Mushishi

Nach dem Science-Fiction-Klassiker Blame! und dem Fantasy-Epos RG Veda schnappt sich Manga Cult eine weitere ältere Perle der Manga-Welt: Mushishi. Damit bringt der noch junge Verlag einen ‘neuen’ Titel nach Deutschland, mit dem kaum jemand gerechnet haben dürfte. Schließlich endete Yuki Urushibaras (Neko ga Nishi Mukya) Werk bereits 2008 nach zehn Bänden. Aber gänzlich vergessen konnten vermutlich nur wenige das preisgekrönte Werk aus Japan, sodass sogar noch Jahre später einige Anime-Umsetzungen folgten. Sowie eine Perfect Edition, deren erster Band seit dem 4. Juni 2020 auch hierzulande vorliegt. Wir lassen uns diese Gelegenheit nicht entgehen und tauchen in die wundersame Welt der sogenannten Mushi ein. Eine Lebensform, so vielfältig wie das Leben selbst. Natürlich funktioniert ein Zusammenleben mit dem Menschen nicht immer reibungslos.

   

Die Natur birgt so manches Geheimnis. Immer wieder dringen diese an die Oberfläche, doch nicht immer geht dabei alles glatt. Neben den Pflanzen und Tieren gibt es zum Beispiel auch noch die mysteriösen Mushi. Wesen von so niederer Ordnung, dass nur wenige sie wahrnehmen oder gar sehen können. Doch hin und wieder kommt es zum Kontakt zwischen Menschen und diesen anderen Lebewesen. Probleme stehen dabei an der Tagesordnung, deswegen reisen sogenannte “Mushishi” durch die Lande, um zu helfen. Einer von ihnen ist der weißhaarige Ginko ‒ ein Mann mit ebenso vielen Geheimnissen.

Die wundersame Welt einer anderen Lebensform

Originaltitel Mushishi
Jahr 1999 – 2008
Band 1 / 10
Genre Fantasy, Mystery, Supernatural
Autor Yuki Urushibara
Verlag Manga Cult (2020)
Veröffentlichung: 4. Juni 2020

Yuki Urushibara entführt uns in Mushishi in ein ländliches Japan früherer Zeit. Als kleine Dörfer in der Abgeschiedenheit existierten und nur reisende Händler wie rote Blutkörperchen alles miteinander verbanden. Episodenhaft erzählt der Manga, wie der herumreisende Ginko auf Personen trifft, die in Kontakt mit diesen unglaublichen Erscheinungen kamen und nun unter seltsamen Symptomen leiden. Ob nun Augen, die so empfindlich sind, dass sie kein Sonnenlicht vertragen, bis hin zu Träumen, die dank der Kraft eines Wesens real werden. Die emotionale Spannweite ist dabei überwältigend. Schließlich müssen sich Figuren Erschwernissen stellen, die ihr normales Leben völlig aus den bekannten Bahnen schlagen. Und nicht immer können sie zu diesem zurückkehren. Die ersten fünf Abenteuer des ersten Bandes bieten schon eine solche Fülle an Abwechslung, dass stets spannend bleibt, was unser Held als nächstes erlebt.

Der helfende Wanderer

Verbunden sind alle Abenteuer durch den mysteriösen Ginko. Weiße Haare, ein seltsames Auge und umgeben von einer Aura der Andersartigkeit. Viel gibt er uns noch nicht preis, doch Urushibara sät den ersten Samen der Neugier, der in den weiteren Geschichten noch wachsen wird. Schließlich zeichnet sich unser Held schon jetzt durch Fleiß, ein gutes Herz und eine ruhige sympathische Art aus, so dass es schlicht ein Vergnügen ist, ihm durch die Welt zu folgen. Wer jedoch auf actiongeladene Kämpfe gegen die unbekannten Wesen hofft, wird hier nicht fündig. Viel eher regen die Abenteuer zum Nachdenken und Mitüberlegen an, da Ginkos Lösungen vor allem auf zuhören, nachdenken und – ähnlich wie ein Detektiv – Deduktionen basieren. Dabei bleibt es oftmals bis zum Ende spannend, da die ungewöhnlichen Situationen ebenso ungewöhnliche und ideenreiche Lösungen erfordern.

Sie schafft eine Welt aus einfachen Strichen

So fantastisch wie die Geschichten sind, so bodenständig sind die Zeichnungen in Mushishi. Auf traditionellem Weg, ohne Hilfe des Computers, schafft es die Autorin mit nur einfachen Schraffuren und ein wenig Rasterfolie, uns in eine völlig andere Welt eintauchen zu lassen, aus der es schwer fällt, wieder herauszukommen. Das Design der Figuren ist oft schlicht, jedoch der damaligen Zeit angepasst. Was uns regelrecht in jene Zeit zurückwirft und ein stimmungsvolles Bild schafft. Und gerade weil sie die Figuren eher einfach hält, wirken die fantasievollen, formunterschiedlichen Mushi im Gegensatz dazu noch viel mehr wie aus einer anderen, tief verborgenen Daseinsebene stammend. Dieser Kontrast ist es, der eine starke Faszination auslöst. Nebenbei laden die naturbelassenen Landschaften zum Staunen ein, während die biologischen Horror-Elemente ein leichtes Gruseln auslösen.

Erster Eindruck

Ich kann meine Freude nur schwer im Zaum halten, dass ich Mushishi auf deutsch in den Händen halten kann. Über die Animeserie kam ich einst zu den englischen Bänden, die in mir immer den Wunsch entfachten, die Geschichten irgendwann in meiner Muttersprache genießen zu können. Daher kann ich schlicht kein negatives Wort über diese Reihe schreiben. Urushibara schafft es in den Kapiteln, anregende, fantasievolle, gerne düstere Geschichten zu erschaffen, die einen von der ersten Seite an in ihren Bann zieht. Die Mushi sind dabei so voller Ideen gepackt, dass es Spaß macht, sie zu erkunden. Ein besonderes Merkmal ist, dass es hier trotz eines Konfliktes keinen wirklichen Übeltäter gibt. Nur schlichte Kommunikationsprobleme zwischen zwei verschiedenen Lebensformen. Interessant bleibt es deshalb, welche Lösungen es gibt und ob Ginko diese immer finden kann. Der Reisende selbst von Anfang an sympathisch. Dabei drängt er sich nicht in den Vordergrund, sondern wirkt wie ein passendes Beiwerk zum Gesamtkonzept. Von den eher schlichteren Zeichnungen kann ich auch nur Positives berichten, da sie perfekt zur Handlung passen. Für mich eine klare Empfehlung an alle, die nach ruhigeren, auch düsteren Geschichten Ausschau halten und vor allem auch Lesestoffsuchende, die sonst nicht im Manga-Bereich unterwegs sind.

© Manga Cult


Seit dem 4. Juni 2020 im Handel erhältlich:

 

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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