Überhaupt: Wo waren denn all die neuen und vielversprechenden Inhalte nun? Außerdem wurde die Welt gleichzeitig – als hätte Disney es selbst fingiert – von einer Pandemie überrollt. Das ließ die Abonnentenzahlen in die Höhe schießen. Nicht zuletzt dank eines echten Kampfpreises beim Abschluss eines Jahresabos. Die breite Nutzer-Base war also versammelt, alles konnte losgehen, aber wo blieben die Inhalte? Die allererste Liste an Neuheiten versprach pure Ernüchterung. Einzeln aufgeführte Episoden ließen das Line-up umfangreicher wirken, als es in der Tat war. National Geographic? Schön und gut – aber wer hat sich das Abo deswegen abgeschlossen? Nachts im Museum? Öh …
Die Eiskönigin 2 und dann …?
Man hatte also nun die Wahl: Entweder Wiederholung in Dauerschleife (was sicherlich in zahlreichen Kinderzimmern auch absolut angesagt war) oder sich über Brotkrumen wie Star Wars: Resistance oder das kontrovers aufgenommene DuckTales Remake freuen. Die gefühlte Ernüchterung in den sozialen Medien überwog und das weiß der Autor dieser Zeilen nur zu gut, da er selbst Teil Deutschlands größter Facebook-Gruppe zum Thema Disney+ ist. Erst der Juli versprach wieder Besserung, denn da startete der wohl am meisten herbeigesehnte Film, der im Winter zuvor noch in den Kinos zu sehen war: Die Eiskönigin 2. Obendrein gab es auch das erste frische Marvel-Futter, nämlich Staffel 4 und 5 von Agents of S.H.I.E.L.D, was dann allerdings nur für einen Teil der Zuschauer neu war. Im Laufe des Jahres folgten dann als weitere Höhepunkte The Mandalorian (Staffel 2), Mary Poppins’ Rückkehr oder Once Upon a Time – Es war einmal …, doch nach und nach war die Luft raus. Trotz allem: Im August 2020 gab CEO Bob Chapek bekannt, dass Disney+ weltweit mehr als 60 Millionen Abonnenten hatte. Die Pandemie war eben vorangeschritten und Menschen sehnten sich nach Eskapismus. Aber wie würde es weitergehen?
Mulan für 21,99 Euro?!
Der nächste Knall, der die ohnehin verärgerten und zu weiten Teilen gelangweilten Zuschauer auf die Palme bringen sollte, kündigte sich für September an. Die ursprünglich für das Kino vorgesehene Realfilm Mulan erschien im VIP-Zugang. Eine freischaltbare Premium-Funktion innerhalb der Plattform, die einen direkten Streaming-Zugriff auf den Film gewährte. Kostenfaktor: 21,99 Euro. Noch bevor man sich wirklich mit dem Kosten-Nutzen-Faktor beschäftigte, brach ein wahrer Shitstorm über Disney+ herein. Grund Nummer 1: Nach ominösen Aussagen der Hauptdarstellerin Liu Ximeizi zur Freiheitsbewegung in Hongkong bahnte sich ein politischer Skandal an. Grund Nummer 2: Wie konnte der Konzern es wagen, neben der monatlichen Nutzungsgebühr noch einmal extra zu kassieren? Boykott-Aufrufe breiteten sich aus. Grund Nummer 3: Disneys Distributionspolitik töte die Kinos, welche die Blockbuster so dringend benötigten. Dass die Kinos zu diesem Zeitpunkt nur noch für eine kurze Zeit geöffnet waren, ehe der sogenannte “Lockdown Light” zuschlug, war damals noch nicht absehbar. Heute wissen wir es. Grund Nummer 1 soll an dieser Stelle gar nicht ausgeweitet werden, um nicht vom Thema abzukommen. Nun zu dem Vorwurf, der Konzern nutze die Sehnsucht nach Blockbustern aus, um seine Nutzer abzuzocken. Es bedarf keiner besonderen BWL-Kenntnisse um sich auszurechnen, dass Disney den Film zu gerne ins Kino gebracht hätte, um daran zu verdienen. Ohnehin war Mulan aufgrund der aufwendigen Produktion und teuren Nachdrehs bereits im Vorfeld ein Millionengrab. Irgendwie mussten also zumindest die Produktionskosten wieder eingeholt werden. In Social Media rechnete man herauf und herunter, ab wie vielen Zuschauern denn der Preis eines Kino-Tickets erreicht war. Spannende Rechnungen mit äußerst variablen Kinopreisen kamen zustande. Doch egal, wie man es nun dreht und wendet: Zwei Dinge sollte man in jedem Fall bedenken. Nämlich zum einen, dass die meisten ihre Accounts wohl nicht nur mit Familienmitgliedern teilen und dementsprechend weit mehr als nur ein einzelner Zuschauer zusehen kann. Dabei ist völlig egal, ob daheim oder einem anderen TV-Gerät aus. Außerdem stand der Film drei Monate später regulär und innerhalb der normalen Abo-Gebühr zum Abruf parat. Viel Wind um … nichts. Es sollte aber nicht das letzte Mal bleiben, dass der VIP-Zugang für Stress sorgte.
