Castle Rock

Stephen King hat sich als Autor einen solch populären Ruf geschaffen, dass selbst Leute eine Vorstellung von ihm haben, die nie eines seiner Bücher anrühren. Und egal ob Hop oder Flop, Adaptionen seiner Werke in Film und Fernsehen gibt es immer wieder. In den letzten Jahren sogar stark vermehrt. Mit der Serie Castle Rock, die seit Ende Juli 2018 auf Hulu zu sehen ist, gibt es aber keine direkte Verfilmung einer King-Geschichte. Die Stadt, die er in zahlreichen Werken erwähnt, dient als Spielwiese für ein ganz neues fantastisches Grauen. Wir wagen uns todesmutig als Vorhut an die ersten drei Episoden.

 

1991 verschwand der damals 12-jährige Henry Deaver für elf Tage in der Wildnis rund um Castle Rock. Bei rekordverdächtigen Minustemperaturen war die ganze Stadt bemüht ihn zu finden. Die Tragödie war perfekt als Reverend Deaver, der Adoptivvater des Jungen, in dieser Zeit starb. Als Henry mit einer angeblichen Amnesie auftauchte, war nahezu jeder überzeugt, dass Henry einen heimtückischen Mord geplant hatte, der ihm nicht mehr nachgewiesen werden könne. 2018 arbeitet Henry als Anwalt, mit einer Spezialisierung auf Leute, die die Todesstrafe erwartet. Seine letzte Klientin in Texas verliert er aber grade an die Giftspritze. Da erhält er einen anonymen Anruf. Im Shawshank Gefängnis, dem momentan einzig verlässlichen Arbeitgeber in Castle Rock, hat jemand nach ihm gefragt. Kein Insasse, sondern ein Unbekannter, der in einem verlassenen Trakt gefunden wurde. Henry tritt die Heimreise an, ohne zu wissen, mit wem er überhaupt reden soll, denn die neue Gefängnisdirektorin will zunächst nichts über einen festgehaltenen Nicht-Häftling wissen.

Willkommen im Universum von Stephen King

Castle Rock ist eine Mystery-Serie, die inhaltlich auf eigenen Beinen stehen möchte. Für den besonderen Kick, ist sie aber in der Welt der miteinander verwobenen King-Romane angesiedelt. Für Leser und Kenner ergibt sich daraus ein Mehrwert, wer aber auf der Suche nach einem spannenden Zeitvertreib ist, soll nicht ausgegrenzt werden. So sind die Figuren weitestgehend Neuschöpfungen und es wird viel darüber geredet, dass in Castle Rock immer wieder schlimme Dinge passieren, aber die Details sind für die Serie eher Nebensache. Es finden sich Zeitungsausschnitte über einen tollwütigen Hund (Cujo), der Fund einer Leiche in den 60er Jahren wird erwähnt (Die Leiche besser bekannt als Stand by me – Das Geheimnis eines Sommers), der Auftritt einer Maus erinnert entfernt an The Green Mile und der Name eines Restaurants, das in ES und Zeitraffer vorkommt, fällt. Das Shawshank Gefängnis selbst ist natürlich der Spielort der Novelle Pin Up, die als Die Verurteilten verfilmt wurde. Es sind vergleichsweise kleine bekannte Dinge, die nie von der sich aufbauenden Handlung ablenken, aber klar das Gefühl vermitteln, dass Castle Rock eine lange und dunkle Geschichte hat. Ob die Macher Sam Shaw und Dustin Thomason sich einen großen Knalleffekt für den weiteren Verlauf der Serie aufgespart haben, bleibt abzuwarten. Eine unterschwellige Erwähnung des Turms ist nie ausgeschlossen.

Neue Figuren, bekannte Schauspieler

Originaltitel Castle Rock
Jahr USA
Land 2018
Episoden 3 / 10
Genre Mystery, Horror
Cast Henry Matthew Deaver: André Holland
Molly Strand: Melanie Lynskey
The Kid: Bill Skarsgård
Jackie Torrance: Jane Levy
Ruth Deaver: Sissy Spacek
Alan Pangborn: Scott Glenn
Dennis Zalewski: Noel Fisher

Henry Deaver (André Holland, Moonlight) ist eine neue eigenständige Figur, die nicht von King geschaffen wurde. Seine mysteriöse Vergangenheit und ein Job, der zu einem solch schweren Thema wie der Todesstrafe führt, fühlen sich aber an, als hätte King seine Finger im Spiel. Typische Archetypen sind schnell gefunden. Ähnlich verhält es sich mit Molly Strand (Melanie Lynskey, Two and a half men), der Kindheitsnachbarin von Henry. Bei ihrer Einführung kauft sie direkt Pillen, die sie sich regelmäßig einwirft. Suchtverhalten ist bei King ein wiederkehrendes Motiv. Doch schnell wird klar, dass hinter Mollys psychischem Problem mehr steckt. Andere denken sie hätte eine Form von Sozialphobie, aber tatsächlich fühlt Molly die Gefühle anderer und besonders die von Henry hat sie schon immer klar und deutlich wahrgenommen.

