Revenge Bully

Mobbing hat viele Gesichter und entwickelt sich weltweit immer mehr zu einer schwerwiegenden Problematik. Dies wird zusätzlich durch das digitale Zeitalter befeuert, denn die Schikanen erreichen sogar die eigenen vier Wände. Negative Erlebnisse brennen sich bei Betroffenen oft ein Leben lang ins Gedächtnis ein und können nicht einfach wieder per Knopfdruck verschwinden. Es braucht nur einen Trigger und schon sind die Erinnerungen aus der Vergangenheit in der Gegenwart. Doch nicht nur der Blick in die Vergangenheit bereitet einstigen Mobbing-Opfern Probleme, sondern auch die psychischen Folgen, die oft von den Mitmenschen unterschätzt werden. Nicht selten kommt es zu Depressionen, sozialen Angststörungen oder im schlimmsten Fall zu Selbstmord. Doch es gibt noch einen Gegenpol, der Rachegefühle hegt. Ein solches Beispiel findet sich in der Manga-Serie Revenge Bully, denn der Protagonist Yuichi Aizawa will sich an seinem ehemaligen Peiniger rächen. Ob ihm das gelingt, kann die Leserschaft seit Oktober 2023 verfolgen, denn Carlsen Manga brachte den ersten Band in die hiesigen Verkaufsregale.

Yuichi Aizawa kann nicht gerade mit Freude auf seine Schulzeit zurückblicken, denn vor 20 Jahren hat ihm insbesondere sein Mitschüler Shinji Suzuki das Leben zur Hölle gemacht. Aufgrund des heftigen Mobbings seiner Klassenkameraden blieb ihm nichts anderes übrig, als die Schule abzubrechen. Dennoch hat er sich aufgerafft und konnte somit vom Beruf Lehrer werden. Sein Leid als Mobbing-Opfer hat er dabei jedoch nicht vergessen und so wird er der Klassenlehrer von Shinjis Tochter Shiori. Er fasst den Plan, sich an Shinji zu rächen und dafür zu sorgen, dass Shiori in der Klasse gemobbt wird. Schon bald wird für Shiori die Schule immer mehr zu einem Albtraum, denn sie weiß nicht mehr, wem sie noch trauen kann …

Weltmeister im Weglachen

Originaltitel Ijimeru Aitsu ga Warui noka, Ijimerareta Boku ga Warui noka?
Jahr 2020
Band 1 / 6
Genre Drama, Psychological, Thriller
Autorin Chikara Kimizuka
Mangaka Yen Hioka
Verlag Carlsen Manga (2023)
Veröffentlichung: 24. Oktober 2023

Die Geschichte beginnt damit, dass Ende Mai 2021 ein Klassentreffen für die Abschlussklasse 2000 der Mittelschule stattfindet. Die Freude über das Wiedersehen der ehemaligen Klassenkameraden ist groß und Shinji Suzuki übernimmt die Moderation des Abends. Doch womit niemand gerechnet hat, dass plötzlich Yuichi Aizawa vor ihnen steht. Der Mitschüler, der von ihnen allen gequält und erniedrigt wurde. Einige der Anwesenden bekommen ein schlechtes Gewissen und entschuldigen sich bei Yuichi, denn sie wollen nicht von ihm gehasst werden. Anders sieht es hingegen bei Shinji aus, denn schnell gibt er Yuichi zu verstehen, dass er von dessen Auftauchen bei der Feier nicht gerade begeistert ist. Doch Shinji geht noch weiter, denn er sagt Yuichi, dass er selbst an seinem Mobbing in der Mittelschule schuld war. Schließlich war er ein stilles Opfer, welches sich nicht wehrte. Yuichi nimmt Shinjis Äußerungen augenscheinlich gelassen, denn er verbirgt seinen tiefgehenden Hass hinter einem Lächeln. Schon in der Mittelschule war er ein “Weltmeister im Weglachen”, wenn ihn seine Klassenkameraden quälten. Spätestens als Yuichi Shinji die Antwort “Zum Glück bist du noch ganz der Alte!” gibt, sollten alle Alarmglocken klingeln. Denn nun fühlt sich Yuichi nur noch mehr darin bestätigt, sich an Shinji zu rächen. Zu diesem Zeitpunkt weiß Shinji jedoch noch nicht, dass Yuichi der Klassenlehrer seiner geliebten Tochter Shiori ist. Viel mehr verfällt Shinji dem Irrglauben, dass Versager immer Versager bleiben und dass Yuichi nichts aus seinem Leben gemacht hat. Nicht verwunderlich, denn Shinji sieht sich selbst als den perfekten Menschen an, der eine Elite-Laufbahn vorzuweisen hat.