Deutsche Produktionen als Notfall-Plan?
Die Pandemie schlug derweil weitere Wellen und sorgte dafür, dass etliche Dreharbeiten zeitweise gestoppt wurden und Produktionen im Veröffentlichungskalender nach hinten rutschten. Disney+ füllte somit den Katalog vor allem mit nationalen Produktionen auf, die einem Deal mit LEONINE entsprungen waren: Die Wilden Kerle, Asterix und Obelix, Wickie und die starken Männer, Burg Schreckenstein und weitere deutschsprachige Produktionen wurden ab Herbst eingekauft und als Halloween-Programm für eine junge Zielgruppe zusammengestellt. Ob die wahren Gründe für diesen Einkauf eine Flaute an Eigentiteln waren oder die EU-Richtlinie von 2018, die fordert, dass 30 Prozent der Produktionen aus dem eigenen Land stammen sollen, bleibt unklar. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte, aber die Anzahl deutscher Filme liegt auf Disney+ bei Weitem nicht einmal bei 20 Prozent.
Disney hat ein Ass im Ärmel
Während die Begeisterung über Disney+ an vielen Stellen weiter abebbte und weiterhin insbesondere Inhalte für ein älteres Publikum fehlten, kam der Tag der Tage: Der jährliche Disney Investor’s Day am 10. Dezember 2021. Oder besser gesagt: Die Nacht der Nächte. Denn innerhalb einer nächtlichen Veranstaltung ließ Disney+ mit einer meisterlichen Präsentation und einem sensationellen Aufgebot an kommenden Titeln alle Zweifler verstummen und die gesamte Streaming-Welt beben. Die Ankündigungsshow präsentierte zehn Marvel-Serien, zehn Star Wars-Serien, 15 Disney Live-Action-Produktionen, Disney Animation und Pixar-Serien und Pixar-Filme in den nächsten Jahren. Disney besann sich dabei nicht nur auf die größte Stärke, das Portfolio an Eigenmarken, sondern bügelte auch noch eben das größte Manko aus: Die Zielgruppe 16+, die bislang kategorisch ausgeschlossen wurde und zukünftig mit einem integrierten Kanal namens “Star” angesprochen werden sollte. Von Akte X über Grey’s Anatomy und The Walking Dead bis hin zur Alien-Reihe schien nun die Heimat der Inhalte gefunden zu sein, die bislang schmerzlich vermisst wurden. An diesem Termin war Disney+ bereits bei 85 Millionen Abonnenten weltweit angekommen. Waren damit endgültig alle überzeugt? Zumindest schien es so und am ersten Weihnachtstag wurde mit Pixars oscar-prämiertem Film Soul sogar eine ursprünglich für das Kino geplante Produktion kostenlos verfügbar gemacht, wie auch schon zuvor Onward: Keine halben Sachen. Ein Film, der zu Beginn der Corona-Pandemie mit Schließung der Kinos zunächst in der Versenkung verschwunden war.
Warten macht plötzlich wieder Spaß
Im Januar 2021 erschien mit WandaVision die erste Serie, die nun auch das Marvel Cinematic Universe offiziell in eine neue Phase führen sollte. Gleichzeitig bildete die Produktion den Auftakt zahlreicher MCU-Serien, kurz darauf gefolgt von The Falcon and the Winter Soldier. Plötzlich wurde das, was bislang von vielen Zuschauern als Schwäche empfunden wurde, wieder als Stärke wahrgenommen. Denn die wöchentlich ausgestrahlte Serie brachte einen Lagerfeuer-Effekt mit sich, den man sonst eher bei Formaten wie Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! erlebt: Zuschauer fiebern jeder Folge entgegen, tauschen sich intensiv aus, spekulieren, rätseln und lassen die Interaktionen in sozialen Medien explodieren. Chapeau, Disney+! Denn was bereits als Bingewatching durch Netflix etabliert wurde, durfte nun wieder in Frage gestellt werden. Vor- und Nachteile hat beides, aber: Ist der Austausch über sozialen Medien in unserem Zeitalter nicht etwas, das fest dazugehört und bei Bingewatching nur bedingt möglich ist?