Das ist der bisher klarste Ausflug der Serie ins Übernatürliche, während alles andere eher vage Andeutungen sind, die zu Spekulationen einladen. Lynskey hat mit der King Verfilmung Das Tagebuch der Ellen Rimbauer schon Erfahrung gesammelt, aber sie ist nicht die einzige Alumni. Sissy Spacek, die einst unter der Regie von Brian De Palma zu Carrie wurde, spielt Henrys Mutter Ruth, die mit Demenz zu kämpfen hat. Und der Unbekannte im Gefängnis, nur The Kid genannt, wird von Bill Skarsgård dargestellt, der 2017 den Pennywise in ES gab. Die fünfte Schauspielerin, die im Vorspann genannt wird ist Jane Levy (Don’t Breathe), bei der gibt es keine bisherige Verbindung, aber sie hat den interessantesten Rollennamen. Sie wird in der ersten Folge als Jackie Torrance vorgestellt. Hier könnten auch bei Cineasten die Ohren klingeln, immerhin spielte einst Jack Nicholson in Stanley Kubricks The Shining den alkoholabhängigen Hausmeister des Overlook Hotels mit dem Namen Jack Torrance. Da geht es ganz sicher nicht um einen Zufall oder eine bedeutungslose Hommage. Die Schauspieler überzeugen schnell in ihren Rollen und sind ein Pluspunkt bei der Frage, ob ein Blick sich lohnt.

Eine langsame Enthüllung des Plots

Stephen King liebt Details und ausschweifende Beschreibungen. Deshalb sind auch die Taschenbuchausgaben seiner Romane oft gar nicht ganz so handlich. Und eine Serie, die seinem Stil gerecht werden will, platzt nicht einfach mit der Tür ins Haus. Die erste Staffel wird zehn Folgen umfassen und Hulu hat die ersten drei direkt als Paket online gestellt. Die lassen sich wunderbar hintereinander wegschauen, und man weiß danach einiges, hat aber vor allem viele Fragen. Und wenn eine Frage beantwortet wird, gibt es im Anschluss sofort neue. Der Grusel der Serie ist dabei sehr unterschwellig und lebt ein wenig davon, dass der Zuschauer eben weiß, dass jede noch so normale Kleinigkeit bei einer King-Geschichte zum puren Horror werden kann. Die Spannung wirkt dadurch aber teils sehr künstlich und ist eher ein Vorschuss, weil man als Zuschauer eben weiß, dass die Serie aus dem Gruselbereich kommt. Die erste Vermutung liegt nahe, dass man einen etwas längeren Atem mitbringen muss, bis die Puzzlestücke zusammenfallen. Was ist 1991 wirklich geschehen und warum ist es wichtig, dass Henry nach Castle Rock zurückkehrt?

Ich sehe großes Potenzial in der Serie, bin aber nach diesem ruhigen Beginn skeptisch, wohin das Pendel ausschlagen wird. 11.22.63 ist eine gute Miniserie, die aber von vornherein klar abgeschlossen war. Der Nebel hat nette Ideen, kam für mich aber nicht schnell genug aus dem Quark. Und Under the Dome entpuppt sich während der zweiten Staffel als Einschlafhilfe. Auf dem Papier klingen sie alle gut und Castle Rock könnte als Stadt des Grauens viel bereithalten. Ich finde es toll, dass Alan Pangborn (Scott Glenn, Daredevil) dabei ist, der Sheriff aus Stark – The Dark Half und In einer kleinen Stadt. Tod, Teufel, Religion, übersinnliche Kräfte, der Wahnsinn hinter der Kleinstadtfassade – wunderbare Themen. Aber hier wird sich wohl erst am Ende zeigen, ob sich das Ansehen wirklich lohnt.

Misato

Misato hortet in ihrer Behausung fiktive Welten wie ein Drache seinen Goldschatz. Bücher, Filme, Serien, Videospiele, Comics - die Statik des Hauses erlaubt noch ein bisschen, der Platz in den Regalen weniger. Am liebsten taucht sie in bunte Superheldenwelten ein, in denen der Tod nicht immer endgültig ist und es noch gute Menschen gibt. Íhr eigenes Helfersyndrom lebt sie als Overwatch Support Main aus und adoptiert fleißig Funko Pops.

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Ayres
Redakteur
3. August 2018 17:38

Liest sich sehr spannend, insbesondere, wenn man schon viel von King gesehen und gelesen hat. Kommt gleich mal auf die Liste.

Roland Deschain
4. August 2018 20:59

Ich fand den Beginn zwar interessant, aber ich empfinde den Mangel an Informationen, was denn nun Sache ist und das Warum als großen Makel, da sich für mich leider nicht wirklich Spannung aufbaut. Man bekommt zwar die ganzen Infos, aber wirklich packend inszeniert ist es in meinen Augen nicht. J.J. Abrams war ja schon mit Lost jemand, dessen Plotplanungen zu wünschen übrig lässt. Genau diesen Eindruck hab ich da, wenn auch Folge 4 überraschen konnte. Werde weiter schauen, erwarte aber nicht mehr, aus den Socken gehauen zu werden.

Aki
Aki
Redakteur
17. August 2018 10:41

Ich hoffe so sehr, dass Amazon Prime die Serie bald ins Programm nimmt. Bin Stephen King Fan und daher ist es schlicht Pflicht für mich. Finde es vor allem interessant, dass sie sich nicht direkt an einer seiner Geschichten halten, sondern einfach Elemente benutzen. Da kann ich mich auf die Anspielungsspurensuche machen *_____* Hab auch schon wo anders gelesen, dass Bill Skarsgård wieder hervorragend spielt. Bin daher echt gespannt, denn als Pennywise hat er mir schon Gänsehaut eingebracht. >-<

Freut mich, dass eine zweite Staffel sogar schon angekündigt worden ist. Hoffe nur, die verrennen sich nicht.