Rache nimmt an Fahrt auf

Das Leben der Familie Suzuki wirkt von außen perfekt, aber dies ist mehr Schein als Sein. Shinji ist ein harter und spitzenmäßig verdienender Banker, der kaum Empathie für seine Kunden aufbringt. Seine Ehefrau, die er ursprünglich gar nicht heiraten wollte, betrügt er mit der Lehrerin Frau Yazaki, die er aber auch nur als sein Spielzeug betrachtet. Zudem gedenkt er seine Affäre mit ihr zu beenden, was ebenso verheerende Folgen für Shiori haben könnte. Das sind also Umstände, die Yuichi sogar zukünftig bei seiner Rache noch in die Hände spielen könnten. In der Zwischenzeit nimmt das Mobbing an Shiori zu, die sich erstmal eingestehen muss, dass sie von irgendjemanden gehasst wird. Nicht nur einmal kommen ihre Sachen abhanden oder sie findet sie irgendwo zerstört vor. Ihrer besten Freundin Yumi entgeht das nicht und diese entfernt sich immer mehr von ihr. So wird sie zunehmend von ihren Mitschülerinnen ignoriert. Dies unterstreicht nochmal, wie schnell sich Mobbing in der Klasse ausbreitet, denn es braucht nur einige wenige Trigger. Am Ende kann Shiori kaum noch jemanden vertrauen. Doch auch ihr hoffnungsvoller Glaube in Yuichi wird mit der Zeit erschüttert, denn ihr Mitschüler Manaka verrät ihr einige schockierende Informationen über ihn. Ausgerechnet der nette Lehrer, der ihr helfen sollte, verfolgt böse Absichten. Und Zuhause kann sich Shiori nicht mal ihrer Familie anvertrauen, denn ihr Vater geht davon aus, dass seine Tochter genauso erfolgreich sein wird wie er und viele Freunde in der Schule hat. Shinji glaubt sogar, dass sie von der Persönlichkeit her ein Abbild von ihm sei. Nun ist Yuichi gespannt, wie Shinji reagieren wird, wenn er erfährt, dass seine Tochter gemobbt wird. Schließlich sind laut Shinji alle selbst an ihrem Mobbing schuld.