Ein neuer Stern am Firmament
Am 23. Februar 2021 startete schließlich Star in Deutschland mit Inhalten von 20th Century Studios, FX, 20th Television, ABC sowie Searchlight Pictures oder Hulu. Nicht minder wichtig: Die Möglichkeit, die Titel nach Altersempfehlung zu filtern, die nun hinzugefügt wurde. Mit der Adult Animation-Serie Solar Opposites, der packenden Thriller-Serie Big Sky, der abgebrochenen Non-MCU-Serie Helstrom und der LGBTQ-Serie Love, Victor waren erste Titel am Start, die hierzulande als “Star Originals” vermarktet werden. Die Aufnahme der neuen Kategorie fiel einstimmig positiv aus, nicht zuletzt aufgrund des gewaltigen Katalogs, der nun etwa auch Titel wie Deadpool ermöglichte. Im Februar 2021 gab Disney im Rahmen seiner Quartalszahlen bekannt, dass Disney+ nun 94,9 Millionen Abonnenten hatte. Kurz darauf im März war die Marke der 100 Millionen geknackt. Ein Wachstum, das keiner vorausgesehen hatte.
Weiterhin umstritten: Der VIP-Zugang
Mit Raya und der letzte Drache bahnte sich wieder der nächste Unmut an, denn die Akzeptanz des VIP-Zugangs ist weiterhin niedrig. Dabei möchte man meinen, dass alle aus Mulan gelernt haben: Nach drei Monaten ist der Film ohnehin im normalen Abo wieder enthalten. Wozu also noch aufregen? Zumal auch noch ein Verwertungsfenster entfällt und die Spanne zwischen erster Ausstrahlung und Aufnahme im Abo somit nur noch drei anstelle von acht Monaten beträgt. Unter diesem Aspekt betrachtet gehen noch immer viele Nutzer ungerechtfertigt mit Disney+ ins Gericht. Auch Kino-Vergleiche sind schwierig zu einer Zeit, in der Kinos geschlossen sind. Disney kündigte aber bereits an, Black Widow im Falle geöffneter Lichtspielhäuser auf die große Leinwand zu bringen. Die Disney+ Veröffentlichung im Juni ist aber schon einmal gesichert und scheint, wenn man den sozialen Medien Glauben schenken darf, weitaus willkommener zu sein aufgrund der Tatsache, dass die nächsten MCU-Filme bereits auf der Wartebank sitzen und mit den Hufen scharen.
Disney+ ist auch weiterhin eine Baustelle
Am 24. März 2021 wurde Disney+ dann ein Jahr alt. Wo über die Monate hinweg also kritisiert, gemotzt und geshitstormt wurde, sind die Unkenrufe inzwischen weitgehend verstummt. Denn beinahe das gesamte Jahr über stehen neue MCU-Folgen an und auch die Aussicht auf Staffel 3 von The Mandalorian sowie Star Wars: The Big Badge stimmt versöhnlich. Trotzdem gibt es noch immer genug zu tun. Stichwort: Content-Pflege. Womit wir bei der großen Schwäche von Disney+ angelangt wären: Alte Fehler bestehen weiterhin und neue sind hinzugekommen. Bei aller Liebe zu dem stetig wachsenden Katalog: Wieso bekommt es ein Konzern dieser Größe nicht hin, bestehende Probleme zu beheben? Die Liste der Kritikpunkte ist selbst unter Disney+ Fans lang. Hier gibt es zehn Aufreger, die regelmäßig zu beobachten sind.
- Bereits im April letzten Jahres kündigte Disney+ an, sich um die Original-Synchro von Arielle, die Meerjungfrau zu bemühen. Davon ist bis heute nichts erkennbar, denn sie fehlt noch immer.
- Bei vielen Titeln fehlen die deutschen Tonspuren. Dazu gehören etwa Emil und die Detektive von 1964, Herbie dreht durch oder die Marvel-Serie X-Men aus dem Jahr 1992.
- Zudem zeigt Disney einige TV-Serien im falschen Seitenverhältnis. Meist sind die entsprechenden Serien ursprünglich im 4:3-Format gesendet worden. Disney hat das Material auf das gängige Format 16:9 gebracht. Dazu gehören die Fernsehserien Chip und Chap, Goofy und Max sowie Arielle, die Meerjungfrau oder die beiden Aladdin-Fortsetzungen. Auch Die Simpsons wurde anfangs im falschen Seitenverhältnis auf Disney+ veröffentlicht. Immerhin: Seit Mai 2020 können Zuschauer wählen, ob sie die Serie im Original-Format oder im 16:9-Format sehen wollen.
- Mit der Einführung von Star setzte sich dieses Phänomen fort: Die drei Serien Akte X, Buffy und Scrubs wurden ursprünglich im 4:3-Format ausgestrahlt, aber bei Disney+ gibt es sie über alle Staffeln im 16:9-Format. Es ist unverständlich, dass Disney nicht aus den Erfahrungen mit den Simpsons gelernt hat und im Zweifel einfach beide Formate bereitstellt.
- Warum fehlen immer wieder einzelne Folgen oder sind durcheinander gewürfelt?