Kranke Psychospielchen

Revenge Bully des Schöpfer-Duos Chikara Kimizuka (Boku no Namae wa “Shounen A”) und Yen Hioka (Black Detective) offenbart sich als ein eiskalter Rache-Thriller und strotzt gerade nur so vor Psychospielchen. Yuichi weiß genau, welche Knöpfe er drücken muss, um Shinjis geliebter Tochter Shiori zu schaden. Sie wird dabei in eine Sache hineingezogen, die 20 Jahre zurückliegt und ihr Vater zu verantworten hat. Welche Qualen Yuichi durch Shinji und weitere Klassenkameraden erleiden musste, wird durch einige kurze erschütternde Rückblicke aufgezeigt. Hierbei wird für die Leserschaft ganz klar ersichtlich, wie heftig Yuichi körperlich und psychisch gemobbt wurde. Diese Ausschnitte aus der Vergangenheit sind von enormer Wichtigkeit, um Yuichis Rachegefühle in der Geschichte nachvollziehbar zu machen und sein seelisches Leid zu verdeutlichen. Sogar noch 20 Jahre nach dem Mobbing lassen sich Narben an Yuichis Körper vorfinden. Was Yuichi die letzten Jahre gemacht hat und warum er gerade jetzt seine Rache vollzieht, bleibt jedoch überwiegend im Dunkeln. Zudem ist unklar, ob Shinji noch weitere Feinde hat, die sich an ihm rächen wollen. Bei seiner arroganten und fiesen Persönlichkeit, die weder Mitgefühl noch Reue kennt, wäre dies durchaus vorstellbar. Ansonsten gibt es im Handlungsverlauf die eine oder andere Überraschung, sobald mehr Informationen über die Hauptcharaktere vorliegen. Yuichi gibt bei seiner Rache alles und greift da auch gerne auf fragwürdige Methoden zurück. Allerdings entwickelt sich das Mobbing bei Shiori fast schon wie von selbst, denn er musste nur die Saat säen. Insgesamt bietet der erste Band von Revenge Bully einen spannenden Auftakt und eine unbeschönigte Sicht auf das Thema Mobbing. In den auftretenden Figuren steckt noch einiges an Potenzial, welches noch voll ausgeschöpft werden könnte. Zudem ist noch reichlich Zündstoff für die nächsten Bände vorhanden, denn gerade Frau Yazaki könnte sich als ein gefährliches Problem herausstellen, sofern Shinji sie tatsächlich in den nächsten Bänden abservieren will. Des Weiteren weiß sie nichts von seiner Vergangenheit. Die unerwartete Enthüllung mit Shinji am Ende des ersten Bandes macht direkt Lust auf mehr. Zeichnerisch mag das Werk etwas “gewöhnlich” und wenig herausstechend auf die Leserschaft wirken, aber dafür überzeugt die Geschichte umso mehr.

Erster Eindruck

Revenge Bully zeigt unverblümt, was Mobbing mit der Psyche eines Menschen anrichtet und welche gefährlichen Folgen das Ganze noch Jahre danach haben kann. Dabei wird auf hochspannende Weise erzählt, wie Yuichi nach und nach seinen gemeinen Racheplan in die Tat umsetzt. Doch was schockierender ist, dass Yuichi sich sogar noch 20 Jahre nach seiner physischen sowie psychischen Tortur von Shinji anhören muss, dass er an seinem damaligen Mobbing selbst schuld sei. Diese fragwürdige Täter-Opfer-Umkehr-Argumentation ohne jegliche Reue, lässt die Leserschaft nahezu sprachlos zurück. Im Handlungsverlauf kommen immer mehr Informationen über Shinji ans Tageslicht, die seine narzisstische, unempathische und dominante Persönlichkeit entlarven. Da kann es fast schon verstörend wirken, dass ihm Yuichi bei seiner Rache immer ähnlicher wird. Trotzdem lässt es sich mit Yuichi mitfühlen, denn sein Hass ist nachvollziehbar dargestellt und auch Shiori kann einem mit der Zeit leid tun. Letztendlich überzeugt der Auftakt im ersten Band von Revenge Bully auf ganzer Linie, daher freue ich mich auf die nächsten Bände. Liebhaber fesselnder Rachegeschichten sollten sich den Titel nicht entgehen lassen.

© Carlsen Manga

Alva Sangai

Alva Sangai beschäftigt sich in ihrer Freizeit gerne mit Medien verschiedenster Art. Egal, ob Serien, Filme, Anime oder Manga. Dabei spielt es keine Rolle aus welchem Land die Produktionen stammen, denn Alva ist da sehr weltoffen. Des Weiteren hört sie gerne Musik, schreibt Geschichten und zeichnet ab und zu. Ein Tee oder ein Cappuccino darf dabei natürlich nicht fehlen. Nebenbei beschäftigt sich Alva mit den vielen Funktionen von Clip Studio Paint EX, denn sie möchte sich in der Zukunft an einem Web-Comic versuchen. Der Name Alva Sangai setzt sich aus dem Vornamen der Protagonistin ihrer ersten längeren Geschichte, sowie ”Sangai”, Hirschen die nur in Manipur (Indien) zu finden sind, zusammen. Sangai spielt also auf ihre Bollywood-Artikel an.

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