- Wieso wurde Big Sky mehrfach ohne deutsche Synchro ausgeliefert und war teilweise zwei Tage lang nur auf spanisch zu hören? Auch bei Love, Victor war das Phänomen kurzfristig zu beobachten.
- Warum werden Inhalte wie Bluey oder Die Wilden Kerle immer wieder kurzfristig und entgegen eigener Ankündigung verschoben?
- Und wo sind eigentlich Lizenzen wie Käpt’n Balu und seine tollkühne Crew oder Die Dinos vergraben?
- Wo stecken all die Produktion des Disney Channels?
- Und was ist mit den vielen Marvel-Cartoons der 90er?
Es ist schade, dass in der Content-Pflege zum Teil derart geschlampt wird. Zur Verteidigung Disneys sei gesagt, dass viele Tonspuren noch bei anderen Lizenznehmern liegen und aus lizenztechnischen Gründen erst einmal zurückgekauft werden oder auslaufen müssen. Denn in den 90ern wurden Serien an Mediengruppen verkauft, welche dann auf eigene Kosten eine Synchronisation erstellen ließen. So etwa die Zeichentrickserie X-Men, die zeitweise im Cartoon-Programm von RTL zu sehen war. Damals konnte Disney (genauer gesagt: Marvel) schlichtweg nicht ahnen, dass zwei Jahrzehnte später Streaming die nächste größere Sache werden würde und somit liegen etliche Synchros irgendwo in verschlossenen Archiven verscharrt. Es ist auch klar, dass Disney natürlich (!) nicht alle Lizenzen auf einen Schlag veröffentlichen wird. Welcher Streamingdienst würde innerhalb eines Jahres seine gesamte Munition verschießen? Und doch sind die Unterschiede zum US-Zugang von Disney+ wie Tag und Nacht.
Die Zukunft von Disney+
Das ist natürlich streng betrachtet jammern auf hohem Niveau. In Sachen Preispolitik ist Disney+ unschlagbar und bringt einen entscheidenden Vorteil gegenüber seiner Konkurrenz mit: Keine Disney-Inhalte erscheinen mehr bei anderen Streamingdiensten. Doch davon einmal abgesehen, müssen andere Streaming-Dienste nun ohne Disney auskommen und umso stärker auf eigene Produktionen setzen. In den USA konnte Disney bereits mit Sony Pictures einen weiteren Content-Lieferanten verpflichten, dessen Inhalte nach einer Zweitverwertung im Kino erst auf Netflix und dann in den Disney+ Katalog wandern werden. Ohne Disney+ gäbe es auch Filme wie Onward oder Soul bei Sky zu sehen. Für die Sky-Kundschaft gibt es also weniger neue Kinofilme. Hier und da gibt es aber Ausnahmen bezüglich des Katalogs von 20th Century Fox, wie etwa bei The New Mutants, an dem Disney nun weiterverdienen kann, da der Film zunächst auf Sky zu sehen sein wird. Die wirklichen Titel mit Hit-Potenzial von Disney, Marvel, Lucasfilm und Pixar wird man dort aber zukünftig wohl nicht mehr finden. Marken wie Marvel oder Star Wars bauen sich eben nicht von heute auf morgen auf. Sie sind das Ergebnis jahr(zehnt)elanger Vorarbeit kreativer Teams und visionärer Köpfe. Mittlerweile scheint die Lage entspannt und Fans freuen sich, dass monatlich neue Titel hinzukommen wie etwa Angel: Jäger der Finsternis. Damit kristallisiert sich auch heraus, in welche Richtung sich der Dienst entwickelt: Disney+ wird ein dauerhaftes Content-Archiv, das vor allem für Liebhaber interessant ist, die nicht wöchentlich etwas Neues brauchen oder sich daran gewöhnen können, dass die Highlight-Titel nach und nach eintrudeln. Alleine die Star-Kategorie sollten sich Serien-Fans nicht entgehen lassen. Zudem besteht keine Eile beim Schauen, denn es besteht nicht die Gefahr, dass die Filme aus dem Abo verschwinden könnten. Während bei Netflix, Prime Video und Sky Ticket so gut wie täglich Inhalte aus dem Abo entfernt werden, blieb das bei Disney+ bisher die große Ausnahme.
Blickt man einmal nur auf die aktuellen Abo–Zahlen aus dem 1. Quartal 2021 zeigen, kann sich das Unternehmen entspannt zurücklehnen. Das macht vor allem Netflix zu schaffen, aber auch bei Amazon Prime Video bröckeln die Marktanteile. JustWatch hat die Marktanteile der Streaming-Dienste in Deutschland gemessen und ausgewertet. Die drei großen Anbieter Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ machen hierzulande 82 Prozent des Marktes aus. Disney+ liegt bei 16 Prozent und wächst stetig weiter.